Tierfotografie: Fixe Ideen loslassen

Bei der Fotografie von Tieren passiert einem gelegentlich fast ein sensationeller Schnappschuss. Aus dem in der Regel technisch mangelhaften Zufall ein Konzeptbild machen zu wollen, ist fast immer zum Scheitern verurteilt.

Nikon D5100 bei f/5.6 und einer Brennweite von 106mm, fotografiert mit 1/320 s bei ISO 100

Sascha Flemming aus schreibt: Das Bild wurde in der Nähe von Key Biscane aufgenommen. Vorallem die vielfältige Tierwelt an diesem Ort hat mich sehr motiviert dieses einigermassen naturgetreu einzufangen. In dieser Situation hat mich das Zusammenspiel der etwas im steinigen Zentrum verschwindenden Echse und der in Bewegung eingefangene Pelikan gefallen. Auf den ersten Blick schien er fast so, als würde die Echse leicht versteckt das Treiben über Wasser beobachten. Obwohl die Echse sehr zentral angeordnet ist, schien sie dennoch weiterhin auf der ersten Blick im Bild eher unterzugehen. Aus diesem Grund habe ich den Kontrast erhöht um sie etwas vom Untergrund hervorzuheben. Leider scheint sie immer noch ein wenig unterzugehen und nicht jedem fällt das Tier sofort auf. Weiterhin habe ich die Sättigung noch etwas erhöht, allerdings war dies garnicht zu sehr nötig, da die Farben und Kontraste an diesem Tag recht stark waren.

In dieser im Panoramaformat gehaltenen Farbfotografie sehen wir einen felsigen Uferstreifen mit Gebüsch im Vordergrund, eine sehr blaue, von links oben nach rechts unten verlaufende Wasserlinie und darüber einen Pelikan im Abflug, leicht unscharf durch die Bewegung. Das direkte Sonnenlicht kommt von rechts oben, und bei genauerer Untersuchung des Bildes ist in den Steinen im Bildzentrum eine grössere Echse erkennbar, die ungefähr in Richtung des Pelikans blickt.

Technisch gesehen ist das Bild bei ISO 100 und einer Blende 5.6 mit 320/s erstaunlich lange, aber korrekt belichtet. Es kippt ausserdem leicht nach links (ablesbar an den Wellenkämmen). Und die Sättigung, obwohl Geschmackssache, ist etwas heftig. Der Nachteil von Mittagsfotografie im grellen Sonnenlicht besteht just darin, dass die Kontraste knallhart und die Farben flau werden. Richtig bunt wird es meistens erst nach Sonnenuntergang.

Ich kenne Dein Empfinden leider nur zu gut. Tierfotografie ist nicht etwas, was ich spezifisch betrieben hätte, sondern immer dann, wenn sich die Gelegenheit geboten hat. Sprich: Ich versuche mich in gebührendem Abstand als Seelöwen-Porträtist, Walfluken-Dokumentator oder Bären-Schnappschussfotograf.

Wann immer solche Tiere meinen Weg gekreuzt haben, hat sich bisweilen sogar ein recht akzeptables Bild ergeben. Allerdings ist keines davon annähernd so gut wie die Aufnahmen, die man gemeinhin heute in Tierfoto-Wettbewerben sehen darf: [amazonna  B019CV0A2K]Eisvogel mit Beutefisch,[/amazonna] Elch im Morgenbodennebel, Fuchs auf Mauspirsch.  Solche Aufnahmen verlangen Erfahrung, Zeit, Ausrüstung. Wer die „Making-Of“-Teile der [amazon B00YDFJL9E]BBC-Naturserie „Blue Planet“[/amazon] gesehen hat weiss, was für spektakuläre Tierfilm- oder Fotoaufnahmen heute getan wird.

Unsereins kann sich aber doch  an dem erfreuen, was er sieht und fotografieren kann. An Pelikanen etwa habe ich mich an der Küste Kaliforniens  Tage lang frierend versucht. Nach vielleicht einer Stunde hatte ich den Rhythmus raus, den sie draufhaben, wenn sie fischen, und könnte voraussagen, wann sie sich ins Wasser fallen lassen würden. Das machte einige bessere Bilder aus:

Pelikane beim Fischen

Pelikane beim Fischen, Russian River, Kalifornien. © PS

Es ist vielleicht das einzige meiner Tierfotos, das auf Planung beruht und mit Geduld und Absicht entstanden ist. Ich habe bemerkt, das die Pelikane oft zu zweien oder zu dritt nach ein paar Kreisen rechts über den gleichen Flügel kippten und ins Wasser schossen, und ich wollte eine solche Gruppe erwischen; ausserdem ging es mir darum, den Meereshorizont und eine der kleinen Inseln im Bild zu haben. Einen Preis gewinne ich mit diesem Bild nicht – es ist eine Gegenlichtaufnahme, und mehr als mein Konzept zu erfüllen tut es eigentlich nicht. Ich freue mich trotzdem daran, ebenso wie an den anderen, die noch viel weniger eine Idee zu Grunde haben.

