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„2“ – Abstrakte Realität: Geht das?

Funktioniert Abstraktion, wenn man sie sieht und fotografiert? Selbstverständlich. Und wie! Eigentlich IST Fotografie Abstraktion. Immer.

Abstrakte Containerwand. X100T Aufnahmedaten: 1/70s bei Blende 8 mit 23mm Brennweite und ISO 200

Fuji X100T Aufnahmedaten: 1/70s bei Blende 8 mit 23mm Brennweite und ISO 200

Michael Gündling aus Neulussheim schreibt zu diesem Bild: Ich bin sehr an abstrakter Malerei interessiert, und seit einiger Zeit probiere ich, Abstraktion auch in der Photographie umzusetzen. Mich interessiert vor allem die Emotionalität von Farbe an Alltagsgegenständen auf unseren Straßen. Dieses Bild ist ein Ausschnitt eines Containers, den ich an der Psychiatrie in Heidelberg gefunden habe. Sofort zog mich das intensive Blau, die Ziffer und der kontrastierende Rost an. Mit der schwingenden Kette hatte ich noch eine Ebene. Meine Frage: Funktioniert diese Art von Aufnahme als Foto?

Abstraktion ist Reduktion. Und Fotografie reduziert immer: Die Welt auf einen kleinen Ausschnitt. [amazon  B01JLZBMVK]Also ist Fotografie per se Abstraktion.[/amazon] Manchmal sehr gute, manchmal unverständliche. Die hier ist sehr gut. Weiterlesen

High-Key-Schwein: Im Schatten fliegt der Dreck

Harte Kontraste sind ein Ärgernis – ausser, man macht sie sich für eine High-Key-Aufnahme zu nutze. Dieses Hängebauchschwein gewinnt so grafische Qualitäten.

Hängebauchschwein in High-Key.

Hängebauchschwein in High-Key. Canon EOS 80D 1/100s bei F/2.8 mit Brennweite 200mm und ISO 100 © Nikolai Seidel 2016

 

Nikolai Seidel aus Ratzeburg schreibt zu diesem Bild: Freilaufendes Hängebauchschwein im Wildpark Schwarze Berge in Harburg. Aufgenommen im Sommer 2016 bei gleißender Mittagssonne mit Canon 5d Mk III und EF 70-200mm 2.8 IS II bei 200mm, 1/100s, 2.8, iso 100, Spotmessung und manuell die Belichtung hoch geschraubt nachdem ich sah in welche Richtung der erste Schuß ging. Minimale Retusche in PS um am unteren Bildrand rechts noch sichtbare Bodenfragmente zu entfernen.

Gleissende Sonne, das ist das schlechte Wetter des Fotografen. Ausser, der macht aus der Not eine Tugend und entscheidet sich, wie Du hier, für eine Aufnahme, die mit einem Lichteffekt arbeitet.

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Studiofoto: Reduziert bis zuletzt

Reizvolles Experiment mit Licht, Glas und Wasser: Diese Fotografie erreicht Abstraktion durch Hyperrealismus.

Wasserglas, Studiofotografie

Wasserglas, Studiofotografie, NIKON D300, 1/100s bei Blende 7 mit 105mm Brennweite bei ISO 160, erzwungener Blitz. © Bernd Schösser

Bernd Schösser aus Hasselroth schreibt zu diesem Bild:
Die Idee hier war, ein Glas in seiner einfachsten Form als abstraktes Bild dar zustellen. Es sollten so wenige Elemente (Lichtreflexe) wie möglich im Bild erscheinen, die von der Form ablenken. So sollte es keine oder wenigsten nur sehr geringe Achsenfehler beim Glas geben. Ich meine damit, dass der vordere und hintere Glasrand / die Flüssigkeit sich decken sollten. Eine weitere Erwartung ist es, den Betrachter einen Moment mit einem doch „sehr einfachen“ Foto zum hinsehen zu locken.

Wir alle kennen das: Das kleine Vorschaubild einer Fotografie im Monitor der Kamera wirkt spannend und scharf – das originalgrosse Bild später ist technisch in Ordnung, aber verliert seine Wirkung mit der Grösse. Und dann gibt es den umgekehrten Effekt: Als Icon wirkt die Fotografie nicht als Blickfang. Ab einer bestimmten Grösse dagegen zieht sie alle Augen an.

