Stilleben: Formen brauchen keine Farben, aber manchmal Ruhe

Schwarzweiss ist seit jeher ein gutes Stilmittel für Architekturfotografie. Hier bei werden die Aussagen auf das grafische verdichtet. Jedoch sollte man das Motiv nicht ganz außer Acht lassen.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Sven Janßen).

Kommentar des Fotografen:

Die Aufnahme habe ich an einem sehr sonnigen, wolkenlosen Tag am Aasee in Münster gemacht. Die starken, geometrischen Schlagschatten verleihen dem Bild einen graphischen Charakter, den ich interessant fand.

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von Sven Janßen:

Wie Sven finde auch ich das Bild in seiner entsättigten Anmutung spannend. Die sich kreuzenden Linien, der Durchblick durch den Holzrahmen, das reflektierte Licht an der Decke das Gebäudes, die Stufen, die durch den dunklen Schatten Tiefe erlangen und zum See hinunterführen – alles gut ins Bild gesetzt.

Ich würde das Bild gerne noch noch etwas weiter von rechts aufgenommen sehen und mit einem etwas tieferen Standpunkt. Durch den Schritt nach rechts bekommen die Holzplanken des Stegs etwas mehr Dynamik, ohne den Durchblick zu verwehren. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass der Blick von einem etwas tieferen Winkel aus dem Horizont die Möglichkeit gibt, im Rahmen des Gebäudes fortgesetzt zu werden.

Dieses ist für mich noch der größte Mangel: Der Durchblick durch den hölzernen Rahmen könnte eine wirklich spannende Szene darstellen. Hier fehlt dem Foto allerdings das gewisse etwas. Ich sehe die Kirche im Hintergrund und eventuell noch etwas vom Badestrand, doch alles außerhalb des Rahmens. Schade, da die Linienführung schon direkt dahingehend angelegt ist. Sowohl vom Architekten, als auch vom Fotografen ist es doch so gedacht, den Betrachten zu diesem Punkt zu führen… und dann ist da – nichts.

Vielleicht ist ja auch wirklich nichts da, und es gibt keine weitere Möglichkeit für einen Standpunkt, doch dann sollte der Lichtbildner warten können, bis etwas passiert – oder etwas passieren lassen. Ein Boot, eine Entenfamilie, ein Badegast, irgendwas sollte sich meiner Meinung nach in dem erzeugten Rahmen abspielen.

Wenn du ein ganz ruhiges Bild erzeugen wolltest, ist es schon gut, dass dort nichts passiert, doch dafür sind wieder zu viele Umgebungsdetails vorhanden, die ablenken. Schon die kleinen Wellen auf dem See verlangen nach etwas Aktion. Wenn du diese Wasseroberfläche noch zur Ruhe bringst, zum Beispiel durch eine längere Belichtung mittels eines Neutraldichtefilters (auch Graufilter genannt) könnte das Bild noch mal ganz anders wirken, auch ohne weitere Details. Apropos Details, etwas aufblenden könnte auch noch helfen, um das Augenmerk auf die Architektur des Badehäuschens zu lenken.

Mehr Zeichnung in den Tiefen.

Ich habe das Bild noch mal kurz in Photoshop mit *Tiefen/Lichter* im Kontrast entschärft, ohne aber die Präsenz der gewünschten Schlagschatten zu sehr zu mildern. So kommt noch etwas mehr Zeichnung beispielsweise ins Holz.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Sven Hirthe
    Sven Hirthe sagte:

    Auf den ersten Blick entspannt es durch die fehlende Farbe finde ich.
    Im zweiten Moment fange ich unbewusst an das Bild genauer zu betrachten und verliere mich in den zahlreichen kleinen Details. Da der „Rahmen“ das Hauptmotiv ist würde ich mir wünschen das es präsenter ist bzw. nicht soviele Details drumherum davon ablenken. Es gibt nicht wirklich einen interessanten Mittelpunkt der das Auge zur Ruhe kommen lässt.
    Wenn es allein um die Geometrie und die Schlagschaten geht hätte ich diese eher abgedunkelt und vll. mit Tiefenunschärfe den Hintergrund „beruhigt“ wie Thomas vorschlägt.
    Grüße
    Sven

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  2. fprof24
    fprof24 sagte:

    Auf den ersten Blick ist das Foto wirklich entspannend. Aber beim näheren Betrachten wirkt es doch sehr unruhig. Das liegt wahrscheinlich wirklich an den Wellen.

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  3. Christian Loose
    Christian Loose sagte:

    Meiner Meinung nach ist das Bild zum falschen Zeitpunkt aufgenommen worden. Im Winter, wenn das Wasser gefroren ist und alles weiss ist, dann gibt’s auch weniger störendes Umfeld.

    Gruß,
    Christian

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