Taj Mahal: Gegensätze wirkungsvoll eingesetzt

Viele Bildideen leben von Gegensätzen. Eine überwältigende Architektur wirkt nur überwältigend, wenn wir auch die Grösse abschätzen können. Und wenn diese Grössenbezüge gleichzeitig auch noch plakativ wirken, verstärkt sich der Gesamteindruck.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Christian Birkmeier).

Kommentar des Fotografen:

Bei einem Besuch des Taj Mahals früh morgens während der Monsunzeit waren nur sehr wenige westliche Touristen anwesend, dafür viele interessante indische Menschen. Diese Gruppe Herren in Orange ließ sich an verschiedenen Orten rund um das Mausoleum zu Gesprächen nieder und ermöglichte mir diese Aufnahme vor einem Seitenportal. Was mir an dem Bild gefällt, sind zum einen die Details der Fassade und zum anderen die Mächtigkeit des Gebäudes, die in Relation zur Größe der Personen gut zum Ausdruck kommt. Das Bild habe ich nachträglich gerade gerichtet. Dadurch mussten die unteren Ecken ergänzt werden. Ausserdem haben mich zwei sitzende Touristen gestört, die ich digital entfernt habe.

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Christian Birkmeier:

Die Zentralperspektive ist sowohl in der Architektur wie auch in der Fotografie eine sehr stark wirkende Gestaltungsform, die aber gleichzeitig auch ein hohes Mass an Genauigkeit verlangt. Dies ist dir bei dieser Aufnahme sehr gut gelungen:

Schon kleine Differenzen beim Standort und der Kamerahaltung würden zu sichtbaren Abweichungen führen. Auch der Bildzuschnitt ist sehr präzise, und die wunderschöne Architektur des Gebäudes kommt so sehr gut zur Geltung.

Die islamische Kunst verziert die Wände mit grafischen und pflanzlichen Ornamenten und verzichtet auf die Darstellung von Menschen. Dadurch ist es sehr schwierig, ohne einen bekannten Bezugspunkt die Grösse des Gebäudes abzuschätzen. Die Integration von Menschen auf dem Bild ist deshalb notwendig, um einen Eindruck der überwältigenden Grösse zu erhalten.

Es stellt sich die Frage, wo sollten sich diese Leute im Bild aufhalten und welche Farben sollten ihre Kleider haben. Natürlich kann man das nicht immer beeinflussen, aber mit genügend Geduld (und dem Einsatz von Photoshop :-)) ergibt sich die richtige Kombination.

Die von dir gewählte Lösung halte ich für sehr gelungen. Insbesondere die rot leuchtenden Farben der Kleidung bilden einen ausgezeichneten Kontrast zu der sonst sehr monochromen Architektur. Trotz der Kleinheit der Menschen (und der dadurch betonten Grösse des Gebäudes) bilden diese dank den starken Farben einen guten Gegenpol.

Solche leuchtende satte Farben vermögen auch bei sehr kleinen Flächen eine wesentlich grössere Fläche optisch auszubalancieren. Gut ist auch, dass es sich bei den gezeigten Menschen nicht um westliche Touristen, sondern um Inder handelt. So bleibt der einheitliche Charakter des Ortes erhalten.

Die Aufreihung der Menschen passt gut zur Strenge der Architektur, die seitliche Lage und die verschiedenen Körperhaltungen lockern aber den sonst sehr präzisen Bildaufbau wieder etwas auf. Auch dadurch entsteht eine zusätzliche Spannung, die diesem sonst sehr präzisen und konsequenten Bild gut tut.

Diese Gegensätze (gross und klein, monochrom und bunt, präzis und locker) geben diesem Bild seinen besonderen Reiz.

Das Bild mit verstärkten KontrastenAls Verbesserungsvorschlag habe ich einzig eine leichte Verstärkung der Kontraste. Dadurch werden die Farben der Kleider noch etwas satter, wird die räumliche Wirkung der Nischen betont und heben sich die feinen Ornamente an den Wänden noch besser ab.

Insgesamt gefällt mir das Bild sehr gut und ich glaube, es hätte sehr gute Chancen auch bei einem Fotowettbewerb (z.B. dem Trierenberg Supercircuit ).

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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