Stadtszene im Colorkey: Die Bildaussage unterstützen

Die Nachbearbeitung eines Fotos kann die Bildaussage unterstützen oder dagegenarbeiten und damit Aufmerksamkeit schaffen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Sonja van Tuinen).

Kommentar des Fotografen:

Kuba, Juni 2009. Dieses Foto habe ich auf einer Hauptstraße Havannas aufgenommen. Ich habe durch die Bildbearbeitung versucht, die bunt bemalte Mauer von den tristen, baufälligen Gebäuden abzuheben. Aufgenommen habe ich das Foto mit meiner Panasonic FZ 10.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Sonja van Tuinen:

Ein einsamer Passant, der an einer mit Graffiti bedeckten Wand vorbeigeht. Den Lichtverhältnissen nach zu urteilen ist es um die Mittagszeit, aber außer ihm ist keiner dort unterwegs. Hinter der Wand ragen verfallene Häuser wie kaputte Zähne in die Höhe. Der Mann scheint aber weder das bunte Durcheinander der Wand, noch die dahinter herrschende Zerstörung zu bemerken. Er ist auf dem Weg irgendwohin, er hat ein Ziel.

Eine typische Straßenszene, die ich insgesamt recht gut eingefangen finde. Sie erzählt eine Geschichte, und der Gegensatz zwischen dem in weiß gekleideten Passanten und seiner trostlosen Umgebung lädt zum Nachdenken ein. Die Hauptlinien verlaufen dynamisch durch das Bild, und der Fußgänger befindet sich links fast perfekt im Goldenen Schnitt.

Straßenfotografie wird traditionell in Schwarzweiß fotografiert. Das hat einerseits seine Begründung in der Tatsache, daß die „Großen“ des Metiers, oft mit Kameras der Marke Leica, bevorzugt monochrom gearbeitet haben, und es auch nach der Einführung der Farbfotografie noch tun (etwa Lee Friedlander). Andererseits lenkt Farbe von anderen Einzelheiten im Foto ab.

So wie hier. Indem Du die Wand farbig läßt, den Mann davor aber nicht, wird die Wand zum alleinigen Hauptgegenstand, obwohl doch ihre Beziehung zu ihrer Umgebung den Widerspruch des Bildes erst erzeugt. Daß der Mann Weiß trägt, ändert daran meines Erachtens nichts. Hättest Du stattdessen das ganze Foto monochrom gelassen, und etwa mit Kontrasten gearbeitet, hätte sich der trostlose Eindruck des Fotos noch verstärkt. Das hätte dann so ausgesehen:

Das Bild ohne Colorkey (© Sonja van Tuinen).Ein gutes Beispiel dafür, daß Color Key im allgemeinen schwierig einzusetzen ist. Meiner persönlichen Meinung nach braucht Dein Bild diesen Effekt nicht. Es wirkt in Schwarzweiß aus sich heraus.

Mit Nachbearbeitungen wie dieser kann man zweierlei bewirken: Man kann eine bestehende Bildaussage unterstützen („antiker“ Look für ein im „alten“ Stil aufgenommenes Porträt) oder bewusst dagegen arbeiten. Im ersteren Fall verstärkt der Fotograf den Eindruck des Bildes, indem er ihn mehr gewichtet, in letzterem, indem er eine Unruhe in die Szene bringt, die aufgelöst werden will, und die nach „warum“ fragt. Hier ist der zusätzliche Widerspruch nicht nötig.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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