Von drinnen nach draussen: Kontrastbarriere

Der Blick von einem schattigen in einen sonnengefluteten Raum bietet fotografisch höchste Herausforderungen: Der Kontrastumfang ist zu hoch für den Sensor. Ein bisschen Tricksen, HDR, ein Blitz oder RAW helfen weiter.

Blick aus der Scheune nach draussen

Von drinnen nach draussen: Olympus E-M10 Mark II 1/640s bei Blende 4/1 mit 15mm Brennweite und ISO 200, © Carsten Krebs

Carsten Krebs aus Berlin schreibt zu diesem Bild: Das Bild bei uns in der Scheune entstanden und beschreibt für mich ganz gut den Sommer. Das Heu in der dunklen Scheune und der heiße Sommer mit dem Rasensprenger draussen vor der Tür. Allgemein finde ich sehr häufig den Kontrast zwischen draussen und drinnen sehr interessant, wenn man durch eine (alte) Tür oder Fenster hinausschaut. In der Regel gelingt es mir aber nicht dieses in einem Bild auch umzusetzen. In diesem Fall hatte ich jedoch das Gefühl, dass es einigermaßen geklappt hat.

Du bist da einem der grundlegenden Probleme der Frage nach dem Kontrastumfang auf der Spur. Tatsächlich ist kaum etwas so schwierig, wie vernünftige Fotos aus einem dunklen Raum ins Helle hinaus oder umgekehrt zu schiessen. Fangen wir vorne an:

In dieser Hochformat-Farbfotografie sehen wir durch eine Türe aus einem relativ dunklen Raum hinaus auf eine Wiese oder den Hof eines Bauerngutes. Die offene Scheunentüre liegt im Schatten, durch die Türe in der Backsteinmauer führt ein Schlauch zu einem Rasensprenger in der Wiese. Im Innern des Raums sind auf den ersten Blick nicht klar erkennbare runde Gebilde zu sehen.

Zur Technik:  Ich gehe davon aus, dass Du dieses Bild in Lightroom oder anderswo noch deutlich nachbearbeitet und dabei den wohl stark überbelichteten Bereich in der Türe „abgewedelt“ hast, sprich mit dem lokal anwendbaren Werkzeug maskiert und dann die Belichtung reduziert. Das scheint mir deshalb wahrscheinlich, weil im Bereich des oberen Türbogens sehr deutliche Farbsäume erkennbar sind.

Farbsäume an den Kontrastgrenzen

Daran ist noch gar nichts falsch: Wenn man den extremen Kontrastumfang von sonnigem Aussengelände und schattigem Innenraum auf ein Bild kriegen will, führt eigentlich kein Weg um eine Version des „High Dynamic Range“, des erweiterten Dynamikumfangs des Kontrastes, herum. Einfach gesagt geht es darum, dass sowohl das menschliche Auge als auch der Sensor (oder der Film) der Kamera nicht im Stande ist, das volle Spektrum von ganz hell bis ganz dunkel zu erfassen. Deswegen entscheidet sich das Organ (unser Auge stellt via Pupille blitzschnell um) oder der Prozessor in der Kamera für eine Seite und lässt die andere ausser acht: Man erkennt entweder die Zeichnung in der Fotografie im hellen Bereich, und die dunkle Zone ist schwarz, oder umgekehrt: Im Dunklen Bereich sind Einzelheiten erkennbar, aber der helle Bereich ist total überstrahlt (weiss).

Umgehen lässt sich das auf verschiedene Art: Entweder, Du bringst mehr Licht in den dunklen Raum und gleichst ihn damit der Aussenhelligkeit an. Das liesse sich mit einem Blitz bewerkstelligen, ist aber schon wegen der verschiedenen Weisstemperaturen von Blitz und Tageslicht nicht die beste und einfachste Lösung. Eine andere besteht darin, zwei oder mehr Fotografien vom genau gleichen Standort (Stativ!) in einer sogenannten Belichtungsreihe zu machen: Das heisst, Du stellst einmal die Belichtung auf den Schatten, dann auf den Aussenraum ein. Die beiden Bilder werden dann in Photoshop ineinander kopiert, und Du hast ein sogenanntes HDR-Bild.

Einzelne Kameras beherrschen diese Technik heute schon so, dass man nur „HDR“ einstellen muss, und die Kamera fertigt selbständig drei Bilder an und rechnet sie ineinander.

[bildkritik]

Zuletzt lässt sich ein brauchbares Ergebnis bei mässigeren Kontrastunterschieden so erreichen, dass man mit RAW fotografiert und den Aussenraum richtig belichtet, oder ihn hart an die Grenze zur Überbelichtung bringt. In RAW ist nämlich in der Regel im Bereich der dunklen Schattierungen sehr viel mehr Information vorhanden als in JPG-Dateien, welche auf 256 Graustufen reduziert sind. In Programmen wie Lightroom oder Photoshop lässt sich deswegen in einer RAW-Datei noch sehr viel aus den dunklen Regionen herausholen. Man maskiert die dunkeln Bereiche und erhöht die Lichtwerte der Tiefen.

Das wären ein paar Methoden,. wie Du zu den Bildern kommst, die Dir vorschweben. In dem hier vorliegenden ist Dir der hohe Dynamikumfang erst sehr grob gelungen – zum einen haben wir die Farbsäume, zum andern ist die Aufnahme in den dunklen Bereichen unscharf (sind es vielleicht doch zwei ineinander kopierte Bilder?).

Im unteren Bildbereich ist viel Unschärfe zu beklagen

Im unteren Bildbereich ist viel Unschärfe zu beklagen

Abgesehen von der noch nicht ganz ausgereiften Technik ist aber auch das Motiv, wenn wir ehrlich sind, sehr viel Interpretation und wenig Eindruck.  Heu und Stroh sind heute meist in runden Rollen aufgewickelt, aber in dieser Form sind sie bildhaft kaum erkennbar, für mich ist das erst Heu, wenn man mich darauf aufmerksam macht. Und der Blick nach draussen in die wenig attraktive Wiese mit dem Bewässerungsmast steht vielleicht für Sommer, aber das Interesse an den Objekten hält sich doch in engen Grenzen.

Anders gesagt: Bleib dem Kontrast-Problem auf der Spur und finde spannende Ausblicke, die zu fotografieren sich lohnt, und dann versuch’s mit Stativ und HDR, oder mit dem Blitz, oder mit RAW.

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