Diese Farb-Fotografie eines Wasserglases, die praktisch keine Farben aufweist und nur von Form und Kontrast lebt, ist so ein Fall. Im rechten Drittel der vor einem grauen [amazon  B00CSAF3A2] unendlich-Hintergrund[/amazon] aufgenommenenen Fotografie ist ein klares Wasserglas zu sehen, das mit einer ebenso klaren Flüssigkeit gefüllt zu sein scheint. Das Glas spiegelt sich im Vordergrund, die Spiegelung löst sich vor dem unteren Bildrand in einem Verlauf auf.

Ich mag mir nicht vorstellen, wie lange Du an dieser Aufnahme gefeilt hast: Wer schon mal versucht hat, die Lichtbrechung einer Flüssigkeit oder die Spiegelung in einem Trinkglas zu fotografieren weiss, dass der richtige Fokus und die Beleuchtung ein wahres Geduldsspiel sind.

Vom technischen Standpunkt ist zu bemerken, dass das Bild durchgehend scharf und dem Gegenstand oder der Absicht entsprechend korrekt belichtet ist.

Histogramm Wasserglas

Das Histogramm: Farbbild mit minimalsten bunten Pixelüberschüssen.

Dein Bemühen, die Perspektive exakt in der Achse des Glasrandes zu bringen, ist ebenfalls belohnt worden, und dank der relativ langen Brennweite von 105mm ist die „Draufsicht“ auf die unter dem Glasrand liegende Flüssigkeitsoberfläche und den Glasboden kaum, aber gerade noch so wahrnehmbar, dass die Fotografie erkennbar bleibt und nicht für eine Grafik gehalten wird.

In der Umsetzung scheinst Du aber alles genau darauf ausgelegt zu haben – und das macht die Wirkung der Fotografie aus: Sie ist in der Reduktion von Farbe und Licht dermassen radikal (und in der Komposition mit dem rechten Drittel zusätzlich in der Raumaufteilung), dass man unweigerlich genau hinschaut, um zu prüfen, ob es sich um Realität oder Synthetik handelt.

So, wie beim Leder kleine Narben auf die Natürlichkeit hinweisen, suchen wir in dieser Fotografie nach Hinweisen auf ein Lichtbild. Unreinheiten im Glas, ein Bläschen im Wasser – nichts davon zeigt sich. Dadurch wird die Darstellung abstrahiert: Sie wird zum Schatten und zur Lichtbrechung eines mit Wasser gefüllten Glases ohne dessen Charakter, ohne Fingerabdrücke, Spiegelungen, Farbeinflüsse.

Histogramm Farbe Wasserglas

Das Histogramm zeigt übrigens eine sehr ungewöhnliche Formation: Alle drei Basisfarben sind fast absolut identisch (aber nur fast). Damit handelt es sich um eine „natürliche Schwarzweiss-Fotografie“: Das Bild besteht nur aus identisch unterschiedlichen Helligkeitswerten aller Farben, was eben eine Abstufung von weiss bis schwarz ist. Du hast dem Bild also nicht die Farbe entzogen, sondern dem Motiv: Es gab keine Farbe im Setting. Das ist eine weitere Ebene der Reduktion und der Abstraktion.

[bildkritik]

Ich würde mir vorstellen, dass die Aufnahme in hoher Auflösung, so gross wie möglich gedruckt, am besten wirkt: Wenn der unwillkürliche Versuch, eine Imperfektion zu finden, auch beim Herantreten an das Bild nicht erfolgreich wird. Oder, noch besser: Vielleicht eben doch, indem die nicht ganz symmetrische gleiche Dicke des Glases über dem Boden das Quäntchen Unregelmässigkeit bringt, das die Realität der rafischen Perfektion voraus hat.

Einziger Wermutstropfen ist für mich die vor dem unteren Bildrand auslaufende Spiegelung. Und zwar deshalb, weil wir diesen Effekt von allgegenwärtigen Grafiken und Icons auf dem Mac-Desktop und dergleichen kennen. Ich würde die Spiegelung deswegen entweder knallhart aus dem Bild laufen lassen. Oder ich hätte weiter experimentiert und versucht, sie insgesamt in den Frame zu setzen.

Jedenfalls bin ich froh, mir Deine Aufnahme schliesslich doch noch gross angesehen zu haben, denn in ihrer gesamten kalten, reduzierten Perfektion legt sie eine ganz andere Wirkung an den Tag.

