Frank Gaudlitz: Menschen im Sonntagsstaat
Frank Gaudlitz porträtierte Menschen im Sonntagsstaat, in ihrer guten Stube – in den südosteuropäischen Ländern entlang der Donau.
„Casa Mare“ bedeutet im Rumänischen so etwas wie die „gute Stube“. Und deshalb heißt Gaudlitz‘ aktuelle Ausstellung so. Wir sehen da berührende Aufnahmen.
Von 2006 bis 2008 fotografierte Frank Gaudlitz in den Regionen Südosteuropas. Gaudlitz fotografierte innerhalb Rumäniens in Siebenbürgen, in der Marmarosch und der Dobrudscha, außerdem in Südwestungarn in der sogenannten Schwäbischen Türkei, in Serbien in der Vojvodina und in der Republik Moldau. Auf dem Land und in den Städten besuchte er Menschen verschiedener ethnischer Gruppen und Konfessionen, jeden Alters, aller Bildungs- und Gesellschaftsschichten und aller Berufsgruppen.
Gaudlitz bat sie, ihren Sonntagsstaat anzulegen und nahm sie dann mit seiner Mittelformatkamera auf. Oft öffnete man ihm dafür die „gute Stube“, jenen Raum, der sonst feierlichen Anlässe vorbehalten ist (von denen fotografierte er auch einige). Bei den Aufnahmen kamen weder künstliches Beleuchtung noch Blitz zum Einsatz.
Die Porträtierten mussten eine Weile still stehen und auf den Moment der Aufnahme warten. Für die meisten eher ungewohnt: Die aufrechte Haltung löste sie aus ihrem Alltag heraus, auch wenn die Umgebung ja die ganz eigene ist. Die Kamera hielt die Menschen aus einer kaum merklichen Untersicht fest, so wir zu ihnen aufschauen. Diese respektvolle Annäherung verleiht den Porträtierten ihre Würde.
Frank Gaudlitz‘ Reise in eine andere Welt, in eine scheinbar andere Zeit gewährt Einblick in vielfältige kulturelle Traditionen. Die ethnischen und die kulturellen Geografien lassen sich nicht in die nationalstaatlichen Grenzen einordnen. Im Gegenteil: Sie ignorieren sie und vermitteln damit eine Vorstellung für ein künftiges Europa. So ist der Titel „Casa mare“ nicht nur die „gute Stube“ der Menschen, sondern im weiteren Sinne der großen kulturgeografischen Raum mit seiner Toleranz für die Vielfalt.
Frank Gaudlitz (Jahrgang 1958) studierte Fotografie bei Arno Fischer in Leipzig. Das Porträt stand von jeher im Zentrum seiner Arbeit: zu DDR-Zeiten noch Arbeiterinnen in einer Großwäscherei (1989) oder kurz danach sowjetische Soldaten während des Truppenabzugs aus Deutschland (1990 – 1994). Bekannt wurde er mit dem Projekt „Warten auf Europa“, bei dem er ebenfalls die Menschen entlang der Donau porträtierte (2006). Auf der Website von Frank Gaudlitz können wir das alles sehen.
Der Bildband zur Ausstellung: [amazon 3775724923]Frank Gaudlitz – Casa Mare[/amazon]. Hg.: Kulturforum östliches Europa; Hatje Cantz-Verlag, Ostfildern 2009.
Frank Gaudlitz – Casa Mare
Bis 26. Juni
Donauschwäbisches Zentralmuseum, Schillerstraße 1, D-89077 Ulm
+49 (0)731/96254-0, info@dzm-museum.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 17 Uhr, Montag geschlossen, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag von 11 bis 17 Uhr geöffnet, Himmelfahrt und Pfingstmontag von 11 bis 17 Uhr geöffnet
Hängen bleibt man. Und zwar an den Bildern. Und dann geht es doch weiter, direkt zu den nächsten auf seiner Website.
Danke!