„Winterabend in Atiu Creek, Neuseeland“: Luftperspektive als gestalterisches Element der Landschaftsfotografie

Räumliche Tiefe kann insbesondere in der Landschaftsfotografie durch das Einfangen der natürlichen Helligkeitsabstufungen realisiert werden – ein Praxisbeispiel.

Ausgangsbild

Unser Leser Peter Pieruschka aus dem bayerischen Augsburg hat uns das obige Bild unter dem Titel „Winterabend Atiu Creek Neuseeland” in der Kategorie ‚Landschaftsfotografie‘ zur Besprechung eingereicht.

Er schreibt dazu: „Es ging mir darum, das abendliche Farbspiel naturgetreu wiederzugeben (ohne Nachbearbeitung usw.) und die kaskadierende Lagenstruktur der Landschaft abzubilden, ohne mich in Details zu verlieren.“

Die Aufnahme entstand mit einer Canon EOS 550D bei einer Brennweite von 135 mm, die kleinbildäquivalenten 216 mm entspräche. Es wurde mit 1/640s und Blende f10 belichtet. Die Empfindlichkeit war hierbei auf ISO 100 gestellt.

Ich muss gestehen, dass ich erst einmal die Suchmaschine befragen musste, um mir einen groben Überblick über die portraitierte Landschaft zu verschaffen:

Atiu Creek ist demnach ein Regionalpark im Auckland Council auf der Nordinsel Neuseelands. Geprägt wird diese Landschaft durch grasbewachsene Hügel, relativ niedrige Laubbäume und Kiefern sowie den Hargreaves Basin, dem Mündungsbecken des Topuni Rivers. Einen Eindruck dieser Landschaft möchte uns Peter mit der eingereichten Aufnahme vermitteln.

Auf den ersten Blick sticht dem Betrachter die intensive Färbung des Himmels ins Auge. Die abgestuften Orangetöne dominieren das Bild. Das Licht der untergehenden Sonne, das von der feuchten Luft gebrochen wird, verleiht mit Ausnahme der tiefsten Schattenbereiche dem gesamten Bild eine warme Tonung. Der Winter zeigt sich im Norden Neuseelands in aller Regel nicht mit Schnee und Eis, sondern durch eine relativ hohe Luftfeuchte. Peter hat dieses Phänomen mit seiner Gegenlichtaufnahme geschickt eingefangen.

Das Bild folgt einem verhältnismäßig einfachen Aufbau und gliedert sich im Wesentlichen in drei Elemente: Hügel, Wasser und Himmel. Details sind aufgrund des starken Gegenlichts kaum wahrnehmbar. Vorder- und Mittelgrund werden durch die hügelige Landschaft und das Meer dominiert. Erstere wird weitestgehend in einzelne Flächen abstrahiert. Der natürliche Horizont liegt knapp unterhalb des oberen goldenen Schnitts. Damit nimmt der Himmel als Hintergrund etwa zwei Fünftel des Bildes ein, während auf Hügel und Meer reichlich drei Fünftel entfallen. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Gewichtung der Bildelemente untereinander. Aufgrund der geringen Durchzeichnung bildet der Himmel den negativen Raum, der das Hügelland begrenzt.

Die Szene weist einen enormen Kontrastumfang aus, den die Kamera nicht verarbeiten konnte. Die dunkelsten Stellen sind in reiner Schwärze angelegt (Baumkronen im Vordergrund), während der Bereich um die Sonne ausbrennt:

Vergleichsbild

Letzteres hätte man bei der Aufnahme eventuell durch einen gradualen Graufilter vermeiden können, allerdings unter der Gefahr, Reflektionen ins Bild zu bringen. Zielführender wäre daher die Aufnahme einer Belichtungsreihe gewesen, die anschließend zu einer ausgewogen belichteten Aufnahme verrechnet werden kann. Unter diesen Umständen bietet das HDR-Verfahren eine gute Möglichkeit, die technischen Schwächen unserer heutigen Kameras auszugleichen und ein Bild zu schaffen, dass den menschlichen Sehgewohnheiten näher kommt, als dies mit einer einzelnen Belichtung erreicht werden könnte. Neben den beschriebenen Extremen bietet die Aufnahme eine Vielfalt an Tonwertabstufungen, die mit zunehmender Helligkeit den Verlauf von Vordergrund zu Hintergrund verstärken. Hierbei handelt es sich um ein gestalterisches Instrument, dass bereits die Maler der Renaissance entwickelten, um ihren Bildern eine räumliche Tiefenwirkung zu verleihen. Die Luftperspektive greift die Tatsache auf, dass weiter entfernte Objekte durch die Lufthülle der Erde heller erscheinen und in ihren Konturen aufgelöst werden. Im Bild wird dies durch die zunehmende Aufhellung der entfernter liegenden Hügel sichtbar. Die von Peter angesprochene Kaskadierung der Landschaft wird hierdurch anschaulich dargestellt.

In seiner Bildbeschreibung erwähnt Peter, dass er bewusst auf eine Nachbearbeitung der Aufnahme verzichtet hat. Diese grundsätzliche Ablehnung teile ich nicht. Um die räumliche Tiefenwirkung der Luftperspektive weiter zu verstärken, könnten die mittleren Tonwerte moderat aufgehellt werden:

Vergleichsbild

Überlegenswert wäre es, das Bild in ein Panoramaformat zu beschneiden (siehe Vergleichsbild):

Vergleichsfoto mit Beschnitt

Mit diesem Schritt könnten zwei Effekte erzielt werden. Zum einen wird der überblendete Bereich des Himmels entfernt, der unnötig vom Motiv ablenkt. Zum anderen erhielte die Hügellandschaft mehr Gewicht in der Komposition. Hierzu würde ich den Horizont ins Fünftel verschieben. Der einzelne Baum (zweiter Hügel von hinten) rückt auf diese Weise automatisch in den goldenen Punkt. Diesem kommt im Bild insofern eine besondere Rolle zu, als dass dieser die abstrahierten Hügelflächen durchbricht und dem Auge Halt bietet.

Zusammenfassung

Die Abendstimmung und den Charakter der Landschaft hat Peter in seiner Aufnahme deutlich herausgearbeitet. Die Luftperspektive verleiht dem Bild Tiefe. Nicht blenden lassen sollte man sich von dem farbenfrohen Himmel. Das Hauptmotiv bleibt die Landschaft selbst.

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