Fotografie ist die Kunst der Subtraktion: Ablenkungen fotografisch eliminieren

Die besten Fotografien funktionieren oft aufgrund dessen, was man nicht sieht, und weniger dank dem, das man darin sieht. Es gibt vor allem drei Methoden, die störende Konkurrenz fürs Motiv schon bei der Aufnahme zu eliminieren.

Kalifornische Poppy

Golden Elegance, California Poppy, Sierra Foothills -Sony a7R II – Sony FE 90mm – f2.8 Macro – 1/200 seconds – F/4 – ISO – 3200 © Gary Hart

Fotografie ist die Kunst der Subtraktion. Angesichts einer komplexen Welt identifizieren und organisieren wir Objekte von visuellem Interesse, und versuchen, alles andere zu eliminieren. Es ist dieser letzte Punkt, dem man beim Fotografieren oft zu wenig Beachtung schenkt.

Die meisten Fotografen haben kein Problem damit, ein Motiv für ihre Aufnahme zu finden – aber viele kämpfen mit der Entscheidung, was sie auslassen sollen. Oder wie sie es weglassen sollen: Weiterlesen

High-Key-Architekturfoto: Der Schwung der Treppe

Eine untypische, aber äusserst wirkungsvolle Architekturaufnahme: Eine ungewöhnliche Perspektive, mässige Kontraste und eine High-Key-Belichtung isolieren die Form dieses Treppenhauses und abstrahieren seine Dynamik.

Treppenhaus Berggrün Museum Berlin, © Anne Sura

Treppenhaus Berggrün Museum Berlin, © Anne Sura, Fuji X-E1, Objektiv 35/1.4, ISO: 500, Blende f/2, Verschlußzeit: 1/40

Anne Sura aus Berlin schreibt zu diesem Bild:

Mein Foto ist im Berggrün Museum Berlin entstanden, Stativ war nicht erlaubt, so dass ich mit relativ weit geöffneter Blende gearbeitet habe, ISO wollte ich nicht so hoch ansetzen. Auf Grund des Abstandes hielt ich das noch für vertretbar, auch wenn der vordere Treppenhausbogen so etwas weich ausfällt. Fasziniert hat mich die Leichtigkeit , das Schweben dieser geschwungenen Konstruktion und die verschiedenen weiß/beige Töne. Ich habe mich gegen eine s/w Umwandlung entschieden.

Der Vorteil einer Kleinbildansicht von Fotografien ist der, dass ungewöhnliche Formen, Stile und Farben sofort auffallen. Ich sage das deshalb, weil mir Annes Bild aus unseren Einreichungen für die Bildkritik ins Auge gestochen ist. Die Vergrösserung zeigte dann: Ein Architekturfoto. Wirklich?  Weiterlesen

Bildkritik: Reduzierte Farbenpracht

Farben und Formen gut kombiniert ergeben ein gutes Bild und erzählen im besten Fall eine Geschichte.

[textad]

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Bernhard Bader).

Kommentar des Fotografen:

Strassenverkäuferin in Peru beim Bohnen schälen und sich unterhalten.

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Bernhard Bader:

Bernhards Fotografie würde ich eher in die Kategorie „street-photography“ einordnen als abstrakt. Was mir bei diesem Bild sofort ins Auge gefallen ist, sind die Farben. Wie so oft sehen wir die Bilder ja erst einmal nur klein irgendwo und entscheiden dann in Sekundenbruchteilen darüber, ob wir es näher betrachten wollen oder weiter „blättern“, also kein weiteres Interesse an der Abbildung haben.

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Autostilleben: Angedeutete Formen

Schwarz-Weiss-Fotografie wirkt besonders durch Linien, Licht und Formen. Das geht gut zusammen mit Autos und anderen Designobjekten.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Frank Wahner).

Kommentar des Fotografen:

Ein ausgedientes Cadillac Deville Coupé von 1955, das auf dem Hof eines Autohändlers sein Gnadenbrot geniesst. Schon tagsüber ein respektabler Anblick, lassen sich bei Nacht, wenn die Straßenlaterne von links durch den Fahrerraum strahlt und vorne auf der Straße Fahrzeuge hinzukommen, mit den Formen der Karosserie schöne Motive gestalten.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Frank Wahner:

In dieser hochformatigen Schwarz-Weiss-Fotografie ist ein Teil der Karosserie eines Autos aus den siebziger Jahren oder von noch früher zu sehen. In einem kühnen Bogen schwingt sich von unten links eine Chrome-Scheibenfassung durch das Bild in die Linke Mitte.

