Versunken im Augenblick: Straßenszene in Tunesien

Der Aufnahmestandpunkt und der Augenblick, in dem man auf den Auslöser drückt, bestimmen maßgeblich das fotografische Endergebnis. Wenn beide perfekt zusammenkommen, sieht man das im Bild.

Leica Digilux2 mit Festobjektiv, BW 22,5 (KB 45 mm); 1/500 s; Blende 8; ISO 100 – © Bernd Plumhof

Anmerkung: Dieser Beitrag schließt sich inhaltlich an eine andere Bildkritik an, die ich vor Jahren über ein Foto von Bernd geschrieben habe. Gleicher Markt, anderes Motiv.

Unser Leser Bernd Plumhof aus dem rheinland-pfälzischen Gutweiler hat uns das obige Bild unter dem Titel „Straßenszene in Tunesien” in der Kategorie ‚Street/Strasse‘ zur Besprechung eingereicht. Er schreibt dazu:

„Hier in Douz spielt sich ein großer Teil des Tages auf bzw. an der Straße ab. Auf dem Pflaster hocken die Männer konzentriert beim ‚Zocken‘. Vom Geschehen um sie herum haben sie sich innerlich distanziert. Ein paar Fußgänger, Mopeds und Fahrräder im Hintergrund deuten das an. Die Männer sitzen – ungewohnt – nicht im Schatten des mächtigen Baums, da musste ich einfach den Auslöser drücken, ohne viel zu fragen.”

Als ich Dein Foto zum ersten Mal sah, dachte ich, es handele sich um Statisten in einem Film oder etwas ähnliches. Dann realisiert man, daß die Gruppe authentisch sein muß. Was sie genau spielen, konnte ich nicht ausmachen – Karten scheinen es jedenfalls nicht zu sein.

Aufgenommen hast Du sie von einer tieferen Warte, was ich gut fand. Überhaupt ist an Deinem Schnappschuß praktisch nichts auszusetzen – Glückwunsch zu diesem meines Erachtens gelungenen Urlaubsfoto!

Zum Technischen sei angemerkt, daß Deine Kamera „zwar“ eine ältere [amazon  B00PZWMRGI]kompakte Leica[/amazon] ist, aber dennoch genau deshalb eine sehr gute, wenn sie auch „nur“ 5 MP hat. Wieder ein Paradebeispiel dafür, daß es für gute Fotos eben NICHT auf möglichst viele Pixel ankommt. Außerdem ist sie ob ihrer Größe perfekt als Reisekamera, und sie hat Dir in diesem Moment gut gedient. 35 mm Äquivalent der Brennweite ist übrigens laut EXIF 90 mm, was mir sagt, daß Du etwas weiter weg warst; daher hat Dich die Gruppe auch nicht bemerkt. Du hast sie in einem unbeobachteten Moment „erwischt“, und so bietet sich dem Betrachter ein Einblick in das Leben dieser Männer.

Was diese Gruppe ausmacht, sind für mich hier die unterschiedlichen Abstufungen von Braun und Weiß in ihrer Kleidung. Hätten sie alle das Gleiche an, wäre es visuell nicht halb so interessant. Der Mann im „Zentrum“ des Geschehens, der einen Spielstein (?) in der Hand hält, befindet sich leicht außerhalb des Goldenen Schnitts (rosa; zum Vergleich Drittelregel in hellgrün):

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Da Du richtigerweise die Gruppe so fotografiert hast, daß sie auf der einen Seite die Aufnahme dominiert, auf der anderen Seite genügend Raum zum Atmen hat, funktioniert das hier. Man schweift über die Rücken der Leute vorne und entdeckt dann den Mann mit den Spielsteinen. Dadurch, daß die Gruppe das Foto zu zwei Dritteln ausfüllt, hast Du sie gut gegen den Hintergrund isoliert, der aber noch genügend Kontext bietet, um mir zu sagen, daß sie sich auf einem öffentlichen Platz befinden, unter Umständen am späten Nachmittag oder frühen Abend, und mitten in der Sonne, obwohl dahinter Schatten gewesen wäre, was automatisch zum Nachdenken anregt.

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Ich könnte mir noch vorstellen, eine leichte Vignette über das Bild zu legen, um das Foto visuell noch mehr einzurahmen, denn das helle Pflaster vorne konkurriert mit der Kleidung der Männer, die auf ihm sitzen. Das sähe dann so aus:

Vergleichsfoto

Vergleichsfoto

Ich persönlich finde, das rundet die Sache ab, aber es ist nicht wirklich notwendig.

1 Kommentar
  1. Tilman
    Tilman sagte:

    Ein tolles Bild, Bernd! Mich stört jedoch ein bisschen, dass der Hintergrund (Leute + Fahrräder) so scharf abgebildet sind. Die lenken meinen Blick ab. Sie Vignette von Sofie mildert das etwas ab. Ich glaube aber, dass dem Bild eine andere Tiefenschärfe gut getan hätte (zur Demonstration, siehe angehängtes Bild). Das ist leider mit einer Bridgekamera ziemlich unmöglich hinzubekommen.

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