Swiss Photo Award 2009: Schweizer Auswahl

Im Rahmen des elften Swiss Photo Award werden am Abend des 8. Mai die Preisträger bekannt gegeben. Noch nie wurden mehr künstlerische Projekte eingereicht als 2009.

[photos title=“Nominiert am Swiss Photo Award 2009″ pics=“2 3 6 7″]Aus 465 eingesandten Arbeiten sind 18 bereits nominiert worden. Diese 18 Arbeiten sind bis zum 17. Mai im ewz-Unterwerk Selnau in Zürich zu sehen. Einen kleinen Querschnitt durch diese Nominierungen und die Hintergründe der Arbeiten zeigen wir hier.

Andri Pol aus Basel fotografierte Albinos in Tansania:

Andri Pol - aus: Albinojagd in Tansania„In den Dörfern im Norden Tansanias leben zehnmal so viele Albinos wie im weltweiten Durchschnitt. An die 5000 sind es bei einer Einwohnerzahl von zehn Millionen. In fast jedem Dorf trifft man auf einen Menschen mit diesem Gendefekt. Seit zwei Jahren werden in der Gegend um den Victoriasee Albinos, vor allem Jugendliche und Kinder, verstümmelt oder getötet, im vorletzten Jahr mindestens zwanzig, im letzten Jahr 16. Schon früher kam es immer wieder zu Übergriffen. Dabei schnitt man den Albinos Fingernägel oder Haare ab, jetzt aber wird ihnen der Unterschenkelknochen abgetrennt, denn skrupellose Medizinmänner versprechen den Käufern eines Albinoknochens unermesslichen Reichtum und Wohlergehen. So sollen die magischen Kräfte eines Albinoknochens Minenarbeitern helfen, durch das Gestein zu sehen und Goldadern zu finden, oder Fischern grössere Fängen verschaffen.“

Sabine Bechtel reiste durch Japan:

Sabine Bechtel - aus: Mono„Wer das Land zum ersten Mal besucht, findet das moderne Grossstadtleben, wie es jeder Metropole eigen ist – auch wenn es in Japan eine extrem dynamische Form annimmt. Allerdings wird die Hektik durch die ruhige Atmosphäre und das kontrollierte Auftreten der Menschenmassen aufgewogen. Gleichzeitig gibt es unzählige Elemente, die für den westlichen Besucher befremdlich wirken, ihn auf Abstand halten und isolieren. Diese Eindrücke lösten bei mir eine umso höhere Konzentration auf meine Motive aus; die Umgebung wurde filtriert und auf wenige Wahrnehmungen reduziert. Entscheidend war, mich diesem Zustand hinzugeben und ihn zu bebildern. Entstanden sind Fotografien, die sich zwar kulturspezifischer Erkennungsmerkmale bedienen, die aber nicht die Reise an sich thematisieren, sondern meinen durch den Ort hervorgerufenen Zustand veranschaulichen.“

Alex Gertschen und Felix Meier fotografierten ein Projekt namens „Queens“:

Alex Gertschen, Felix Meier - aus: Queens„Die grosse, weite westliche Welt, auf der die Konsumgesellschaft ihre Vorstellung gibt, ist eine Spielwiese. Was erzählt zum Beispiel ein Kondom, geringelt um eine Alka-Seltzer- Tablette, am Körper von Queen Happy? Hatte da jemand eine lange Nacht, etwas richtig gemeint und falsch gemacht? Oder umgekehrt? Ist es gut herausgekommen? Manche Queens geraten mitten in ihrem selbst gebauten Königsgarten in Zwickmühlen, andere staffieren sich aus für ihre Mission. Dritte entsprechen einfach nur dem Klischee. Kurz: Was einem Menschen der Fingerabdruck, sind den Queens die Gewänder.“

Maurice K. Grünigs „Kreaturen“ entstand aus der Idee einer Eigenwerbung für seine Ateliergemeinschaft:

Maurice K. Grünig - aus: Kreaturen„Der Wunsch nach Eigenwerbung für unsere Ateliergemeinschaft gärte schon lange. Weil wir jedoch alle meistens als Einzelkämpfer funktionieren, ist ein langer, aber fruchtbarer Arbeitsprozess ins Rollen gekommen, und schliesslich produzierten wir eine Postkartenserie. Wir, das sind Viviane Wälchli (Konzept und Grafik), raumprodukt (Antonia Banz und Markus Pawlick, Ausstellungsgestaltung, Innenarchitektur, Industriedesign) und ich, Maurice K. Grünig (Fotografie). In unterschiedlichen Zusammensetzungen haben wir schon diverse gemeinsame Projekte realisiert. Konzept und Inszenierung verbinden uns. Umsetzung: Manchmal wird eine Idee beinahe zufällig entdeckt. Sie nimmt Gestalt an und wird lebendig. Aus einer Kreation wird eine Kreatur mit Eigenschaften, Eigenleben und eigenem Namen. Kreaturen dieser Art entfalten sich nur unter besonders günstigen Verhältnissen – wie im Biotop an der Ottostrasse 17 in Zürich.“

