Leserfoto – Out of Reach: Geschichten erzählen

Gute Fotografie erzählt auf kompakte Weise eine Geschichte, und mit Bildreihen läßt sich dieses besonders gut tun. Du hast hier ein schwarzweißes Diptychon eingereicht. Traditionell waren Diptychons sakrale Bildnisse, die man in der Mitte falten konnte. In der Fotografie handelt es sich generell um zwei Bilder, die künstlerisch eine Aussage bilden, wenn sie auch vollkommen unterschiedlich sein können.

(c) Hanzh Chang

Das Bild setzt sich aus zwei Fotografien zusammen, wobei rechts das männliche Motiv in einem urbanen Umfeld und links das weibliche Motiv in der Natur dargestellt werden.

Durch das urbane Umfeld ist der mensch isoliert und verlangt nach der Natur.Beide wollen sich die Hand reichen, sind aber bildlich getrennt und somit für einander unerreichbar. Der oftmals unerfüllte Wunsch nach Ruhe, Harmonie und Natur in der Großstadt, bedingt durch die Hektik und schnelllebige Gesellschaft, sollte dadurch verdeutlicht werden.

Settings:
Rechts
Kamera: Canon 5d MK2
Objektiv: Canon EF 24-105 F4 L auf 24mm
Verschluss/Blende: 1/50 f4 ISO500

Links
Kamera: Canon 5d MK2
Objektiv: Canon EF 24-105 F4 L auf 24mm
Verschluss/Blende: 1/200 f4 ISO320

Auf der linken Seite liegt eine Frau auf einer Wiese. Sie ist weiß bekleidet, und auch ihre sehr helle Haut hebt sich deutlich von dem dunklen, weichen Untergrund ab, auf dem sie liegt. Den Lichtverhältnissen nach zu urteilen ist es Tag. Sie sieht entspannt aus, ganz so, als schliefe sie, doch ihr rechter Arm streckt sich nach etwas oder jemandem aus, das/der sich außerhalb ihrer Reichweite befindet. Man könnte es als eine suchende oder einladende Geste interpretieren.

Auf der rechten Seite liegt im Licht einer Straßenlampe eine halbnackte, männliche Person in Embryonalstellung, den linken Arm suchend oder abwehrend ausgestreckt. Er könnte dort nach einer Auseinandersetzung zusammengebrochen sein. Das Harte der Szene wird durch die Dunkelheit und den kalten Asphalt, auf dem die Gestalt liegt, noch verstärkt. Man sieht sein Gesicht nicht. So entspannt die Frau im linken Foto ist, so verkrampft ist ihr männliches Gegenüber.

Beide Gestalten sind so angeordnet, daß sie eine Art Ying-Yang bilden. Die Dualität von weiblich und männlich setzt sich in anderen Bildelementen fort (Natur und menschgemachte, harte Umgebung etwa). Die Anordnung der beiden Personen bringt Dynamik in die Szene. Ihre ausgestreckten Arme befinden sich exakt in einer Linie. Beide suchen auf ihre Weise, obwohl sie sich in unterschiedlichen Situationen befinden, und gleichzeitig ziehen sie den anderen zu sich.

Meines Erachtens ein rundherum gelungenes Bild, das zum Nachdenken anregt.

6 Kommentare
  1. Marcus Leusch
    Marcus Leusch sagte:

    Das „Bild des Monats Oktober 2013“ … mit kleinen Schwächen, die nicht ganz zu einem so klaren wie überzeugenden Bildkonzept passen. Vielleicht müsste das Original-Foto einfach nochmal „richtig“ überarbeitet werden. Dann gäbe es auch von mir preisverdächtige 100 Punkte ;-))
    Ja, Tilman, auch diese „bescheidenen“ Fehler sollten nicht unerwähnt bleiben, als Korrektiv für den Fotografen. Das ändert ja nichts an dem hervorragenden Gesamtcharakter des Bildes! Aber vielleicht kann Hanzh die Bearbeitungsrätsel – von wegen „zweiter Hand und so … – ja doch noch entwirren??

    LG
    Marcus

    Antworten
  2. Tilman
    Tilman sagte:

    Eine wirklich gute Idee und ein interessantes Bild. Aber warum hat die Geisterhand denn vorher keiner gesehen? Ich finde sie eher lustig. Irgendwie kann ich mir auch nicht vorstellen, dass ein professioneller Fotograf so etwas übersieht.
    Viele Grüße, Tilman

    Antworten
    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Ja, da hast Du recht. Die Hand ist unsauber retouchiert. Warum ich nicht darauf herumgehackt habe? Ich versuche gewöhnlich, mich auf ein oder zwei wesentliche Dinge zu konzentrieren, manchmal könnte man nämlich Seiten schreiben, die dann keiner liest. Mir war es hier wichtiger, auf andere Dinge einzugehen – ob ich es oder ob ich es nicht gesehen habe, weisst Du ja nicht. Aber das nächste Mal werde ich auch die schlampige Retouche tulichst erwähnen. Keep me honest! :)

    • Tilman
      Tilman sagte:

      Hallo Sofie,

      Du warst eigentlich gar nicht gemeint, sondern der Fotograf selbst :-> Und ich habe mich gefragt: ist das Absicht gewesen?

      Aber vielleicht ist es beim Bearbeiten von Fotos genauso wie beim Schreiben von Texten… man überliest Fehler, selbst fehlende Wörter fallen einem nicht auf. Schade, dass Hanzh dazu nichts schreibt.

      Mit freundlichen Grüßen,
      Tilman

    • Sofie Dittmann
      Sofie Dittmann sagte:

      Ah. Ich hätte trotzdem nichts dagegen gehabt, wenn ich gemeint gewesen wäre – so habe ich dann trotzdem noch etwas nachlegen können. Das gefällt mir bei Leserbeteiligung. :)

  3. B_atrix
    B_atrix sagte:

    Ein interessantes Konzept und auch eine gelungene fotografische Umsetzung, finde ich. Mir gefallen die vielen verschiedenen Ebenen in der Gegenüberstellung – und das Verbindende.

    Was ich jedoch sehr irritierend finde, sind der Boden um die Frau (besonders rechts), der aufgrund der häufigen Wiederholung desselben Musters aus Gras und Erde stark retouchiert wirkt, sowie die doppelte Hand des Mannes (oberhalb der eigentlichen Hand taucht eine weitere – ursprüngliche Position? – auf). Das finde ich schade.

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