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Stillleben mit Äpfeln: Märchenhaft

Muss ein Bild eine Geschichte erzählen? Auf jeden Fall muss es den Betrachtern Gelegenheit geben, sich eine auszudenken. Sonst ist es nicht mehr als die Ansammlung seiner Pixel.

Stilleben mit Äpfeln – © Richard Rduch

Stilleben mit Äpfeln – Canon 6D, Canon 70-200/4, 160mm, f8, 1s, Softbox mit Dauerlicht von links hinten – © Richard Rduch

 

Richard Rduch aus Krefeld schreibt zu diesem Bild: Ein sehr ähnliches Foto habe ich in einem Foto-Forum gezeigt. Zuerst kam die Frage: „Hat das welche Bedeutung oder nur so belanglos ein paar Sachen zufällig fotografiert?“. Keiner möchte natürlich, dass seine Fotos als „belanglos“ beschrieben werden deshalb habe ich eine Geschichte erzählt mit dem alten Buch als Lebensinhalt, erloschene Kerze als das Ende und die Äpfel als Symbol für das (neue) Leben. Eigentlich alles plausibel obwohl nur auf „die Schnelle“ ausgedacht. Mit der Geschichte war das Foto für manche Betrachter sofort viel besser als vorher. Es war aber immer noch das absolut gleiche Foto.

Warum kann eine Geschichte, die sogar nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, ein Foto aufwerten? Viele „anerkannte“ Fotos, die ich analysiert habe leben eigentlich nur zusammen mit einem Märchen denn die Fotos selbst nichts besonders aufweisen. Warum suchen viele nach diesen Geschichten?

Du stellst keine Frage zum Foto, sondern eine zu den Menschen oder gar zur Menschheit. Aber mein versuch einer Antwort kann ein kriterium für gute Fotografie benennen.

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Studiofoto: Reduziert bis zuletzt

Reizvolles Experiment mit Licht, Glas und Wasser: Diese Fotografie erreicht Abstraktion durch Hyperrealismus.

Wasserglas, Studiofotografie

Wasserglas, Studiofotografie, NIKON D300, 1/100s bei Blende 7 mit 105mm Brennweite bei ISO 160, erzwungener Blitz. © Bernd Schösser

Bernd Schösser aus Hasselroth schreibt zu diesem Bild:
Die Idee hier war, ein Glas in seiner einfachsten Form als abstraktes Bild dar zustellen. Es sollten so wenige Elemente (Lichtreflexe) wie möglich im Bild erscheinen, die von der Form ablenken. So sollte es keine oder wenigsten nur sehr geringe Achsenfehler beim Glas geben. Ich meine damit, dass der vordere und hintere Glasrand / die Flüssigkeit sich decken sollten. Eine weitere Erwartung ist es, den Betrachter einen Moment mit einem doch „sehr einfachen“ Foto zum hinsehen zu locken.

Wir alle kennen das: Das kleine Vorschaubild einer Fotografie im Monitor der Kamera wirkt spannend und scharf – das originalgrosse Bild später ist technisch in Ordnung, aber verliert seine Wirkung mit der Grösse. Und dann gibt es den umgekehrten Effekt: Als Icon wirkt die Fotografie nicht als Blickfang. Ab einer bestimmten Grösse dagegen zieht sie alle Augen an.

Diese Farb-Fotografie eines Wasserglases, die praktisch keine Farben aufweist und nur von Form und Kontrast lebt, ist so ein Fall. Im rechten Drittel der vor einem grauen [amazon  B00CSAF3A2] unendlich-Hintergrund[/amazon] aufgenommenenen Fotografie ist ein klares Wasserglas zu sehen, das mit einer ebenso klaren Flüssigkeit gefüllt zu sein scheint. Das Glas spiegelt sich im Vordergrund, die Spiegelung löst sich vor dem unteren Bildrand in einem Verlauf auf.

Ich mag mir nicht vorstellen, wie lange Du an dieser Aufnahme gefeilt hast: Wer schon mal versucht hat, die Lichtbrechung einer Flüssigkeit oder die Spiegelung in einem Trinkglas zu fotografieren weiss, dass der richtige Fokus und die Beleuchtung ein wahres Geduldsspiel sind.

Vom technischen Standpunkt ist zu bemerken, dass das Bild durchgehend scharf und dem Gegenstand oder der Absicht entsprechend korrekt belichtet ist.

Histogramm Wasserglas

Das Histogramm: Farbbild mit minimalsten bunten Pixelüberschüssen.

