Storch auf Strohballen: Landschaft mit „I-Tüpfelchen“

Manchmal kann man auch zuviel an Bildern herumdoktern; dabei übersieht man dann gerne andere Probleme.

Canon 500D - f/8 - 1/400s - ISO 100 - 200 mm - (c) Rainer Bachmann

Canon 500D – f/8 – 1/400s – ISO 100 – 200 mm – (c) Rainer Bachmann

Rainer Bachmann aus Berlin schreibt zu diesem Foto:

Bei einer Radtour durch die Uckermark konnte ich diesen Storch ablichten. Besonders gefallen hat mir dabei die Dreieckskomposition mit den Stohballen. Ich war mir aber nicht sicher, ob ich das Bild hätte noch mehr um den Himmel beschneiden sollen, um nur 2 Hintergründe und Farben zu haben. Andererseits fand ich die abfallende fast parallele Linienführung der Horizonlinie und der ersten Feldlinie schön. Ich finde das sorgt für zusätzliche Dynamik im Bild.

Manche Leserbilder schaue ich mir an, und weiß sofort, was ich schreiben werde. Das hier war so eines, obwohl es weniger zu kritisieren, als zu erläutern gibt. Umgetrieben hat Dich die Frage nach einem weiteren Beschnitt – ich bin froh, daß Du nicht weiter beschnitten hast, dafür scheint Dich das, was ich im folgenden ansprechen werde, nicht gestört zu haben. So geht es manchmal. Störendes ist aber nicht viel vorhanden.

Zuerst einmal zum Technischen: Aufgenommen wurde dieses Foto mitten am Tag, was man an den ausgebleichten Farben und den Schatten der Ballen gut erkennen kann. Ansonsten hat die mittlere Blende in Verbindung mit der langen Brennweite dafür gesorgt, daß alles hinter dem Storch auf dem Ballen verschwimmt. Auch, wenn bei Landschaftsbildern generell empfohlen wird, eine kleine Blende zu benutzen, um alles scharf abzubilden, finde ich das hier nicht störend, denn es ging Dir ja um den Storch auf dem Stroh, den Du mit dieser Entscheidung gut freigestellt hast.

Kompositionell ist die Aufnahme höchst interessant. Es ist zwar alles aus dem Goldenen Schnitt (rosa) und der Drittelregel (grün) heraus verschoben, aber ich finde genau das hier gut – Du bist intuitiv vorgegangen, hast Dich auf den Storch in Verbindung mit den Formen in der Landschaft konzentriert.

Vergleichsfoto/Komposition

Vergleichsfoto/Komposition

Jene wird von den Kreisen der Strohballen, sowie auch von den Geraden, die die Szene durchziehen, bestimmt:

Vergleichsfoto/Komposition

Vergleichsfoto/Komposition

Dadurch kommen mehrere Ebenen ins Foto, was durch die oben angesprochene abfallende Schärfentiefe noch unterstützt wird:

Vergleichsfoto/Komposition

Vergleichsfoto/Komposition

Ein an sich fast perfekter Schnappschuß, wenn nicht ein paar Punkte anzusprechen wären, die ich hier problematisch finde.

Da ist einmal das Fragment eines Strohballens rechts (roter Pfeil), das genug sichtbar ist, um zu stören, sowie ein Fleck links oben (hellblauer Pfeil), vermutlich ein Vogel:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Beides hätte ich entfernt, was hier durch Klonstempel leicht zu bewerkstelligen ist.

Weiterhin die Vignettierung, die im Himmel sichtbar ist (hervorgerufen durch die Kameraeinstellungen und das verwendete Equipment in Verbindung mit den Lichtverhältnissen):

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Diese wäre durch einen radialen Grauverlaufsfilter zu mildern gewesen. Ein Grauverlaufsfilter hätte auch den Himmel, der hier eher grau als blau erscheint, besser ins Bild gebracht. Im Nachhinein kann man das nur noch simulieren, genauso, wie ich auch die Farben etwas aufgepeppt habe. Mit diesen Änderungen – Klonstempel, linearer Grauverlaufsfilter, Farbsättigung – sähe das Foto dann so aus:

Endergebnis

Endergebnis

Die Vignettierung habe ich nicht behoben, aber so finde ich es fast perfekt. Einen weiteren Beschnitt würde ich auf keinen Fall vornehmen, denn jetzt bildet der Himmel einen Kontrapunkt zum Grün des Maises und bringt dadurch die Geometrie in der Landschaft noch mehr zur Geltung. Der Storch ist das I-Tüpfelchen in einer Landschaft, die auch an sich schon interessant wäre.

4 Kommentare
  1. Wolfgang
    Wolfgang sagte:

    Wie Chilled Cat schon geschrieben hat, ein tieferer Standpunkt hätte der Darstellung des Storches gut getan, denn der Unterleib des Vogels schneidet sich mit der Linie des Maisfeldes. Das geht dann sicher beim nächsten Mal.

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  2. Dirk
    Dirk sagte:

    Ich lese die Bildbesprechungen hier mit großen Interesse. Diesmal kann ich die Einschätzung nicht so recht teilen. Mich stört an dem Bild sehr, dass die Strohballen so weit am Rand sind. Wäre es mein Bild, so hätte ich es verworfen und mich geärgert, keine etwas kürzere Brennweite eingesetzt zu haben. Zudem schaut der Storch aus dem Bild heraus. Ich hätte eine gänzlich andere Bildkomposition verwendet, aber das ist natürlich auch Geschmackssache. Hätte ich dieses Bild gemacht, hätte ich es wahrscheinlich auf ein Hochformat mit der linken Bildhälfte beschnitten oder ganz aussortiert.

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    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Das sind alles gute Diskussionspunkte. Wenn es mehr auf den Storch ankommt, kann ich Hochformat gut nachvollziehen. Daß der Vogel nach links und damit für Dich „aus dem Bild heraus“ schaut, liegt daran, daß wir in diesem Kulturkreis von links nach rechts lesen. Ich fand es nicht tragisch, sonst hätte ich es gesondert angesprochen.

  3. Chilled Cat
    Chilled Cat sagte:

    Mir kommt beim Betrachten des Bilds eine Idee in den Sinn: Durch einen etwas tieferen Aufnahmestandpunkt hätte der Storch vollständig das helle gemähte Feld als Hintergrund, von dem sich speziell das dunkle Gefieder besser abheben kann als vom dunkelgrünen Schilf. Aber das ist Jammern auf hohen Niveau und lässt sich nachträglich schlecht verändern.

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