Tanzfotografie: Herausforderung vor der Bühne

Performance-Fotografie ist ein eigenes Metier: Im Halblicht der Bühne sind scharfe, aussagekräftige Fotos sehr schwer zu schiessen. Deswegen sollte man sich aber nicht auf Bewegungslosigkeit als technischen Kompromiss einlassen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Ralph Kränzlein).

Kommentar des Fotografen:

Dieses Bild habe ich während der Generalprobe des Stücks „Lignes Paralleles“ im Tanzhaus NRW aufgenommen. Die Lichtsituation war etwas schwierig. Obwohl ich mit ISO1600 fotografierte, kam ich nicht über Blende2,5 – Verschlusszeit1/50s hinaus. Wenn man mehrere Tänzer im Bild hatte, musste man sich somit immer für einen Fokus entscheiden, da Tiefenschärfe kaum vorhanden war. Was im Nachhinein aber auch von Vorteil sein kann, weil man somit Tiefe ins Bild bekommt. Das Bild wurde nachträglich selektiv geschärft, etwas entrauscht und beschnitten.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Ralph Kränzlein:

Eine Junge Tänzerin steht, offenbar auf einer Bühne oder in einem Showroom, rechts vor zwei anderen Performern. Sie ist von den Knien an aufwärts zu sehen und wird seitlich beleuchtet, steht entspannt und mit hängenden Armen mit zur Kamera gerichtetem Blick vor einer Projektionsfläche im Hintergrund.

Die beiden Mittänzer stehen in der gleichen Haltung etwas zurück versetzt und in leichter Unschärfe. Im rechten Vordergrund ist die Schulter eines weiteren Tänzers oder allenfalls eines Zuschauers zu sehen.

Ich habe einige Zeit lang für eine Tänzerin die undankbare Aufgabe übernommen, ihre Truppe bei Proben und Auftritten zu fotografieren.

Das ist zwar schon eine Weile her, aber angesichts Deines Bildes sind die Erinnerungen wieder hochgekommen: Zu wenig Licht, zu offene Blende und zu viel Bewegung.

Ich habe mich damals entweder darauf kapriziert, (bei Proben) mit Zusatzlicht zu arbeiten, oder aber viel Bewegungsunschärfe in Kauf zu nehmen. Denn immerhin geht es bei Tanz ja genau darum – um Bewegung.

Davon sehe ich in deinem Bild nahezu nichts, und das ist schade: Du hast verständlicherweise versucht, die technischen Anforderungen wenigstens in einem oder zwei Punkten zu erfüllen, und dabei den Ausdruck des Bildes sozusagen der Schärfe geopfert.

Man kann lange darüber streiten, welches die richtige Strategie ist. Ich habe mir damals gesagt, dass der Zweck der Aufnahmen von den Proben in der Darstellung der Bewegung und des Ausdrucks des Tanzes liegt – und dass scharfe oder auch nur erkennbare Gesichter Nebensache sind. Das mag zu fast schon abstrakten Aufnahmen führen, die aber häufig den – bisweilen im modernen Tanz ja durchaus auch abstrahierenden – Choreographien deutlich besser entsprechen und mehr davon herüberbringen, als statische Fotos von den Tänzerinnen auf der Bühne.

Es gibt ausserdem häufig Momente, in denen vielleicht sehr viel Bewegungsunschärfe mit einem statischen und damit scharfen Motivteil verbunden werden kann: Wenn Du beispielsweise auf eine bestimmte Tiefe im Voraus scharf stellst und auf den Moment einer Pirouette (mit „Spotting“ – die Tänzerin dreht dabei den Kopf immer erst nach dem Körper und hält deshalb das Gesicht dem Publikum zugewandt) oder eines Sprungs wartest, lässt sich häufig ein beinahe scharfes Gesicht zu einem bewegten Körper festhalten, was sehr spannende Bilder ergibt.

Dass man sich für einen Fokuspunkt in der Tiefe entscheiden muss, ist nicht nur eine Eigenheit der Performance-Fotografie – auch bei Sportaufnahmen, die sehr kurze Belichtungszeiten verlangen, ist das häufig der Fall. Es tut aber – wenn man es sorgfältig plant und umsetzt – den meisten Bildern keineswegs Abbruch, sondern sorgt für eben jene Tiefe, die eine Bühne ja auch hat und im Bild haben soll.

Ich hätte übrigens hier in Deiner Aufnahme neben einer nachträglichen Aufhellung (beispielsweise in Adobe Lightroom mit „aufhellen“oder sogar „Belichtung“) den die Vertikale geradegestellt und einen nach links verschobenen Ausschnitt gewählt, der die Schulter im rechten Vordergrund weglässt und die Tänzerin im Zentrum nach rechts verschiebt.

Ich glaube, solche speziellöe Herausforderungen verlangen sehr viel Übung, die einem erst die Freiheit gibt, sich auf die Performance zu konzentrieren und jenseits der technischen Widrigkeiten Fotos zu erstellen, die der dargestellten Kunst gerecht werden.

Wer also Freunden als Fotograf für deren Performance zusagt, sollte rechtzeitig an den ersten Proben teilnehmen, um das Stück und die für Fotografie idealen Stellen kennen zu lernen, und allenfalls mit den Performern und dem Lichtchoreografen zusammen an einer Probe verbesserte Bedingungen mit zusätzlichem Kunstlicht schaffen.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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1 Kommentar
  1. Ralph Kränzlein
    Ralph Kränzlein sagte:

    Vielen Dank für die konstruktive Kritik. Ich stimme dir zu, dass dieses Foto, wie auch andere meiner Tanzbilder, zu statisch ist. Ich werde demnächst etwas „mutiger“ sein und mehr mit Bewegungsunschärfe arbeiten. Was die Sache aber nicht gerade einfacher macht. In den etwas stressigen 20 min in denen ich die Bilder machen konnte war es einfacher sich auf die statischen Szenen zu konzentrieren. Das Element der Bewegungsschärfe reinzubringen hätte mich, mangels Übung, sicherlich überfordert. Ich werde das aber demnächst bei Proben üben.
    Allerdings ist die Schulter vorne rechts keine Schulter, sondern ein Tänzer der, etwas hinter der Tänzerin im Vordergrund, am Boden performt(schwarze Hose,weisses Hemd,rosa Achsel). Inzwischen seh ich aber auch ne Schulter ;-) Eine Schulter im Vordergrund hätte ich entfernt, der Tänzer erzeugt ne gewisse „statische“ Dynamik.

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