Dein Bemühen, die Perspektive exakt in der Achse des Glasrandes zu bringen, ist ebenfalls belohnt worden, und dank der relativ langen Brennweite von 105mm ist die „Draufsicht“ auf die unter dem Glasrand liegende Flüssigkeitsoberfläche und den Glasboden kaum, aber gerade noch so wahrnehmbar, dass die Fotografie erkennbar bleibt und nicht für eine Grafik gehalten wird.

In der Umsetzung scheinst Du aber alles genau darauf ausgelegt zu haben – und das macht die Wirkung der Fotografie aus: Sie ist in der Reduktion von Farbe und Licht dermassen radikal (und in der Komposition mit dem rechten Drittel zusätzlich in der Raumaufteilung), dass man unweigerlich genau hinschaut, um zu prüfen, ob es sich um Realität oder Synthetik handelt.

So, wie beim Leder kleine Narben auf die Natürlichkeit hinweisen, suchen wir in dieser Fotografie nach Hinweisen auf ein Lichtbild. Unreinheiten im Glas, ein Bläschen im Wasser – nichts davon zeigt sich. Dadurch wird die Darstellung abstrahiert: Sie wird zum Schatten und zur Lichtbrechung eines mit Wasser gefüllten Glases ohne dessen Charakter, ohne Fingerabdrücke, Spiegelungen, Farbeinflüsse.

Histogramm Farbe Wasserglas

Das Histogramm zeigt übrigens eine sehr ungewöhnliche Formation: Alle drei Basisfarben sind fast absolut identisch (aber nur fast). Damit handelt es sich um eine „natürliche Schwarzweiss-Fotografie“: Das Bild besteht nur aus identisch unterschiedlichen Helligkeitswerten aller Farben, was eben eine Abstufung von weiss bis schwarz ist. Du hast dem Bild also nicht die Farbe entzogen, sondern dem Motiv: Es gab keine Farbe im Setting. Das ist eine weitere Ebene der Reduktion und der Abstraktion.

[bildkritik]

Ich würde mir vorstellen, dass die Aufnahme in hoher Auflösung, so gross wie möglich gedruckt, am besten wirkt: Wenn der unwillkürliche Versuch, eine Imperfektion zu finden, auch beim Herantreten an das Bild nicht erfolgreich wird. Oder, noch besser: Vielleicht eben doch, indem die nicht ganz symmetrische gleiche Dicke des Glases über dem Boden das Quäntchen Unregelmässigkeit bringt, das die Realität der rafischen Perfektion voraus hat.

Einziger Wermutstropfen ist für mich die vor dem unteren Bildrand auslaufende Spiegelung. Und zwar deshalb, weil wir diesen Effekt von allgegenwärtigen Grafiken und Icons auf dem Mac-Desktop und dergleichen kennen. Ich würde die Spiegelung deswegen entweder knallhart aus dem Bild laufen lassen. Oder ich hätte weiter experimentiert und versucht, sie insgesamt in den Frame zu setzen.

Jedenfalls bin ich froh, mir Deine Aufnahme schliesslich doch noch gross angesehen zu haben, denn in ihrer gesamten kalten, reduzierten Perfektion legt sie eine ganz andere Wirkung an den Tag.

Babyporträt: Ein Wecker allein spannt nicht

Symbolhaftigkeit in der Studiofotografie darf nicht zu platt daher kommen – Experimente mit fremden Babys sollten dagegen letzteres nicht stressen. Diese Aufnahme ist wohl der Kompromiss aus beiden Grundsätzen. Allerdings müsste ihr deswegen nicht die Spannung fehlen.

Anna, das Baby im Korb

1 vor 18. © Christian Loose. Nikon D7000, 50mm, 1/160s bei 200 ISO und Blende f/5.6

Christian Loose aus Dortmund schreibt zu diesem Bild: Das Bild ist im Rahmen eines Babysittings für einen sehr guten Arbeitskollegen entstanden. Die Uhr zeigt die Geburtsuhrzeit und die Schnullerkette den Namen. Der Seeaufbau war recht simpel: Decke aufgespannt zur Hohlkehle unter Tageslicht – quasi günstiges Dauerlicht :-) Ich hatte es zuvor mit Gartenhintergrund versucht, aber das gefiel mir trotz Offenblende so gar nicht. Daher habe ich schnell zwei Stative mit Verbindungsstange aufgespannt und die Decke darauf fixiert. By the way: Die Halteklammern für den Hintergrund gibt’s für 1,50€/Stck im Baumarkt! Vielleicht nicht die hohe Schule der Fotokunst, aber ich denke, dass es sich für eine Bildkritik lohnt.