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Konzeptfoto: Blickfang im Feld

Dieses Bild hat einige Zutaten für ein gutes Foto: Ein blickwürdiges, etwas ungewöhnliches Motiv, eine passend eingesetzte Schärfentiefe und eine Reduktion der Farben.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Catherina Stuckmann).

Kommentar des Fotografen:

Als ich dieses Foto aufnahm, hatte ich die genaue Idee schon einige Zeit vorher im Kopf, als Vorlage hatte ich auch ein ähnliches Bild. Nur auf der Vorlage sah man eine bunte Blumenwiese und die Kamera war genau in der Mitte, was mir dann nicht so gefallen hat. Bei meinem Bild wollte ich es so minimalistisch wie möglich hinkriegen und die Kamera auch in den Goldenen Schnitt bekommen. Ich hoffe, dass mir das gelungen ist.

Profi Robert Kneschke meint zum Bild von Catherina Stuckmann:

Dieses Bild hat einige Zutaten, die ein gutes Foto ausmachen. In Kürze wären das ein blickwürdiges, etwas ungewöhnliches Motiv, eine passend eingesetzte Schärfentiefe (bzw. hier eher Schärfenuntiefe) und eine Reduktion der Farben. Selbstverständlich gibt es Beispiele gelungener Fotografie, in denen genau die Gegenteile das gelungene Ergebnis ausachen, aber wichtig ist oftmals das Zusammenspiel verschiedener Zutaten, die in anderer Kombination oder bei anderen Motiven total unpassend wären.

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Minimalistisches Landschaftsfoto: Reduktion verlangt Perfektion

Minimalistische Kompositionen können extrem effektiv sein, verlangen aber auch besondere Liebe zum Detail. Weil der Betrachter durch nichts abgelenkt wird, fallen Mängel eher auf.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Achim Schrepfer).

Kommentar des Fotografen:

Das Bild ist im Dezember 2010 entstanden. Es war am morgen kurz nach Sonnenaufgang. Durch den Bodennebel warf der Baum einen beeindruckenden 300m langen Schatten. Für mich schuf diese Situation ein völlig neues Bild von dem – ansonsten eher banlen – Apfelbaum.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Achim Schrepfer:

Zunächst einmal Glückwunsch zu diesem, meines Erachtens insgesamt gelungenen Foto. Das Bild ist so minimalistisch gehalten, dass Du Gefahr hättest laufen können, daß es langweilig ausfällt, wenn nicht die Details im Sand wären. Auch hätte der Sand um den Baum herum ausbrennen können, was Du aber mit der Aufnahme und der Nachbearbeitung vermieden hast. Banalität wird hier zum Kunstobjekt, und das gekonnt.

Eine minimalistische Komposition wie diese hat aber einen Nachteil:

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Schwanensee: Die Schönheit im Banalen

Hunderttausendfach gesehen, gibt es immer noch neue Möglichkeiten, den Schwan in seiner Pracht abzubilden. Hier gelingt es – einmal mehr – durch extreme Reduktion.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© John Gerard).

Kommentar des Fotografen:

Ruhig und majestätisch dahin gleitender, sich im Baggerweier spiegelnder Schwan.

Peter Sennhauser meint zum Bild von John Gerard:

Ein Schwan gleitet, die rechte Bildhälfte füllend, durch diese Farbaufnahme. Die Fotografie zeigt ausser dem Tier und seiner Spiegelung absolut nichts: Der See unter und hinter dem Schwan erstreckt sich horizontlos in einem sanften Verlauf von graublau zu weiss.

Wer hat noch keinen Schwan fotografiert? Wer will nicht nochmals einen Schwan fotografieren? Die Tiere sind nicht sonderlich scheu, überall am Wasser vorhanden und von einer majestätischen Schönheit.

Und obwohl sie so oft geknipst werden, wie ihnen Brotstückchen zugeworfen werden, gibt es noch Möglichkeiten, einen Schwan auf neue, spannende Weise zu fotografieren.

Hier hast Du eine gefunden, die ebenso simpel wie schwierig zu erreichen ist:

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