Luis Berg widmete sich dem Thema sexuelle Gewalt an Kindern:

Luis Berg - aus: Sexuelle Gewalt an Kindern„Es handelt sich um gestellte Aufnahmen mit Modellen. Die Bilder von Vater und Sohn wurden in Alltagssituationen und in der ihnen vertrauten Umgebung gemacht. Beiden ging es zu jedem Zeitpunkt der Aufnahmen gut, das Kind wurde zu nichts gedrängt. Kein schönes Thema. Unangenehm für den Fotografen, weil der Blick der Kamera so leicht zum Blick des Täters wird und somit der Wunsch nach direktem Abbild zu pornografischen Bildern führt. Auch war die Gefahr bei dieser Arbeit gross, Intimsphäre und Anonymität der abgebildeten Personen zu verletzen, es an Respekt ihnen gegenüber mangeln zu lassen.“

Valentin Jeck befasste sich mit Kriminalfotografie:

Valentin Jeck - aus: IndizienFür die Aufnahmen von eleganten Abendhandtaschen habe ich mich für die Ästhetik der Polizeifotografie entschieden. Ihre radikale Sichtweise und die reduzierte und strenge formale Haltung sind einzigartig. Der Hintergrund ist meist zufällig und findet keine grosse Beachtung. In den Bildern findet sich Wahrheit und Wirklichkeit. Besonders bei der Kriminalfotografie, denn die Fotografie ist ja an sich ein Medium, das Authentizität beansprucht. Das kriminalistische Sujet steigert dies noch. Wie bei den Polizisten ist mein Anspruch an die Sachfotografie, die Gegenstände produktgerecht abzubilden. Im Unterschied zu den Kriminologen galt meine Aufmerksamkeit der Inszenierung der Bilder, aber auch dem dreckigen Hintergrund. Um Authentizität zu suggerieren.“

Und Tine Edel ging auf den Schrottplatz:

Tine Edel - aus: Auf dem Schrottplatz„Meine Aufgabe war es, einen Kalender für die Firma Solenthaler Recycling AG zu gestalten. Neben vielen technischen Informationen gab mir Ralf Solenthaler während der ersten Betriebsführung einen Schlüsselsatz mit auf den Weg:

„Und neben all dem Schrott, dem Lärm und der Arbeit gibt es bei uns eben auch noch das Andere, das Schöne …“

Was genau das war, sagte er nicht. Doch sein Satz lieferte die Idee zu den vorliegenden Kalenderbildern.“

Das neuntägige Begleitprogramm von 9. bis 17. Mai bietet eine zweite Ausstellung „Labor der Leidenschaft“. Die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Fachlabor und Fotograf ist dabei Ausgangspunkt der Ausstellung. Die Abendveranstaltungen mit einem Referat, einer Podiumsdiskussion und Bildersoirées widmen sich den aktuellen Veränderungen in der angewandten Fotografie: So brechen in der Werbefotografie die Aufträge ebenso weg wie die Möglichkeiten, redaktionell zu arbeiten.

Bleibt Fine Arts als Ausweg und Strategie? Ist dies der Grund, weshalb noch nie so viele Fine Arts Einsendungen wie dieses Jahr bei ewz.selection zu verzeichnen waren?

Die Veranstaltungen gehen den Kategorien entlang auf diese brennenden Fragen ein, versuchen eine Auslegeordnung zu entwickeln oder stellen Strategien zur Diskussion. Die Führungen mit Fotografen und die Sofagespräche mit Persönlichkeiten aus dem Bildschaffen dienen der Vermittlung von Fotografie an ein breiteres Publikum. Der Portfolio Day schliesslich gibt Einblick in die aktuelle Schweizer Fotografie: 30 Fotografinnen und Fotografen zeigen ihr Werk. Das aktuelle Programm gibt’s auf der Website der ewz.selection.

[box align=“right“]Swiss Photo Award
Bis 17. Mai
ewz-Unterwerk Selnau
Selnaustrasse 25,
CH-8001 Zürich
+41 44 240 22 03, info@ewzselection.ch
Geöffnet täglich 12 – 20 Uhr[/box]

Die Jury nominierte für den ewz.selection-award: Sabine Bechtel, Zürich; Luis Berg, Zürich; Mathias Braschler & Monika Fischer, Zürich; Christophe W. Chammartin, Les Thioleyres; Roger Eberhard, Rüschlikon; Tine Edel, St. Gallen; Alex Gertschen & Felix Meier, Emmenbrücke; Dominik Golob, Baden-Dättwil; Désirée Good, Zürich; Maurice Grünig, Zürich; Jonathan Heyer, Zürich; Tomas Houda, Wohlen; Florence Iff, Zürich; Valentin Jeck, Uerikon; Christian Lutz, Genf; Andri Pol, Weggis; Vanessa Püntener, Winterthur und Ester Vonplon, Berlin.

ewz-selection

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