Symbolbild: Der Zusammenhang zählt

Konzeptbilder, deren Inhalt bildliche Umsetzung einer konkreten Aussage ist, müssen so eindeutig wie möglich sein, ohne platt zu wirken.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Dr. Martin Baumgärtner).

Kommentar des Fotografen:

Ein Symbolbild zum Niedergang Irlands. Die Belichtungsdaten ergeben sich aus der EXIF-Datei. Das Bild ist selbsterklärend.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Dr. Martin Baumgärtner:

Der Schriftzug „EIRE“ (Irland) in massiven, einst weissen und jetzt leicht verwitterten Buchstaben an einer Backsteinmauer. Das „I“ hängt leicht schief nach rechts, der Schriftzug, leicht nach links oben im Bild platziert, ist in seiner unteren rechten Hälfte von einem rot-rosa-Spot beleuchtet.

Irland ist in grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Diese Fotografie kann das auf einfache, eindringliche Weise zum Ausdruck bringen. Jedenfalls in Zeiten, in denen der Zusammenhang allgemein klar ist.

Demnach wäre die Aufnahme gerade jetzt und zusammen mit dem grosszügigen Negativraum rechts unten durchaus als Titelbild für einen Artikel in einem Magazin geeignet:

Das Konzept von durch Schriftzügen sprechenden Bildern ist in der Medienwelt zumindest dort en vogue, wo die Aufnahme nicht zu sehr vom Inhalt ablenken soll und das Bild einen abstrakten Aufhänger für eine ebenso abstrakte Geschichte ist – beispielsweise eine ökonomische Analyse.

Die Fotografie bietet bei genauem Hinsehen mehr Kontraste als nur den protzigen und zugleich verfallenden Schriftzug. Die Backsteinmauer selber ist eine Mischung aus alt und mit neuen Steinen geflickten, glatten Partien.

Das rote Spotlicht steht im Gegensatz zur Tageslichtbeleuchtung oben links, und der Betonboden ist eine Mischung aus Rohbau und ungenutzter Sterilität.

Im aktuellen Zusammenhang werden wir diese Widersprüche tatsächlich so interpretieren wie von Dir beabsichtigt. Ich möchte allerdings die Frage aufwerfen, ob zu einem anderen Zeitpunkt nicht das genaue Gegenteil ebenso der Fall sein könnte: Zur besten Zeit des „keltischen Tigers“ hätte man die Wand und den Boden als Erneuerung, das Rotlicht als Bühnenspotlicht und den Schriftzug als Mischung aus Tradition und Stolz interpretieren können.

Während die Aufnahme wie gesagt gut geeignet wäre für ein Titelbild, wirkt sie alleinstehend ein wenig kahl, ohne dass das in direktem Zusammenhang mit der Aussage steht. Dafür würde ich mehr Hinweise auf das direkte Umfeld des Schriftzugs erwarten, um auch mehr in dem Bild ergründen zu können. Die direkte Frontalaufnahme blendet jeglichen Kontext aus – ist es der Schriftzug an der Aussenwand eines Pubs, die Innenwand eines verlassenen Bürogebäudes; woher rührt der rote Schimmer und das Tageslicht?

Antworten oder Andeutungen für Antworten auf diese Fragen würden das Bild beleben. Das könnte ein leerer, umgekippter Bürostuhl rechts unten, Dinge aus dem Umfeld eines Pubs, ein Outdoor-Aschenbecher etc sein – was immer halt im Umfeld vorhanden war und die Aussage unterstreicht.

Eine andere Perspektive würde es nicht in seiner Wirkung als Konzeptbild mit Symbolgehalt beeinträchtigen, aber mehr Spannung schaffen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Dr, Baumgärtner
    Dr, Baumgärtner sagte:

    Lieber Herr Sennheiser,
    besten Dank für Ihre Bildkritik. Leider ist Ihnen ein wichtiger Punkt entgangen. Bei dem kommentierten Bild handelt es sich um eine Computergrafik – NICHT um eine Fotografie. Allerdings, zur Herstellung der Texturen (Betonboden, Backsteinwand etc) war natürlich eine Kamera im Einsatz.
    In einem Punkt gebe ich Ihnen recht: Das Bild wirkt etwas kahl……allerdings – Zutaten wie Outdooraschenbecher oder umgestürzte Bürostühle sind für die Bildaussage nicht notwendig, sie verlängern aber die Arbeitszeit, die in das Bild investiert werden muss – beträchtlich. Das wird leider nicht mehr honoriert, denn es gibt den Kostendruck und es gibt Fotolia & Co.. Ausserdem, man müsste diese Gegenstände da plazieren, wo jetzt ein grosser Leerraum für Text, etwa eine Überschrift ist. Trotzdem, die Idee mit dem Bürostuhl werde ich gelegentlich aufgreifen. Danke für den Vorschlag.

    Antworten
    • Makus Kohlhoff
      Makus Kohlhoff sagte:

      Da es ja eine Computergrafik ist und kein realer Gegenstand, habe ich noch einen Vorschlag, den ich mir wegen der Schwierigkeiten bei der Umsetzung sonst verkniffen hätte. Man könnte den unteren Querstrich vom „E“ wie durchgerostet abknicken lassen – Dann würde aus „EIRE“ „FIRE“, was meiner Meinung nach die Bildaussage deutlicher akzentuieren würde. Dann würde auch das rote „Blaulicht“ besser passen.
      LG, Markus

    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Martin, ich verstehe nicht, wie ich ohne entsprechenden Hinweis hätte feststellen sollen, dass es sich um eine Grafik handelt.
      Zumal wir hier eigentlich ausdrücklich Fotos besprechen und das Bild allenfalls in die Kategorie „digitale Kunst“ gehören würde.
      Unser Exif-Ausleseskript konnte zudem keine lesbaren Daten finden.

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