Stillleben: Im kalten Kerzenlicht

Ein Stillleben ist kein Schnappschuss. Im Gegenteil: Bei einem Stillleben hat der Fotograf jede Zeit der Welt (wenn es nicht gerade Eiscreme ist), sein Motiv so sorgfältig und detailverliebt zu arrangieren, wie es seine Vision erfordert. Bei diesem Foto wurde dieser Vorteil jedoch sträflich ignoriert.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Bernhard Schneck).

Kommentar des Fotografen:

Das Windlicht strahlt Licht und Wärme aus, leicht verstärkt durch die Spiegelung im Glasgefäß. Das Foto sollte etwas von dieser Ausstrahlung wiedergeben. Das Motiv wurde nicht arrangiert. Vielmehr entstand das Foto eher zufällig auf der Ausstellung „Garten München 2011“.

Profi Robert Kneschke meint zum Bild von Bernhard Schneck:

Ein Stillleben ist kein Schnappschuss. Im Gegenteil: Bei einem Stillleben hat der Fotograf jede Zeit der Welt (wenn es nicht gerade Eiscreme ist), sein Motiv so sorgfältig und detailverliebt zu arrangieren, wie es seine Vision erfordert. Das ist der grundlegende Widerspruch dieses Fotos:

Einerseits soll es – der Kategoriezuordnung nach – ein Stillleben sein, andererseits sagt der Fotograf, das Bild sei nicht arrangiert und entstand nur zufällig. Das ist dem Bilder anzusehen – und nicht zu seinem Vorteil.

Störend sind zwei Punkte. Zum einen ist das Teelicht-Arrangement selbst nicht mit Hinblick auf eine gute Wirkung auf einem Foto zusammengestellt worden. Teelichter wirken meist billig und klein, passender ist fast immer eine richtige Kerze. Der weiße Schaumstoff links trägt nichts zur Verbesserung bei und die Metalldrähte, welche das vermutlich hängende Gestell halten, sind lieblos gebogen und es wurde auch nicht der Versuch unternommen, sie durch Blüten, Bändern oder ähnliches zu verdecken.

Der zweite störende Punkt ist die technische Herangehensweise des Fotografen. Wie er richtig anmerkt, strahlt die Flamme Licht und Wärme aus. Beides lässt Du im fertigen Foto jedoch untergehen, indem Du das Arrangement frontal mit dem kalten, harten Blitzlicht anleuchtest, was leider genau das Gegenteil der gemütlichen Stimmung erzeugt, die Du einfangen wolltest.

Besser wäre es vermutlich gewesen, den Blitz auszuschalten und als Ausgleich dafür den ISO-Wert hochzusetzen, um trotzdem eine verwacklungsfreie Belichtungszeit zu erhalten. Am ungenügenden Motiv hätte das jedoch wenig geändert.

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2 Kommentare
  1. Swonkie
    Swonkie sagte:

    …aber nicht jedes tote/leblose objekt ist automatisch ein stilleben. man denke zum beispiel an architekturfotografie.

    ich würde auch darauf pochen dass bei einem stilleben alles absolut unter der kontrolle des fotografen steht, dies hier also keines ist.
    selbst wenn man eiscreme fotografiert, hat man die totale kontrolle darüber. man kann z.b. einen platzhalter hinstellen und erst wenn alles perfekt ist das richtige eis platzieren und sogar auf den exakten zeitpunkt des richtigen „schmelzpunktes“ warten. und wenn es nicht exakt richtig rauskommt kann man das eis wieder durch ein frisches ersetzen und nochmal anfangen.

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  2. Schneck
    Schneck sagte:

    Der Verriss des Fotos mag berechtigt sein. Als demjenigen, der das Foto eingereicht hat, erscheinen mir aber ein paar Anmerkungen angebracht.

    – zur Einordnung:

    Von den zur Auswahl stehenden Kategorien kamen nur Stillleben oder Schnappschuss in Frage. Laut Wikipedia bezeichnet Stillleben „die Darstellung toter bzw. regloser Dinge oder Gegenstände“, während es ebenfalls laut Wikipedia bei einem Schnappschuss auf „offensichtliche Spontaneität“ ankommt. Lässt man diese Begriffsbestimmung gelten, ist das Foto unter Stillleben, denke ich, richtig eingeordnet.

    – zur Aufnahmesituation:

    Der Aussage „Bei einem Stillleben hat der Fotograf jede Zeit der Welt“ möchte ich deutlich widersprechen. Im Grund wird hier unterstellt, dass bei einem Stillleben nicht nur das Motiv reglos ist sondern auch die Umgebung und dass der Fotograf für seine Aufnahme zumindest über so viel Zeit verfügt, dass er in aller Ruhe die beste Aufnahmeposition suchen und die geeignetsten Einstellungen an seiner Kamera vornehmen kann. Diese Bedingungen sind sicher in sehr vielen Fällen nicht gegeben – nicht nur beim Fotografieren von Eiscreme…

    Im vorliegenden Fall zeigt das Foto einen Ausschnitt aus einem Arrangement, das zu einem Wettbewerb von Auszubildenden der Floristik während der Messe „Garten München 2011“ zusammengestellt und im Anschluss an den Wettbewerb – zusammen mit den Arrangements der anderen Teilnehmer – im Rahmen der Messe ausgestellt wurde.
    Um die von den Auszubildenden eingereichten Arbeiten gab es ein gewaltiges Gedränge und ich hatte leider nicht die Zeit zu warten, bis sich dieses Gedränge auflösen würde, was ich vielleicht als „mildernden Umstand“ geltend machen kann. Ich gebe aber zu, dass ich darauf zumindest in meinem Bildkommentar hätte hinweisen sollen.

    – zur Beschaffenheit des Motivs:

    Auch hier geht der Kritiker m. E. von einer idealisierten Vorstellung aus, nämlich dass der Fotograf, der ein Stillleben aufnimmt, über sein Motiv auch physisch verfügen, es also nach seinen Vorstellungen gestalten oder zumindest verändern kann. Im vorliegenden Fall war ich an dem Wettbewerb nur als zufällig vorbeikommender Zuschauer beteiligt und konnte deshalb nicht einfach den Metalldraht gerade biegen oder das Teelicht durch eine Kerze ersetzen. Deshalb übernehme ich gern die Verantwortung für die Auswahl des Motivs und für die Art und Weise, wie es ins Bild gesetzt wurde, aber nicht für seine Beschaffenheit.
    (Der vermeintliche Schaumstoff war übrigens Würfelzucker.)

    Auch wenn ich nicht mit jedem Satz der Kritik einverstanden bin, kann ich doch einiges aus ihr lernen. Deshalb trotz Stirnrunzeln: besten Dank an den Kritiker, dass er sich die Zeit für eine Bewertung genommen hat.

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