Wetter-Schnappschuss: Mittelerde in der Schweiz

In Sachen Fotomotive ist kaltes, feuchtes Wetter der Vorbote des Sommers: Ganz plötzlich wird die winterlich-karge Landschaft zum märchenhaften Panoptikum. Toller Kitsch überall!

Bei Bellinzona

iPhone 7 Plus 1/1250s bei Blende 14/5 mit 33/5mm – © Dirk Hunstein

Dirk Hunstein aus Wiesbaden: Das „immer-dabei-iPhone“ hat mir einen, wie ich denke, interessanten „Schnappschuss“ ermöglicht. Schnappschuss deshalb, weil ich gar nicht mit dem Ziel zu fotografieren unterwegs war, sondern beruflich. Drum hatte ich auch keinen „richtigen“ Fotoapparat dabei. Beim Absteigen vom Castelgrande (eine der drei Weltkulturerbe-Burgen von Bellinzona im Tessin) stach mir dieser Blick in die Augen. Nebel, Rauhreif und etwas Schnee machten schon das Originalfoto zu einem mystischen Bild. Im Photoshop musste ich lediglich ein bisschen an den Farben und den tonalen Kontrasten drehen – und schon entstand ein Bild, das meiner Meinung fast ein Gemälde aus Mittelerde sein könnte. Den Bildausschnitt konnte ich leider nicht ändern, weil nur an dieser Stelle, an der das Foto entstand, ein freier Blick auf die gegenüberliegende Bergseite möglich war (sonst hätte ich versucht, die Kirche im Vordergrund etwas mehr nach links zu schaffen, um die Kirchturmspitze genau in den goldenen Schnitt zu platzieren). Aber ist es jetzt noch ein Foto? Das Original kann ich gerne nachliefern, damit man sieht, dass wirklich nicht viel mit dem Bild passiert ist.

Jetzt bin ich aber mal gespannt. Ja, spielt es denn eine Rolle, ob das noch ein Foto ist oder nicht?

Wir sehen in dieser Farbfotografie eine Landschaft mit mittelalterlich anmutenden Gebäuden. Auf insgesamt drei verschiedenen Höhen – Augenhöhe des Fotografen,  am Berghang deutlich erhöht und oben auf einer Bergkuppe, hinter der sich das Gebirge allerdings weiter anhebt – Gebäude mit Türmen, Mauern mit Zinnen und einer Statue im Falle der Kirche im Vordergrund. Das Bild ist in Blautönen gehalten und scheint auf mehrheitliche Art bearbeitet, namentlich dürfte der Dunstfilter von Photoshop Lightroom oder die Funktion „Klarheit“ zur Anhebung von Kontrast in Kantenbereichen angewandt worden sein.

[bildkritik]

Hobbits oder Elfen sind nicht auszumachen, aber dennoch mutet die Schweiz oder einzelne ihrer Regionen bisweilen tatsächlich an wie ein [amazon  3492275664]Land der Zwerge, Zauberer und Orks.[/amazon]  In den vergangenen kalten Januar-Wochen halfen sehr tiefe Temperaturen und durchziehende Feuchtluftgebiete, indem es vielenorts zu Raureif-Bildungen an Bäumen und Strukturen kam, welche die Landschaft total verändern. Das ist zwar hier weniger die Ursache für die Märchenhafte Fotografie. Aber Dunst, Kälte und flaches Licht haben das ihre dazu beigetragen, dass Du Dich hier in die Szenerie von [amazonna B01JLETMQ8]“Lord der Ringe“[/amazonna] versetzt fühltest. Ich finde, wichtiger als Schnee und Eis ist im Winter für die Fotografie das bei uns so flach einfallende Licht, das alles verändert und Anblicke schafft, die man sommers nicht antreffen kann – es lohnt sich, darauf zu achten und mit der Kamera aus dem Haus zu gehen.

Betreffend der Komposition würde ich mir hier keine Gedanken machen. Das Dreieck aus den Gebäuden funktioniert, auch wenn die Kirche im Vordergrund ziemlich mittig angeordnet ist, das rückt sie aber ganz gut ins Zentrum des Interesses und hebt die Statue vor dem kleinen Turm heraus; ein Detail, das dem Bild mit seinem pompös-kitschigen Gesamteindruck sehr gut tut. man stelle sich vor, die Bäume ind en dunklen Flächen würden nicht dank dem Lichteinfall und allenfalls der Vereisung wie feine Gerippe herausstechen, sondern in einem Sumpf aus Schwarz verschwinden: das Bild würde, obwohl es jetzt von den Gebäuden dominiert wird, nicht mehr funktionieren. Das Licht von rechts schafft die Bühnenstimmung, es sorgt für die plastische Darstellung der Kulisse aus Berghang und Hintergrund. Jeder Concept-Artist würde für die Visualisierung der Landschaft in Mittelerde genau diese Lichtstimmung wählen, und das hast Du eingefangen.

Ist es ein Foto? Wenn Du es sagst. Und wenn nicht? Es ist faszinierend anzusehen, was wollen wir mehr?

 

2 Kommentare
  1. Tilman
    Tilman sagte:

    Hallo, ein schöner Blick ein normales Foto, das ich toll finde. Etwas verrauscht vielleicht und mit einem leichten Blaustich. Das kann man einfach ändern, siehe Anhang. Ich denke mir, dass das Foto am Besten in s/w wäre. Danke für die Besprechung, Peter.

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  1. […] wo man sich bei erstem Betrachten fragen könnte ob es wirklich ein Foto ist. Ich selbst finde die Aufnahme einer Landschaft die mit Schnee, Raureif und Nebel bedeckt gewesen ist grandios. […]

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