Streetfoto in Schwarzweiß: Manchmal ist gar keine die beste Nachbearbeitung

Bei einem Straßenfoto zählt die Aussage mehr als die Technik. Das macht zwar technische Mängel nicht automatisch wett, aber wenn diese vorhanden sind, tun sie dem Bild auch nicht automatisch Abbruch.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Dominik Baur).

Kommentar des Fotografen:

Ich bin für eine Projektarbeit auf der Suche nach diversen Gegenlichtsituationen, mich faszinieren diese extremen Kontraste zwischen hell und dunkel, welche auch auf diesem Foto deutlich zu sehen sind. Wichtig ist mir auch, das meine Bilder nicht gestellt sind, sondern so auf der Strasse vorgefunden wurden. Dieses Bild entstand an einem Abend auf meiner Fototour in Zürich; ich sah diese Lichtsituation und wartete auf den passenden Moment. Die Person und deren Schatten geben dem Bild eine gewisse Tiefe.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Dominik Baur:

Bei diesem Bild kam mir unwillkürlich „Der Dritte Mann“ in den Sinn. Du hast hier viel Stimmung eingefangen, und das hielt mich im Bild fest. Da es sich um eine Gegenlichtsituation handelt, ist es nicht schlimm, daß Teile des Bildes schwarz wegsumpfen – es trägt für mich zum Charakter des Fotos bei.

Ich habe allerdings lange mit mir debattiert, wie mit dem Fenster, vor dem die Gestalt geht, umzugehen wäre. Es ist halb ausgebrannt, halb ist die Häuserfassade dahinter sichtbar.

Eine zweite Aufnahme machen und beide kombinieren (eventuell mit Verlauf von weiß nach Fassadenstruktur)?

Lassen wie es ist?

Ich habe mir schon vor Jahren zur Gewohnheit gemacht, daß auch im Zweifel das Foto nicht anders hätte geschossen werden können, wenn einem keine bessere Alternative einfällt, obwohl man daran nach Herzenslust herumdoktert. Und so ist es auch hier.

Bei Straßenfotos ist es generell die Aussage, die uns im Bild hält – technische Mängel werden in Kauf genommen. Die von mir vielzitierte Helen Levitt, eine von mir sehr vereehrte Vertreterin des Genres, hat über ihre Karriere hinweg tausende Fotos in New York aufgenommen. Eines ihrer berühmtesten Bilder ist das eines kleinen weißen Mädchens und eines kleinen schwarzen Jungen, die selbstvergessen auf der Straße tanzen – zu einer Zeit, als Kontakt zwischen den Rassen in den USA höchst verpönt war. Das Foto ist etwas unscharf, macht es aber darum nicht minder beeindruckend. Warum? Der Aussage wegen.

Wie oben erwähnt, fiel mir spontan „Der Dritte Mann“ ein, und das hatte einen Grund. Das Foto ist insgesamt gut komponiert, es hält mich gefesselt, und mit den technischen Mängeln kann ich darum leben. Ich würde mir sogar einen Druck davon an die Wand hängen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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6 Kommentare
  1. O.
    O. sagte:

    Gratulation!

    Ich finde das Bild stark. Um nicht zu sagen: Saustark. Gerade dass vorn die Tiefen ins Schwarze absumpfen und draußen die Fassaden Zeichnung haben, finde ich klasse. Es ist ein wundervolles Contre-jour-Motiv. Einzig allein stört mich, dass der Person die vertikale Fensterstrebe durch den Kopf zu gehen scheint. Möglicherweise hätte man hier mal den Allheil-Stempel ansetzen können; auch wenn dann dem Fenster etwas fehlen würde. Kommt halt auf einen Test an.

    Mich inspiriert das Motiv, demnächst selbst einmal loszuziehen und Contre-Jour einzufangen.

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  2. Christian Gruber
    Christian Gruber sagte:

    Die Gegenlichtsituation als solches ist dir faszinierend gelungen. Einerseits die Silhouette um Kopf und Hand. Andererseits die Hausfassade im Hintergrund. Interessant ist auch der unscharf werdende Schatten im Kontrast zum doch scharfen Pflasterboden im Vordergrund.
    Was mich etwas ablenkt am Bild ist der rechte Bogen oder Fenster. Genauer betrachtet lenkt egentlich die darin enthaltene Hausfassade ab. Ich hab mal den halben Bogen weggeschnitten, es verbleibt eine ruhigere Fassade was das Bild etwas ruhiger macht wie ich finde.

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    • Dr. Thomas Brotzler
      Dr. Thomas Brotzler sagte:

      Ich sehe es ähnlich wie Christian. Der rechte Torbogen gehört zu einem ganz anderen Bild, das dortige Licht und die Stimmung nimmt nicht den Duktus der linken Szene auf.

  3. thomaspom
    thomaspom sagte:

    ein bild mit sehr viel atmosphäre und stimmung – echt klasse!
    anfangs dachte ich: unten das schwarz der stufe wegnehmen, aber nach längerer betrachtung finde ich es rahmt die szene ein. chapeau.

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