Strassenszene mit Bär:Verschenktes Potential

In spontanen Bildmomenten im öffentlichen Raum hilft ein reflexartiges, aber überlegtes Vorgehen: Die Situation erkennen, festhalten und danach weiter arbeiten.

Michael Sennhauser
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Michael Sennhauser). – Olympus C2000Z- 1/320s – f/2.2 – ISO 100 – 12.6mm (70mm)

Kommentar des Fotografen:

Der Bär dürfte, am 16. Dezember 1999, ein frisch gekauftes Weihnachtsgeschenk gewesen sein. Geknipst mit meiner ersten brauchbaren Digitalkamera, einer Olympus C2000Z, vor fast 9 Jahren. EXIF-Daten sind drin, die gabs damals schon.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Michael Sennhauser:

Dies sieht nach einem recht interessanten, witzigen Moment aus. Nichts, was man jeden Tag zu sehen kriegt. Doch leider ist die Komposition nicht sehr gut:

Darum zeigt sich dem Betrachter, nachdem er den Inhalt wahrgenommen hat, lediglich ein schneller, uninteressanter Schnappschuss eines Moments, dessen Potential der Fotograf nicht voll ausgeschöpft hat.

Du hast die Situation gut erkannt und sie schnell in einem Schnappschuss festgehalten, um sie nicht zu verpassen, bevor sie sich in Wohlgefallen aufgelöst hat. Das ist ein guter Anfang.

Was nicht gut ist, ist, dass Du Dich nicht so lange mit der Szene befasst hast, wie sie sich in dieser Form dargeboten hat, um eine aussagekräftigere Komposition zu bekommen.

Die besten Fotos sind normalerweise ein Zusammentreffen verschiedener Elemente: gutes Licht, Inhalt und eine interessante Komposition.

Natürlich müssen wir, wenn wir nicht im Studio sind, wo wir jeden Aspekt in unserem Bild kontrollieren können, uns mit geringerer Perfektion abfinden und genau diese Unvollkommenheit kompensieren.

Mit dem Angebot des Inhalts und dem Vorhandensein von mehr als zufriedenstellendem Licht machen es Dir die Götter der Fotografie sehr leicht. Und alles, was Du machen musst, ist, Deine Kamera zu benutzen, um die Situation visuell interessant darzustellen.

Ich hätte zwei Dinge empfohlen:

Erstens hättest Du vielleicht nach rechts gehen sollen, um eine etwas frontalere Ansicht auf den Bären und seinen Besitzer zu bekommen. Es wäre viel besser gewesen, die beiden ebenbürtig nebeneinander sitzen zu sehen, als in so einer Seitenansicht. Eigentlich wäre direkt von hinten auch eine gute Ansicht gewesen.

Zweitens hätte ich eine größere Blende gewählt. Dies hätte eine geringere Tiefenschärfe ergeben, was infolge all die anderen Elemente im Hintergrund weniger ablenkend dargestellt hätte, und der Betrachter hätte sich so mehr auf den Bären und seinen Besitzer konzentrieren können.

Einen Moment zu sehen und dann den Auslöser zu drücken sind natürlich nötige Schritte; um aber ein großartiges Foto zu machen, erfordert es normalerweise auch eine gewisse Portion Kreativität – und harte Arbeit

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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4 Kommentare
  1. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Viktor: Das Bild ist mit einer Kompaktkamera entstanden. Ein riesiger Nachteil dieser Dinger ist die Reduktion der Schärfentiefeneffekte selbst bei grosser Blende und grosser KB-Brennweite – effektiv waren das mit der Camedia hier aber nur 12mm.
    Douglas geht von einer Spiegelreflex aus und spricht die Tiefenschärfe an. Er hatte in der Vorlage zur Besprechung nur die rohen Exifdaten vor sich, aus denen sich die Blendenzahl nicht vernünftig ablesen lässt.

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  2. Viktor Dite
    Viktor Dite sagte:

    „Zweitens hätte ich eine größere Blende gewählt. Dies hätte eine geringere Tiefenschärfe ergeben,“… noch größer als f2,2 ? die meisten haben nicht mal f2,8 !!

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  3. Mick
    Mick sagte:

    Danke, das sind einleuchtende Hinweise. Allerdings gab es bei der Kamera, so weit ich mich erinnere, keine Blendenwahl. Frontal wollte ich nicht fotografieren, weil mich der Mann sonst bemerkt hätte. Aber von hinten, das wäre wirklich clever gewesen. Dann wäre allerdings das Spielzeugauto, der „New Beetle“, der damals gerade noch en vogue war, weggefallen.

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