Symbolfotografie: Riesenrad im Kirchenfenster

Wie stark Eine Fotografie mit dem einfachsten Motiv sein kann, zeigt sich hier: Grafisch reduziert bis zum geht nicht mehr, inhaltlich so klar und eindeutig wie es nur sein kann, ein absolut starkes Stück.

Samsung Galaxy A3, 1/588s, Blende 1.9 3.7mm Brennweite und ISO 40 © Gregor Boos

Samsung Galaxy A3, 1/588s, Blende 1.9 3.7mm Brennweite und ISO 40 © Gregor Boos

Gregor Boos aus Lübeck: Das Bild zeigt den Blick auf das Riesenrad, dass zum Weihnachtsmarkt in Lübeck auf dem Koberg aufgebaut war, durch das Fenster des Heilig-Geist-Hospitals. In Heilig-Geist war zu der Zeit auch ein Weihnachtsmarkt, und ich hatte nur mein Telefon zum Fotografieren dabei. Die Fenster beginnen in mehr als drei Metern Höhe, so dass ich nachträglich die stürzenden Linien entfernt und das Bild so beschnitten habe, dass man nicht mehr die Stände der Händler unterhalb des Fensters sieht.

Die beste Kamera ist die, die man dabeihat. Was ist dazu noch mehr zu sagen? Eigentlich nur, dass es erstaunlich ist, wie toll Du das hingekriegt hast.

Da wir das Endprodukt sehen – eine Farbfotografie, die einen schwarzen Vordergrund hat, aus dem ein Ausschnitt im Format eines romanisch/gotischen Kirchenfensters mit diagonal-Gittern ein Stück blauen Himmels zeigt, in dem allerdings in der rechten Hälfte ein exakt rechtwinklig zum Betrachter stehendes Riesenrad mit bunten Kabinen zu erkennen ist – wird es schwierig, abzuschätzen, was Du genau noch verbessert hast.

Aber grundsätzlich mal ist festzuhalten, dass das wohl das Maximum ist, was aus der Galaxy-Kamera herausgeholt werden konnte. Dabei stelle ich mir vor, dass die vermeintliche Gegenlicht-Situation die Kamera zu einer sehr abenteuerlichen Belichtungsmessung bewegt hat, die Du wohl mit der Bleichtungskorrektur herabkorrigiert hast.

Der zweite Punkt, der mich beschäftigt hat, noch bevor ich gesehen habe, dass das eine Handy-Fotografie ist, war die Schärfe: Mit der Spiegelreflex hätte sich mir hier die Frage gestellt, ob ich auf das Riesenrad oder auf den Fensterausschnitt scharf stelle. Für einmal kam Dir hierbei vielleicht die durchgehende Schärfentiefe zugute, welche diese winzigen Sensoren in den Smartphones meistens liefern – physikalisch ist eigentlich gar nichts anders möglich, eine Begrenzung der Schärfentiefe wie bei der Kleinbildkamera würde elektronisch simuliert oder mit einer Lichtfeld -Kamera wie der [amazon  B00NFTVWH8]Lytro Illum[/amazon]  erstellt werden müssen. Damit erübrigte sich die Frage, und Du konntest einigermassen sicher auf das Fenster scharf stellen.

[bildkritik]

Jedenfalls kann man zum Motiv und zur Komposition sagen, dass beides fasziniert. Und dass man, auch wenn man es im Bild danach gar nicht mehr für übersehbar hält, solche Motive überhaupt erst erkennen und für eines Fotos würdig halten muss. Das hast Du hier getan und wirst mit einem starken Foto belohnt: Kirchenfenster sind typischerweise und vor allem im Barock und später sehr bunte Gläser; das hier ist ein Fenster im romanisch/gotischen Stil, das keine Farbe aufweist. Ausser derjenigen der bunten Ferris-Wheel-Kabinen.

Und darin liegt wiederum eine ebenso klare wie simple Aussage – die Buntheit des säkularen oder hedonistischen Vergnügungslebens blitzt durch den strengen Bogen der kirchlichen Weltsicht herein und verleiht ihr Farbe. Dass das Riesenrad Dir den Gefallen getan und auch noch genau rechtwinklig zu diesem Fenster stand, ist fast schon unglaublich. Und das Wetter und Licht mitgespielt haben, ein grosser Glücksfall für Dich.

Ich würde mir diese Motiv jedenfalls merken, wenn es eine Chance gibt, dass es sich wiederholt und ich mit der Spiegelreflex vor Ort sein könnte – dann würde ich dieses Bild in einer grossen Auflösung wiederholen.

2 Kommentare
  1. Gregor Boos
    Gregor Boos sagte:

    Danke für die Kritik.
    Ich habe noch einmal in den EXIF-Daten des Originals nachgesehen, ich habe die Belichtung nicht korrigieren müssen, das Foto wurde mit mittenbetonter Integralmessung gemacht.
    Wahrscheinlich hat auch die geringe Dynamik des Kamerasensors geholfen, den Vordergrund schwarz zu bekommen, so dunkel war der Raum aufgrund der vielen Lampen eigentlich nicht.
    Das Riesenrad steht übrigens seit mindestens zwanzig Jahren zu jedem Weihnachtsmarkt an diesem Platz, denn es ist die einzige Stelle in der Altstadt, an der man es aufbauen kann. Eine Wiederholung dieses Fotos wird also wahrscheinlich möglich sein.
    Ich habe mal das Original (skaliert) angehängt, ich musste das Fenster schon sehr stark korrigieren, weil ich so weit unterhalb stand. Eine andere Position war aber wegen der vielen Menschen und der aufgebauten Weihnachtsmarktstände nicht möglich.
    Ich habe dieses Bild übrigens auch bei einem Wettbewerb eingereicht, das Ergebnis davon gibt es Ende März, ich werde berichten, ob es da auch so gut angekommen ist.
    Der Upload auf fotocommunity.de war ein ziemlicher Reinfall, von den 29 Klicks sind mindestens zehn von Leuten, die ich auf das Bild hingewiesen habe.

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