Beiträge

Leserfoto – „Perlensammler“: Mehr Struktur

Auf das Minimalste reduzierte Pflanzenfotos sollten dem Betrachter interessante Details bieten.

(c) Stephan Wink

Entstanden in den Reisinger Anlagen Wiesbaden. Leider erinnere ich mich nicht mehr an die Pflanzenart. Das Blatt schien mir geradezu den am Morgen gesammelten Tau als Perle anzubieten.
Leichte Nachbearbeitung (Spot Removal, Hochpassfilter) in Photoshop CS6.
Canon EOS 600D, 55 mm Brennweite, f/5,6, 1/20 s, ISO 100, mit Kamera-Blitz

Viele Leute machen bei Pflanzen- oder Blumenbildern den Fehler, dieselben bei hellem Tageslicht und von oben zu fotografieren. Das Ergebnis sind blasse Farben, häßliche Schatten und Motive, die man so überall sieht. Das hast Du alles hier vermieden, doch es gibt ein paar andere Dinge, die auffallen.

Doch zunächst zu Deinem Foto selbst:

In Deiner Einreichung schreibst Du, der Tau in der Mitte des Blattes habe Dich fasziniert. Man sieht auf der Aufnahme ein Blatt einer auch mir unbekannten Pflanzenart vor grünem Hintergrund, dazu den Tautropfen.

Du hast dieses Blatt unter eher ungünstigen Lichtverhältnissen ohne Stativ fotografiert. Deiner Kamera hast Du alle Entscheidungen überlassen. Das von Dir benutzte Objektiv ist eine „Kit-“Linse, die gerne mit Canon-Modellen geliefert wird. Es ist allerdings kein wirkliches Makroobjektiv, und man kann minimal an sein Objekt auf 25 cm heran.

Zur Komposition ist anzumerken, daß der Tautropfen sich weder im Goldenen Schnitt (rosa) befindet, noch die Regel der Drittel (blau) hier greift. Er ist vielmehr stark nach unten und zur Mitte hin verschoben:

Goldener Schnitt/Drittel

Der Tautropfen ist außerdem, verglichen zum Blatt selbst, nur ein kleiner Teil des Bildes:

Gewichtung

Da er sich durch seine Helligkeit und Struktur so sehr vom Untergrund abhebt, und weil er eben nicht im Goldenen Schnitt oder einem Drittel angelegt ist, fällt es für mich hier nicht ins Gewicht – im Gegenteil, der Betrachter wird gezwungen, sich das Foto wirklich anzuschauen.

Hättest Du einen wesentlich kleineren Ausschnitt gewählt, es wäre ein vollkommen anderes Foto:

Vergleichsfoto

Worauf ich mich konzentrieren möchte sind erstens die Bedingungen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, und was man an ihr in der Nachbearbeitung noch hätte verbessern können.

Makroaufnahmen sollte man grundsätzlich mit Stativ bei ISO 100 und im Manuellmodus machen. Es empfiehlt sich, ein dediziertes Makroobjektiv zu benutzen, oder auf Objektivverlängerungen und dergleichen zurückzugreifen. Du hattest hier Glück, und es kam ein passables Foto dabei heraus, aber es sieht auch bei der mir vorliegenden Auflösung leicht unscharf aus.

Du schreibst auch, es sei „leicht“ nachbearbeitet worden – und das sieht man. Ein helles weißes Oval unten in der Mitte, alles sonst ist grün auf grün. Es gibt nicht genügend Details in diesem Bild, die es interessant machen. Das Motiv ist so stark reduziert, daß Du in der Nachbearbeitung etwas mehr herausholen mußt.

Weiterhin sind links oben und unten störende Elemente in der Aufnahme:

Problemzonen

Wo rechts alles schön verschwommen ist, sieht man dort Blattteile. Diese kann man jedoch leicht wegstempeln oder andere Bildteile darüberlegen.

Wenn mich an einem Foto Dinge stören, gehe ich nach einem „Was wäre, wenn“-Verfahren vor. Ich „spiele“ mit der Aufnahme und ändere, was mich zu stören scheint. Wenn es das Bild verbessert, hätte man diesen Schritt machen sollen. Andernfalls kann man es nicht ändern, oder es war eine Entscheidung, die ich bereits bei der Aufnahme anders getroffen hätte.

Hier habe ich Dein Foto in Nik Color Efex Pro nachbearbeitet, denn das Blatt hebt sich vom fast gleichfarbigen Hintergrund trotz Vignette nicht ausreichend ab. Erst habe ich die Farbstimmung und den dynamischen Kontrast bezogen nur auf das Blatt verändert, dann den tonalen Kontrast insgesamt angehoben und diese Ebene auf 50% Deckkraft über dem Original reduziert.

Als letzten Schritt habe ich die beiden störenden Teile weggestempelt (zugegebenermaßen eher salopp). Das Endergebnis ist farblich vielen wahrscheinlich zu extrem, soll aber nur illustrieren, was noch in diesem Foto steckt, wenn man sich etwas damit beschäftigt:

Vergleichsfoto

Es ist nur eine der vielen Möglichkeiten der Nachbearbeitung. Ob und was Du schlußendlich noch daraus machst, hängt von Dir ab.

 

Leserfoto – „Portrait of a Ghost“: Lichtstimmung und Ausarbeitung

Nachbearbeitung kann als Kontrast zum Bildgegenstand selbst dienen, wenn dieses absichtlich so eingesetzt ist.

(c) Samuel Heermann

Das Foto ist oberhalb des Comer Sees auf einer Burgruine entstanden, wo Gipsmodelle als Geister aufgestellt worden sind.
Besonders der fotografierte Geist hatte es mir angetan, wie er sich so vor der grandiosen Kulisse des Comer Sees in Szene gesetzt hat.
Schwierig fand ich an dem Foto den sehr hellen Hintergrund und den Geist selber, welcher mir im Gegenlicht seine Schattenseite präsentiert hat.
Das Bild ist in RAW aufgenommen (Nikon D7000 mit Nikkor 18-55 3.5-5.6 ED, 46mm Brennweite, Blende 11, 1/160s, 100 ISO) und dann mit Raw Therapee entwickelt worden.
Im Photoshop habe ich das Bild dann nach S/W konvertiert, den Kontrast etwas angehoben, die Tonwerte korrigiert und einen kleinen Ast am oberen Bildrand wegretouchiert.

Du hast uns hier einen Urlaubsschnappschuß der etwas anderen Art eingereicht. Wo man sonst den Lago di Como als grüne Urlaubskulisse, komplett mit blauem Himmel und farbenfrohen Orten geboten bekommt, hast Du ihn hier schwarz-weiß und mit Geist abgelichtet. Mal etwas anderes. Weiterlesen