Versteckte Kamera: Heikles Unterfangen

Drittpersonen im realen Leben ungefragt abzulichten – und noch dazu auf ihrem Privatboden – kann ins Auge gehen. Auch wenn dabei die witzigsten Bilder entstehen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Dirk Valcke).

Kommentar des Fotografen:

Aufnahme beim Eintreffen eines Luftballons und der Lektüre der Nachricht durch den Nachbarn. Momentaufnahme. (Weiterer Kommentar weiter unten)

Peter Sennhauser meint zum Bild von Dirk Valcke:

Ein Ehepaar mittleren Alters begutachtet einen Zettel, der an einem Roten Ballon befestigt ist. Vom Standpunkt des Fotografen aus sind die beiden nur im Ausschnitt zwischen einer im Vordergrund quer durchs Bild verlaufenden Hecke und dem Hintergrund (ihres) eines Gartens zu sehen. Der knallrote Ballon ist ebenfalls durch das Geäst eines im Vordergrund stehenden Baumes nur halb zu sehen.

Das Bild spricht die Neugier des Betrachters aus mehreren Gründen an:

Erstens wirkt der Farbkontrast des Ballins in all dem Grün eines üppigen Gartens wie ein Magnet. Und zweitens erzählt das Bild eine Geschichte, ohne die Auflösung zu liefern: Die beiden Menschen hier sind sichtlich erstaunt ob der luftigen Ballonpost, die ihnen zugeflogen scheint. Er liest den Zettel, sie scheint ungeduldig zu warten auf das, was auf dem Papierchen steht.

Technisch gesehen ist das Bild etwas überbelichtet, die Blätter im Sonnenlicht und das Hemd des Mannes sind ausgebrannt.

Der knackige Fokus auf den Mann dagegen, die extrem kurze Schärfentiefe und die Tiefe des Gartens verleihen dem Bild eine Räumlichkeit, wie sie mit dem starken 200er Tele auf kurze Distanz trotz Blende 8 erzielt werden kann.

Die gesamte Komposition mutet an wie ein Bild aus einem Candid-Camera-Streich – und Deine Bildbeschreibung lässt vermuten, dass Du der Absender des Ballons bist und mit der Kamera auf der Lauer gelegen hast.

Das ist zwar reizvoll, weil man mit solchen Tricks die Menschen in Situationen und Verhaltensweisen „erwischt“, die sonst nur zufällig fotografiert werden können.

Es birgt aber auch Gefahren, und zwar juristische: Angesichts der überbordenden Debatte über Googles Streetview besteht wenig ZWeifel, dass die Deutschen grossen Wert auf das legen, was sie für ihre Privatsphäre halten.

Dass diese in jedem Land anders definiert wird und das Recht auf das eigene Bild ebenfalls nicht überall gilt, hilft Dir nichts: In Deutschland gibt es dieses Recht, und es gibt dem Fotografierten die Möglichkeit, Dir für die Veröffentlichung eines solchen Fotos die Hölle heiss zu machen. In den USA dagegen wird man zum Freiwild für Fotografen, sobald man sich auf öffentlichem Boden befindet (und darf umgekehrt schon in Bahnhöfen meist nicht mehr fotografieren, weil die Betreiber den Terrorismus im Keim ersticken wollen).

In unseren Breitengraden dagegen wird ein „Model Release“ nötig, sobald ein Mensch im Bild porträtmässig und nicht als Teil einer öffentlichen Menschenmasse fotografiert worden ist. Für Strassenfotografen ist es deshalb auch in juristisch anders gelagerten Regionen häufig Gesetz, jedes Motiv im Anschluss an die Aufnahme um die Veröffentlichungsrechte zu bitten.

Ergänzung des Fotografen Dirk Valcke:

Die Leute auf dem Foto sind Nachbarn eines Freundes, bei dem wir zu Besuch waren. Dass ich sie fotografiert habe, wissen die beiden. Ich habe ihnen auch das Foto gezeigt. Also ist hier kein „juristisches Problem“ vorhanden. Der Moment hingegen ist ein reiner Zufallstreffer – ich war gerade am Fotografieren im Garten des Freundes, als der Ballon zugeflogen kam. Die Nachbarn auf dem Foto haben uns zugerufen, dass ein Ballon gefunden wurde mit einer Botschaft daran. Sie waren gerade beim Lesen des Berichtes, als ich zugelaufen kam. Ich fand die Situation interessant und habe das Foto gemacht. Der Ballon kam also nicht von mir, sonder er kam richtig aus der Luft gefallen. Um den Moment zu erfassen, hatte ich nicht viel Zeit.

PS: Ich wollte nicht unterstellen, dass Du etwas Unrechtes getan hättest – sondern an Hand des Beispiels auf die mögliche Problematik aufmerksam machen. Danke für die Präzisierung, Dirk!

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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