Tag der Lochkamera 2016: Bild in der Box

Zurück zu den Anfängen: am 24. April 2016 war Worldwide Pinhole Photography Day, zu deutsch „Tag der Lochkamerafotografie“. Ein Erfahrungsbericht.

Rosen - Digitale Lochkamera - (c) Sofie Dittmann

Rosen – Digitale Lochkamera – (c) Sofie Dittmann

Die einfachste Art, eine Kamera zu konstruieren, ist die der „camera obscura“. Ein dunkler Raum irgendeiner Größe, eine Öffnung für das Licht, und auf der anderen Seite eine Projektionsfläche. Ist die Projektionsfläche ein Stück lichtempfindliches Papier – voilà, eine Lochkamera. Mehr braucht man nicht. In der Digitalen Neuzeit hört sich das an, als würden Höhlenmenschen im Licht einer primitiven Fackel auf Felswände malen, denn weiter weg von einer 20-Megapixel-Kamera geht es fast nicht. Es ist aber auch eine Gegenbewegung, eine Nische der Fotografie, die sich nicht nur hartnäckig über die Jahre gehalten hat, sie findet auch immer mehr Anhänger, die zurück zu den Wurzeln wollen.

Genau das hat der Tag der Lochkamerafotografie zum Ziel: über die ganze Welt verstreut finden sich jedes Jahr Leute zusammen, die Lochkameras bauen und mit ihnen fotografieren. Dieses Jahr habe ich mich ebenfalls aufgerafft, und mich beim Cleveland Print Room zu einem vierstündigen Workshop angemeldet. Zusammen mit einer Handvoll anderer Leute fand ich mich morgens um 11 Uhr an einem Werktisch wieder, wo uns Workshop-Leiter Jeff erst die Grundbegriffe vermittelte, und uns dann mit unseren selbstgebastelten Lochkameras bewaffnet auf unsere Umgebung losließ.

Die Teilnehmer hatten alle vollständig unterschiedliche fotografische Hintergründe. Ein Teil hatte Dunkelkammer-Praxis, ein Teil hatte bereits mit alternativen Methoden gearbeitet, aber noch niemand wirklich mit Lochkameras (deshalb waren wir ja schließlich alle da). Ich selbst habe vor Jahren mal einen Artikel bei fokussiert über digitale Lochkamerafotografie geschrieben, aber es ist eine komplett andere Erfahrung, eine Kartonbox irgendwo hinzustellen und zu hoffen, daß man das, was man denkt fotografisch festzuhalten, auch einfängt.

(c) Sofie Dittmann

(c) Sofie Dittmann

Die Kiste selbst hätte, wie erwähnt, nicht einfacher sein können: Karton, innen schwarz eingesprüht, modifiziertes Loch im Deckel. Auf dem Boden ein Klebestreifen angebracht, der das lichtempfindliche Papier hält. Das ist es dann. Jeff sagte uns, es gäbe zwar Apps für das Errechnen von Belichtungszeiten; er ermunterte uns dennoch, alles erst einmal durch systematisches Ausprobieren zu erkunden.

Mit etwas so Einfachem gute Bilder zu produzieren, wenn man gewöhnt ist, im Sucher zu komponieren, ist eine anfangs frustrierende Erfahrung. Jeff hatte uns vorgewarnt – „Man weiß nie, was man bekommt.“ Das könnte lustig sein und an den Film „Forrest Gump“ erinnern, doch war nach ein paar Stunden eine spürbare Resignation im Raum. Irgendwann kam man an den Punkt, EIN gutes Bild nach Hause bringen zu können bereits als Erfolg zu betrachten. EIN gutes Foto kann ja nicht so schwierig sein, oder? Mit einer PAPPSCHACHTEL? Statt dessen: halbe Motive, unabsichtlich schiefe Motive, verwackelte Szenen, überbelichtete Fotos, unterbelichtete Fotos… Und selbst die Leute, die gute Negative gemacht hatten, scheiterten dann in der Dunkelkammer.

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Was mich schlußendlich „gerettet“ hat: ich habe mich daran erinnert, daß auch bei digitaler Lochkamerafotografie die Belichtungszeiten im Minutenbereich liegen, nicht Sekunden – auch draußen im Schatten. Und Experimentieren bin ich ebenfalls gewöhnt. Also habe ich mich in ein Motiv „verbissen“ und so lange weitergemacht, bis ein brauchbares Bild dabei herauskam. Leider nicht von der Qualität des Beitragsbildes, das ich vor Jahren mit digitaler Lochkameratechnik aufgenommen habe, aber ein sogenannter guter Anfang.