Ist das jetzt ein Stilleben mit Mensch? Ein Symbolfoto? Oder ein Situationsporträt? Es scheint auf jeden Fall die Zweckentfremdung eines Babysittings gewesen zu sein… Hoffen wir, Annas Eltern vertrauen Dir auch weiterhin. Zur Fotografie:

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Erhöhte Foto-Standards: Das «zu-professionell»-Problem

Professionell anmutende Produktfotos sind heute selbst auf eBay eine normale Sache. Paradoxerweise hält die Glaubwürdigkeit nicht mit dem Qualitätsanspruch Schritt: Wer „zu gute“ Fotos anfertigt, wirkt nicht mehr authentisch. Könnte das auch in der Kunst zum Problem werden?

Produktfotografie eines Bildschirms

Diese Fotografie war einigen Käufern suspekt

Ich habe mir im Keller ein kleines Fotostudie gebaut: Ein paar Schrauben in der Decke halten zwei Holzstangen, an denen je eine Rolle grauen und weissen Hintergrunds hängt.  Eine einfache Softbox und ein Reflektor-Schirm machen zusammen mit zwei entfesselten Nikon-Blitzen die Beleuchtung aus. In diesem Setting lassen sich Porträtfotos, aber auch Produktfotografien anfertigen, die offensichtlich recht professionell aussehen. Zu professionell, wie ich bald einmal merken musste:

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Produktfotografie: Spiel mit den Reflexionen

Ein Makro-Stillleben-Produktfoto mit Füllfederhalter: Bei Studioexperimenten kann man ideal mit Lichteinfällen üben. Man sollte sich aber nicht zu schnell zufrieden geben.

Parker Füllfederhalter auf Holztisch, Makrofotografie

NIKON D700 Aufnahmedaten: 1/200s bei Blende 11/1 mit 900/10mm Brennweite und ISO 200, © Matthias Bäuml

Matthias Bäuml: Das Bild entstand eigentlich beim herumexperimentieren. Zu den technischen Eckdaten: 90mm Makro Objektiv, Blende 11, Blitz (entfesselt). Mir gefiel die Struktur der alten Tischoberfläche im Kontrast zu dem Metall des Füllers. Da auf dem Bild nur klassische Gegenstände dargestellt werden, wie man sie schon seit Jahrzehnten hat, habe ich versucht dieses Look in Lightroom durch eine leichte Entsättigung, Modifikation der Gradiationskurve und hinzufügen einer Vignette zu verstärken.

Erstaunlich, wie sehr sich uns Markenembleme einprägen: Ich habe mich nie für Füllfederhalter interessiert, aber ich weiss sofort, was (Schleichwerbung ein) ein Parker und was ein Mont Blanc ist (Schleichwerbung aus – och nein, schalten wir noch einen Link: Hier zu [amazon  B001G71PY6]Parker[/amazon], hier zu [amazon B0051U3XYE]Mont Blanc)). So. Zur Bildbesprechung:  Weiterlesen

Kostenloses E-Book: Produktfotografie am Esstisch

Ein Produktfotograf plaudert aus der Schule: Eberhard Schuy hat eine Einführung in die Produktfotografie geschrieben, die mit einfachen Mitteln auskommt. Der kostenlose Ratgeber ist als E-Book im PDF-Format zu beziehen.

Cover des Ebooks über Produktfotografie

Produktfotografie: Übertriebene Originalität führt nicht zum Ziel.

Produktfotografie? Wer will denn sowas? Nun: Alle, die was zu verkaufen haben. Das sind, stellt Eberhard Schuy gleich zu Beginn seines Büchleins fest, immer mehr auch Privatpersonen. Sie verkaufen übriges oder handgemachtes auf Ebay und diversen anderen Online-Märkten. Und langsam gewinnen die meisten dabei die Erkenntnis, dass eine gute Fotografie den Absatz enorm ankurbelt.

Worin liegt denn aber der Reiz oder wenigstens die Herausforderung der Produktfotografie? Vielleicht schon im Umstand, dass keine Menschen in den Bildern zu sehen sind: Menschen interessieren uns nämlich automatisch; alte Bügeleisen, Spielsachen oder Töpferwaren hingegen deutlich weniger. Also müssen diese Dinge so fotografiert werden, dass sie den Rückstand aufholen: Sie sollen interessant werden. Das schreit nach kreativer Umsetzung.

