Zwischen Abstrakt und Montage: Movimento

Wenn man sich für digitale Kunst als Bearbeitungsweg entscheidet, sollte man diese Entscheidung auch durchziehen.

abstrakt tänzer

ina tänzer aus messines schreibt zu diesem Bild:

Die Struktur und Risse auf einer alten Mauer im portugiesischen Alentejo haben mich gereizt, das Foto aufzunehmen. Ich habe es mit einem Foto unterlegt, das ich von einem Flamencotänzer aufgenommen habe, da ich mich an Bewegung und Tanz erinnert fühlte.

Kamera: ILCE-7 Aufnahmedaten: 1/100s bei Blende 45/10 mit 340/10mm Brennweite und ISO 1250

Es ist immer schwierig, sich zu den künstlerischen Entscheidungen anderer zu äußern, denn jeder sieht ein Bild anders, interpretiert es anders, hätte etwas anderes damit gemacht. Das hier ist so eines.

Das erste, was ich sah, war ein Abstrakt einer Mauer. Ich fotografiere auch gerne solche Motive, insbesondere, wenn sie eine so schöne Struktur haben wie dieses PLUS das Graffiti. Das hätte es dann auch sein können, und dann entdeckte ich aufgrund Deines Kommentars den Tänzer, den Du mit ins Foto gebracht hast; davor habe ich mich auf die Abstraktion konzentriert. Dadurch wird aus dem Abstrakt eine Montage, und die Bildbesprechung schlägt eine vollkommen andere Richtung ein. Und genau das ist hier für mich die Schwierigkeit: gesehen habe ich ihn erst beim zweiten Hinsehen aufgrund Deines Kommentars.

Zunächst einmal zur Komposition. Zu sehen ist links eine die Aufnahme dominierende Struktur, von der aus wiederum eine Linie rechts nach oben in die Ecke führt. Daß diese genau in die Ecke führt, verrät ein gutes Auge, das geschah nicht zufällig. Die nicht zu entziffernden roten Schriftzüge, geflankt von einem „A“, bringen zusätzliches visuelles Interesse ins Bild. Es ist eindeutig eine Wand; wenn man allerdings lange genug darauf starrt, verändert sie sich zu einer Landschaft. Das ist das Schöne an Abstrakten – sie wirken jedes Mal anders.

Den Tänzer darüber kann ich in dieser Form nicht nachvollziehen. Vor kurzem habe ich einen Artikel über einen unserer Leser, Franz Schmied, veröffentlicht, der meines Erachtens Collagen und Montagen exzellent beherrscht. So einfach sich die Kunstform anhört, so schwierig ist es doch, sie gekonnt hinzubekommen. Der Grund liegt auf der Hand: man fügt ja verschiedene Bilder zu einem neuen Ganzen zusammen, und das muß in sich wieder stimmen.

Der Tänzer ist hier so tentativ im Foto, daß es für mich wirkt, als wolltest Du einmal etwas Neues ausprobieren, hättest Dich aber nicht so richtig getraut. Weil man ihn kaum sieht, nimmt man zuerst nur das Wandabstrakt wahr, und dann sieht man ihn irgendwann. Das kann man natürlich als gekonnte Einbindung von „Bild im Bild“ betrachten, aber ich hätte ihn hier verstärkt, damit er mit der Struktur im Putz und dem Graffiti auch tatsächlich visuell interagiert. So, wie es jetzt ist, ist es weder ein richtiges Abstrakt, noch eine wirkliche Montage.

Ich wäre gespannt, das Foto noch einmal überarbeitet, etwa per Email, zu sehen, denn an sich finde ich die Idee gut und denke, es wäre eine gute Montage geworden, wäre der Tänzer wirklich im Foto.

Was meint Ihr? Gekonnte Montage oder Verstärken der Überlagerung?

5 Kommentare
  1. Jürgen
    Jürgen sagte:

    Mein Gedanke war, warum nicht ein Bildpaar (oder eine kleine Serie)? Das hätte ich hier spannend gefunden. Einmal das Mauerwerk und daneben der Tänzer. Es würde mich interessieren, wo die Zusammenhänge zwischen den beiden Bilder sind.

    Bildpaare, oder gar -serien haben einfach viel mehr Möglichkeit einen Ausdruck zu schaffen, als ein einzelnes Bild. Zu einem Gedanken oder Eindruck gehören häufig zwei oder mehrere Gedanken. Das ist einfach so. Die alle aber in einzelnes Bild zu packen ist schwer, überfrachtet das Bild selbst häufig.

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    • Ina Tänzer
      Ina Tänzer sagte:

      Hallo Jürgen,
      sehr interessante Überlegung. Mich hat das Motiv – und vielleicht auch meine Stimmung dort zu diesem Zeitpunkt – an die Flamencoveranstaltung erinnert, die ich fotografieren durfte. Ich hatte die Idee, beides zusammen zu führen, war mit dem Ergebnis nicht glücklich. Einmal der Hinweis von Sofie, dass der Tänzer wirklich sichtbarer Bestandteil sein müßte, und jetzt noch Deine Idee(n) dazu; ich glaube, das bringt mich doch etwas weiter.
      Tausend Dank, wirklich nette Leute hier :)
      Ina

  2. Ina Tänzer
    Ina Tänzer sagte:

    Hallo Sofie, erst einmal vielen Dank für die Mühe mit meinem Foto!!

    „….Du einmal etwas Neues ausprobieren, hättest Dich aber nicht so richtig getraut“, ich glaube, das trifft es genau. Dies ist in der Tat eine neue Richtung für mich, und ich fühle mich da sehr unsicher. Deshalb wollte ich gerne eine Meinung von professioneller Seite hören. Die Bespechung gibt mir eine Idee und einen Weg, so werde ich mich nochmal an das Foto und die Bearbeitung machen, und dann sende ich es auch per Mail.

    Nochmals vielen Dank und liebe Grüße
    Ina

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