Die Belichtung des Papiers produziert ein Negativ, das man dann per Kontaktabzug in ein Positiv verwandelt. Hier sind die beiden besten, die ich an dem Tag produziert habe, zusammen mit ihren Negativen:

Pinhole #1 - (c) Sofie Dittmann

Pinhole #1 – (c) Sofie Dittmann

Pinhole #2 - (c) Sofie Dittmann

Pinhole #2 – (c) Sofie Dittmann

Keine besonders aufregende Ausbeute, zugegeben. Es wäre dennoch nicht halb so interessant gewesen, hätten wir Fotos am Fließband produziert – dafür habe ich bereits eine Digitalkamera. Wenn ich nächstes Jahr Zeit habe, werde ich auf jeden Fall wieder dabei sein.

Hier die Lochkamera, mit der wir gearbeitet haben:

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Eine innen schwarz eingesprühte Pappschachtel mit Deckel. In den Deckel schneidet man eine Öffnung von etwa 2 bis 3 Zentimetern. Aus einer Blechdose (Getränkedose oder etwas Ähnliches, das sich einfach zerstückeln läßt), fertigt man ein die Öffnung überlappendes Stück an, in das man mit einer einfachen Näh- oder Stecknadel mittig ein Loch sticht. Das Loch sollte nicht zu groß sein, sonst werden die Fotos zu verschwommen. Weniger ist also mehr.

Das Blechstück wiederum bringt man zentriert über der Öffnung im Deckel an, darüber nochmals ein Stück Klebeband als Verschluß. Jeff empfahl Elektrikerband, und das kann ich nur unterstreichen. Verklebt man sich, kann man es leicht wieder lösen; ansonsten hält es alles gut fest. Außerdem ist es schwarz, was wiederum das Eindringen von Licht verhindert. [amazon B00DVJOZ5S]Lichtempflindliches Papier[/amazon] kann man bei Amazon kaufen. Dann braucht man nur noch Zugang zu einer Dunkelkammer, ob daheim im Badezimmer/Keller oder beim örtlichen Kameraclub.

Habt Ihr schon mit Lochkameras gearbeitet? Digital oder analog? Was waren Eure Erfahrungen?

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11 Kommentare
  1. dierk
    dierk sagte:

    wenn du jetzt „zwei“ siehst, Sofie, dann ist das reiner Zufall :-)
    Ist schon etwas älter. Die Struktur Overlay könnte etwas dezenter sein, finde ich heute.

    Antworten
    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Ja, geht nur ein Bild – das hier ist ja auch als Kommentarspalte und nicht für ganze POSTINGS gedacht, was man selbstredend aus Deinen Bildern machen MÜSSTE!

  2. dierk
    dierk sagte:

    Hallo Sofie,
    bin ich der einzige Leser, der mit Pinhole gespielt hat?

    Angeregt durch deinen Artikel habe ich mal wieder einige Bilder gemacht, dieses Mal alle aus der Hand!!
    Die hohen ISO Möglichkeiten der Sony A7R und A7RII machen es möglich. Mit der A7RII komme ich bei ISO6400 auf 1/20 sec. und bei Sonne auch darunter (s. Bildunterschriften) und habe dann noch den IBIS (anti Wackel) in der Kamera genutzt. Mit der auf IR umgebauten A7R habe ich keinen IBIS aber bei ISO 10.000 abends um 8:30 PM wollte ich es unbedingt noch ausprobieren und habe ein Bild gemacht, dass sehr ermutigend war.

    Ich benutze einen gekauften Nikon Pinhole „Deckel“ mit Adapter an der Sony. Das Ganze ist sehr (Gegen)Lichtempfindlich und ich hatte immer die Hand gegen das Licht darüber gehalten. Jetzt habe ich mir einen Karton zurecht geschnitten, der auch gleich als Sonnenblende funktioniert.

    Da ich den Eindruck habe, dass das Pinhole für einen 24×36 Sensor einfach zu groß ist (die Pinhole Bilder wurden sicher immer mit Großformat gemacht), habe ich die meisten Bilder gestitcht um auf einen besseren Maßstab von Lochgröße zu Bildgröße zu kommen und dadurch eine bessere Auflösung

    Der Bildwinkel entspricht 50mm Brennweite, das Pinhole liegt 50mm vor dem Sensor.
    Dieses Bild ist mit 1/20sec. und ISO 6400 mit der A7RII aufgenommen.

    Antworten
    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Wow, super weich, die Aufnahme, und nicht zu verachten was die Komposition angeht. Ich bin beeindruckt.

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Entweder spielt hier keiner sonst mit Lochkameras, oder sie sind alle zu schüchtern. Ich hab selbst einen Aufsatz für meine Canon (damit ist das Titelbild entstanden), und ich hab fest vor, demnächst wieder mehr damit zu machen.

      Deine Aufnahmen sind alle erste Sahne! Hast Du noch mehr?

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