Hin und wieder ist mir auch ein Schnappschuss passiert, der auf den ersten Blick (meistens auf dem kleinen Display der Kamera) wie eine Sensation aussah: Der Weisskopfadler, der sich direkt in den Ausschnitt meiner 400mm-Linse vom Ast warf. Die beiden Bärenjungen, die von mir weg hinter ihrer Mutter in den Wald trotteten. Eine Ottermutter mit Jungem auf dem Bauch mit einem Fischerboot im Hintergrund.

Seeadler mit Fisch

Seeadler mit Fisch: Leider nein.

Nicht viel mehr als ein Beweisfoto: Bärenjunges im Wald.

Nicht viel mehr als ein Beweisfoto: Bärenjunges im Wald.

Keine dieser Aufnahmen hat einer Prüfung standgehalten: zwar lassen sich heute dank RAW-Fotografie und Software auch unterbelichtete Bilder (überbelichtete sehr viel weniger) gut retten, aber Unscharfes ist nun mal unscharf, Bewegung wird Unschärfe, und eine Beziehung zwischen zwei Objekten, die man sich wünscht, ist deswegen noch lange nicht da.

Auf Deiner Fotografie sehe ich einen Pelikan, der sowohl ausserhalb des Schärfenbereichs der Blende als auch durch die verhältnismässig lange Belichtungszeit aufgrund seiner Bewegung unscharf ist. Ich sehe einen nicht sehr attraktiven Landschaftsausschnitt, von dem im linken oberen Bildteil aufgrund des starken Sonnenliches der Schatten im Schwarz absäuft. Und ich sehe erst auf der Suche nach dem Inhalt des Titels Deines Bildes, „Ausschau halten“, schliesslich die Echse.

Ich erkenne auch sofort, worauf Du hinauswillst: Wäre die Echse grösser im Vordergrund und gut erkennbar; wäre der Vogel im Hintergrund gestochen scharf; wäre das Licht nicht so knallhart und der Ausschnitt auf das Gegenspiel der beiden Tiere reduzierbar: Es wäre ein spannendes Bild. Gewissermassen über die Schulter der Echse hin zum Vogel.

Aber die Echse ist versteckt in den Felsen. Das Licht ist viel zu hart. Der Pelikan ist unscharf, dominiert aber als Blickfang.  Deine Idee entspringt der Situation im Bild, aber sie ist umgekehrt in dem Bild nicht umgesetzt. Da hilft Nachbearbeitung nichts.

Was also hättest Du machen können, um die Idee in diesem Bild umzusetzen? Nahezu nichts, ausser wenn

  • von links immer wieder Pelikane aus dem Wasser abheben
  • die Echse noch länger so verweilt
  • Du deutlich näher an die Echse herankommst

…dann hättest Du versuchen können, Dich von links hinten an die Echse heranzumachen, so tief hinzuknien, dass die Echse über die Felsen oder sogar den Horizont aufragt und dann mit einer kleineren Blende, hochgeschraubtem ISO und deutlich kürzerer Belichtungszeit auf den nächsten Pelikan als Hintergrund im Blickfeld der Echse zu warten.

Deine Aussichten, dass das gelingt? Eher gering.

Deine Alternative?

echse1-6

Das Bild so beschneiden, dass es auf die Idee reduziert wird (und dabei geradestellen) und sehen, was erste Betrachter dazu sagen.

Die Idee dieses Bildes loslassen und Dich auf eine der beiden Gelegenheiten konzentrieren: Pelikane am Ufer. Echsen in den Felsen vor dem Wasser. Mit Blende, Brennweite, Belichtungszeit und Standort experimentieren und versuchen, aus der Echse ein spannendes Bild zu machen. Ich wäre nicht erstaunt, wenn Du eine ganze Reihe leidlich guter Echsenfotos gemacht hast – aber die Idee des „Ausschau halten“ nicht mehr loslassen konntest, nachdem das hier passiert war.

Mir ist das gelegentlich sogar mit Landschaftsbildern passiert, und in diesen rennt einem ausser den Wolken meistens nichts weg. Aber eine fixe Idee, die sich nicht umsetzen lässt, weil die Bedingungen nicht gut genug, die Zeit zu knapp, die eigene fotografische Erfahrung nicht ausreichend ist, blockiert nicht selten den Blick für anderes, einfacheres, besseres.

Und das nicht nur vor Ort, mit der Kamera. Oh nein: Schlimmer noch ist diese Erfahrung zu Hause in Lightroom, wenn man verzweifelt versucht, aus dem Bild die Idee herauszuholen im Bewusstsein, dass es eigentlich nicht gelingen kann.

Meine Umgang damit: Ich lösche das Bild, sobald ich erkannt habe, dass es nicht halten wird, was ich mir versprochen habe. Lieber die Zeit für ein anderes Shooting nutzen und versuchen, aus den verpassten Gelegenheiten zu lernen. Oder an einem der andern Fotos arbeiten, das die Echse in ihrer ganzen Pracht zeigt. Ich bin, wie gesagt, ziemlich sicher, dass Du die hast.

 

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