The Impossible Project: Nichts ist Unmöglich

Macht es Sinn, im Zeitalter digitaler Fotografie ein analoges Filmformat wiederzubeleben?

Spectra Colorful

Polaroid Spectra Colorful

Polaroid ist der Inbegriff der Sofortbildfotografie. Generationen sind mit Polaroid aufgewachsen, haben so ihre Erinnerungen festgehalten. Und doch stellte Polaroid 2008 nach über sieben Jahrzehnten die Produktion von Sofortbildfilmen in den letzten noch funktionstüchtigen Fabriken ein. Das war zumindest der Plan.

Polaroid, eine eingetragene Handelsmarke (Trademark) von PLR IP Holdings, LLC hatte 2001 Konkurs angemeldet, wurde dann 2005 von der Holding aufgekauft und hörte 2007 mit der Herstellung von Sofortbildkameras auf. Den eigentlichen Sofortbildfilm nicht mehr zu produzieren war nur der letzte, logische Schritt, trotz heftiger Auflehnung von Bewunderern des Genres und von Künstlern, die sich auf Polaroid-Kunst und Polaroidfotografie spezialisiert hatten. Webseiten wie „Save Polaroid“ (savepolaroid.com) und Blogs zum Thema schossen wie Pilze aus dem Boden, aber auch sie konnten die Firma nicht davon überzeugen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Statt dessen heuerte man Lady Gaga Anfang 2010 als Creative Director an, um eine von ihr geschaffene Produktreihe ins Leben zu rufen.

Die Partnerschaft mit Lady Gaga hat bisher nur einen Fotodrucker, den GL10, hervorgebracht, mit dem man unter anderem über Bluetooth Bilder direkt vom Telefon ausdrucken kann. Dieser hat wohlwollende Bewertungen (siehe beispielsweise PC Magazine) erhalten, aber darüber hinaus waren die Reaktionen eher lauwarm. Geplant sind weiterhin die digitale Sofortbildkamera GL30 und eine Kamerabrille (GL20). Wo aber bleiben hier die Fans und Nutzer von analogen Polaroid Produkten?

Das Unmögliche möglich gemacht

Hier kommt das Impossible Project ins Spiel. Benannt nach einem Zitat von Polaroid-Gründer Edwin Land („Don’t undertake a project unless it is manifestly important and nearly impossible.”, zu Deutsch „Unternimm kein Projekt, wenn es nicht offenkundig wichtig und fast unmöglich ist.“) kaufte Impossible unter dem Österreicher Dr. Florian Kaps 2008 das letzte noch funktionierende Werk in Enschede/Holland auf. Zunächst wurden noch vorhandene Filmbestände neu verpackt („limited Special Edition designed by Paul Giambarba“), dann mußte der Film buchstäblich neu erfunden werden, denn viele Originalzutaten, wie etwa die ursprünglichen Farben, waren nicht mehr erhältlich und/oder konnten nicht reproduziert werden.

Im Zuge der Entwicklungen wurden auch Experimente erfolgreich vermarktet, wie etwa der sogenannte „Fade to Black“ Film. Mit „Fade to Black“ („ins Schwarze verschwinden“) gemachte Bilder, an sich bereits eher dunkel mit Tonabstufungen von braun/grün bis schwarz, verfärbten sich über Stunden hinweg und wurden am Ende so dunkel, daß außer Schwarz nichts mehr erkennbar war. Die einzige Möglichkeit, den Ablauf vollständig aufzuhalten, war, den weißen Rand des Bildes aufzutrennen und das Foto austrocknen zu lassen, damit die Chemikalien nicht mehr reagieren konnten.

Fade to Black - Bildseite

Fade to Black – Bildseite

Fade to Black - Rückseite

Fade to Black – Rückseite

Mittlerweile produziert Impossible mehrere Arten Film für verschiedene Polaroid-Kameras, unter anderem „Silver Shade“, „Color Shade“ und „PX 70 Push“, und ihren Verkaufsstatistiken im Online-Shop nach zu urteilen sind diese regelmäßig ausverkauft. Fotografen werden ermuntert, Kommentare zu hinterlassen und ihre Arbeiten einzustellen, was auch regelmäßig geschieht. Dennoch muß man sich im Digitalen Zeitalter und mitten in einer Rezession bei einem Kostenpunkt von €1.71/Aufnahme ($2.04) für etwa „PX 70 Push!“ (ein Dreierpack à 8 Aufnahmen pro Packung kostet €41.00 oder $48.99) allerdings fragen, wer sich das überhaupt leisten kann. Warum sich nicht einfach die Kosten und Mühen sparen und mit einer Retro-App wie Hipstamatic die Sache für viel weniger Geld simulieren?

Das Digitale Zeitalter hat nämlich auch dafür gesorgt, daß jeder, der ein Handy mit Kamera besitzt, sich mittlerweile einbildet, ein Fotograf zu sein oder gar ein Künstler. Man muß sich nur auf einer Seite wie flickr.com umschauen. Von allen Seiten wird man visuell regelrecht bombardiert – wie soll man da noch etwas schaffen, was wirklich einzigartig ist? Analoge Fotografie, und insbesondere Sofortbildfotografie, bietet eine Möglichkeit, sich von anderen künstlerisch abzugrenzen. Insbesondere eine Kamera wie die SX70 ist in ihrer Einfachheit für einen ungeübten Fotografen eben nicht so einfach zu bedienen – alles voll manuell, alles muß eingeschätzt und gemessen werden, und anstatt der so bewunderten Retro-Aufnahmen kommen leicht verschwommene Farbkleckskompositionen heraus. Und egal, wie gut das Photoshop-Plugin oder die Retro-App auch sein mögen, an das analoge Original kommen digitale Möchtegerns nur selten heran.

Die Zukunft ist analog

Schon bevor Polaroids Management die aufkeimende Digitalfotografie verschlief und sich, als es ihnen dämmerte, schließlich panisch auf alles mögliche Digitale stürzte, entwickelte sich Sofortbildfotografie und –kunst zu einem Nischenmarkt. Polaroid-Transfers, Polaroid-Manipulationen, eine Polaroidaufnahme am Tag… Dieser Nischenmarkt, von Polaroid aufgegeben, wird heute von Impossible bedient, mittlerweile ein offizieller Partner der Firma. Und im Gegensatz zu Polaroid, von denen man auch heute noch den Eindruck gewinnt, als wüßten sie nicht ganz, wie sie sich als Firma und Produkt(e) definieren sollen, hat Impossible ein klares Ziel vor Augen: „Die Zukunft ist analog.“

Die Zukunft wird zeigen, ob sie recht behalten – ich hoffe es.

Verschiedene Polaroid Kameras

Verschiedene Polaroid Kameras

1 Kommentar

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  1. […] Dieser Artikel knüpft an einen Beitrag an, den ich vor einiger Zeit über das Impossible Project verfaßt habe. […]

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