Und über uns der Konsum…

Erstmals in Deutschland zu sehen: Fotografien der amerikanischen Künstlergruppe der „Chicagraphen“. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, dargestellt mit den Stilmitteln der modernen Fotografie.

Als Abschluss meiner „Open Art“-Tour durch Münchens Fotogalerien möchte ich heute über zwei Foto-Serien des amerikanischen Fotografen Matt Siber berichten, die noch bis zum 3. November im Rahmen der Ausstellung „Chicagraphy“ in der renommierten Galerie „f5,6“ gezeigt werden.

Gemeinsam mit seinen beiden ebenfalls in Chicago arbeitenden Kollegen Jon Gitelson und Brian Ulrich, ist Siber als Teil der Künstlergruppe der „Chicagraphen“ (wie sie sich selbst nennen) erstmals mit einer eigenen Schau in Deutschland vertreten. So sehr sich die Arbeitsweisen der einzelnen Gruppenmitglieder unterscheiden, so ähnlich sind doch ihre Inhalte: Ein kritischer Blick auf die amerikanische Gesellschaft prägt all ihre Arbeiten. Die Künstler verstehen sich als „moderne“ Fotografen, die auch stark mit den neuen Medien und dem Internet arbeiten.

Matt Siber (geb. 1972) zeigt uns in seinen Serien „floating logos“ und „untitled project“ die Anziehungskraft und allgegenwärtige Präsenz des Konsums in der heutigen Gesellschaft. Das ist im Ansatz nichts neues, seine Interpretation des Themas ist allerdings einmalig.

Während Siber Firmenlogos, Texte und deren Wirkungen auf unsere Welt in der einen Serie verschwinden lässt, stellt er sie auf seinen anderen Bildern exponiert zur Schau. So sehen wir in „floating logos“ Tankstellenschilder und Leuchtreklamen von Fastfood-Ketten, die scheinbar schwebend und losgelöst von jedem Kontakt mit der Erde im Himmel stehen. Stets blicken wir zu ihnen hinauf, als würden sie in ihrer Präsenz über uns stehen und das höchste alles Gesehenen darstellen.

Im Kontrast dazu zeigt uns Siber mit seinem „untitled project“ welche Dominanz Logos und Texte haben, selbst wenn sie nicht vorhanden sind. Aus alltäglichen städtischen Szenen entfernt der Künstler sämtliche Texte und Buchstaben um sie in einem nebenstehenden Bild minutiös wieder zu rekonstruieren. Der Effekt ist frappierend: Denn im Vergleich zu den zuvor gesehenen, isolierten Logos, genügen uns die bloßen Konturen, um sofort eine Verbindung zu Markennamen und Konsumgütern herzustellen. Ein Blick auf das benachbarte „Textbild“ zeigt, wie viel uns die Fotografie vorenthält – und was unserem Eindruck in keiner Weise zu fehlen scheint.

Die ausgestellten Bilder sind beeindruckende Interpretationen unserer von Konsum und Markenpräsenz dominierten Welt, dargestellt in einer Form die den Betrachter staunen lässt und uns auf eine sehr ästhetische Weise vor Augen führt welche Bedeutung Texte, Formen und Farben bekannter Logos im Alltag besitzen. Neben seinem Umgang mit dem Thema selbst beweist uns der Künstler auch auf eindrucksvolle Art, wie die digitale Bildbearbeitung nicht nur der Manipulation und Verfälschung dient, sondern viel mehr als künstlerisches Werkzeug in der modernen Fotografie eingesetzt werden kann.

„Chicagraphy“ – bis zum 3. November in der Galerie f5,6 Ludwigstr. 7 80539 München Dienstag bis Freitag 11-19 Uhr Samstag 11-15 Uhr

Webseite Matt Siber

Webseite der Künstlergruppe „Chicagraphy“

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