Und darin liegt ein Risiko: Weiterlesen

Leserfoto: Das klassische Mutter-Kind-Portrait

Wer gut vorbereitet ist, kann auch die kurzen Zufallsmomente für seine Aufnahmen nutzen, wie bei diesem zeitlosen Familienklassiker zu sehen ist.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© André Martin).

Kommentar des Fotografen:

Das Bild zeigt meine Frau und unseren Sohn, aufgenommen bei uns im Wohnzimmer mit schwarzem Papierhintergrund (Rolle) und Softbox von links. Ziel war ein recht dunkler, Gemälde-ähnlicher Eindruck, ohne jedoch Textur-Overlays zu nutzen. Anders als sonstige Mutter-Kind-Aufnahmen, sollte hier keine explizite Verbundenheit via Blickkontakt hergestellt werden, im Gegenteil. Eigentlich hätte ich meine Frau etwas hochnäsiger dreinschauen lassen sollen, um mehr Distanz zum Kind wirken zu lassen. Dass der Kleine gerade so aufmerksam in die Kamera schaut, war natürlich großes Glück! Das Bild wurde in Gimp etwas nachbearbeitet.

Profi Robert Kneschke meint zum Bild von André Martin:

Den Zufall kann man nicht planen. Aber man kann sich auf ihn vorbereiten. Das hat der Fotograf André Martin auch bei seinem Mutter-Kind-Portrait gemacht. Er hat sich vorher Gedanken gemacht, welchen Look er erzielen wollte, in diesem Fall einen „gemäldeähnlichen Eindruck“ und das dazu passende Setting aufgebaut mit einem dezenten grauen Hintergrund, der dem opulenten antiken Stuhl die Aufmerksamkeit überlässt. Weiterlesen

Neue Kategorie: Fotografen im Fokus

Die Lieblingsfotografen der fokussiert Redaktion


Von August Sander bis Tim Walker haben wir sie zusammengetragen und bereits damit begonnen zu notieren, weshalb welcher Fotograf oder welche Fotografin uns besonders inspiriert und wessen Bilder vielleicht sogar in unserem Büro hängen.

Zu meinen Favoriten gehört beispielsweise David LaChapelle, der in seinen schrillen Bildern neue Welten erschafft in denen er Fabelwesen zum Leben erweckt oder besser: die grossen Stars zu Fabelwesen macht. so entstehen bunte Fotografien, die bisweilen wie surrealistische Kunstwerke anmuten.

Auch David LaChapelle wird also in unserer neuen Rubrik nicht fehlen. Den Anfang wird nächste Woche aber unsere Autorin Sofie Dittmann machen wenn sie uns erzählt, welche Fotobücher bei ihr im Regal stehen.

Welches sind eure Lieblingsfotografen, welche wir in dieser Serie auf keinen Fall vergessen dürfen?

Nachttischlampen-Foto: Stimmungsvolles Licht

Ein guter Fotograf kann mit jeder Kamera gute Bilder machen, und oft bringen Improvisationen erst den gewünschten Erfolg. Luana Colaci ist es gelungen, auch mit einfachsten Mitteln eine sehr stimmungsvolle Aufnahme ihrer Freundin aufzunehmen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Luana Colaci).

Kommentar des Fotografen:

Mein Bild ist entstanden, während ich versuchte, gute und spezielle Bilder von meiner Freundin für den privaten Gebrauch zu schiessen. Ich habe experimentiert, und da ich als Fotoausrüstung nur meine Nikon d5000 mit einem Objektiv habe, beleuchtete ich das Bild mit einer Tischlampe.

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Luana Colaci:

Möchten wir ein stimmungsvolles Porträt einer jungen Frau machen, so haben wir zwei grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten:

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Die Tränen: Intensiver Moment

Emotionale Porträts sind in der Studioatmosphäre wohl eher eine Seltenheit. Dies hier ist, ob echt oder gestellt, eine Ausnahme von gehobener Eindringlichkeit.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Reinhard Witt).

Kommentar des Fotografen:

Ein Shooting, welches eine andere Wende nahm als geplant.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Reinhard Witt:

Eine Junge Frau, noch fast ein Mädchen, blickt mit leicht geneigtem Kopf in diesem Schwarz-Weiss-Porträt in die Kamera. Das Gesicht nimmt die linke Bildhälfte ein, sie blickt über ihre linke Schulter, die in ein Cape oder einen weissen Schal gehüllt zu sein scheint. Auf ihrer linken Wange rollt eine Träne über die Sommersprossen, eine zweite hängt unter dem Auge in den Wimpern.

Ich kann’s nicht anders sagen – ich bin hingerissen:

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