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Schärfenverlagerung iPhone: Eine Sache der Physik

Geringe Schärfentiefe bieten eigentlich nur sehr lichtstarke Objektive bei längeren Brennweiten – und in grossen Kameras. Der Effekt hängt nämlich auch mit der Sensorgrösse zusammen – und galt daher bisher für die winzigen Kameras in Smartphones als unerreichbar. Inzwischen schaffen sie’s doch – mit Software-Hilfe.

sttropez

Fred Germann aus Saarbrücken schreibt zu diesem Bild: Beim Sommerurlaub in St. Tropez aufgenommen, als Schnappschuss mit dem Iphone 6s mit dem Versuch der Schärfeverlagerung.

Achtung: Dies ist keine eigentliche Fotokritik. Ich fand Fred Hermanns Aufnahme einfach interessant, weil sie den Fokus (Tadaa!) auf einen grossen Unterschied der kleinen Handykameras zu den grossen Spiegelreflexkameras lenkt, den erst neue Software einigermassen zu überwinden weiss: Den Mangel der Kontrolle über die Schärfentiefe.  Weiterlesen

Leserfoto – „Die letzte Liege“: Ruhe und Dynamik

Aufnahmen mit einer starken Neigung nach links oder rechts sind generell eine Herausforderung an den Fotografen, wie auch den Betrachter.

Strandfoto aus Aegypten

(c) Lissi Gerhardt

 

Gesehen im Herbst 2013 in Hurghada, Ägypten. Aufgrund der Unruhen in den Städten bleiben die Touristen weg. chnappschuss mit dem Handy HTC Desire X
1000 x 598 Pixel Brennweite 3m Belichtungszeit 1/119 Sek.

Unser natürliches Empfinden geht dahin, waagrechte Linien waagrecht und senkrechte senkrecht darzustellen. In der traditionellen Architekturfotografie etwa ist es ein Muß, wenn man auch hier und da Kompositionen sieht, die sich bewußt darüber hinwegsetzen.

Du hast hier ein mit Deinem Handy gemachtes Foto eingereicht. Das HTC Desire X hat, soweit ich weiß, eine 5 MP Kamera, die für gelegentliche Schnappschüsse gemacht ist. Das wird hier deutlich am Rauschen, das auf dem Sand zu sehen ist; wahrscheinlich ist das Bild nachträglich aufgehellt worden, denn den Lichtverhältnissen nach zu urteilen ist es später Nachmittag/früher Abend. Auch die Pflastersteine im Weg zur Mitte hin sind verschwommen, was ich ebenfalls auf die technischen Grenzen der Kamera zurückführe. Man kann hier argumentieren, daß das ganze Bild auf etwas Distanz fast gemalt wirkt, und insofern stört es mich eher weniger.

Worauf ich mich hier konzentrieren möchte ist der extrem gekippte Horizont, zu englisch „Dutch Angle“, dieses Fotos. Ich denke, Du bist am Hotelfenster oder auf dem Balkon gestanden und hast diese Szene beobachtet. Du wolltest auch den Wächter rechts unten mit ins Bild nehmen, und so ist diese Komposition entstanden.

Die bestimmenden Linien im Foto (grün) sind gegenüber der Waagrechten (rot) extrem gekippt:

Vergleichsfoto 1

Der Hauptbildgegenstand ist hier der negative Raum, in dem der Mann mit der Liege Statist bleibt, aber auch als Kontext wirkt. Es strahlt eine trostlose Leere aus, die durch die blassen Farben verstärkt wird.

Die ganze Komposition ist aus dem Goldenen Schnitt heraus verschoben (gelb).

Goldener Schnitt

Der Blick des Betrachters wird nach unten rechts dem Weg entlang aus der Aufnahme geleitet (rosa), wo er schließlich auf den Wächter trifft.

Vergleichsfoto 2

Als Stilmittel hat ein „Dutch Angle“ in bestimmten Fällen seinen Platz, aber man muß ihn gekonnt einzusetzen wissen. Ich habe es mir über die Jahre zur Gewohnheit gemacht, andere Szenarien einer Aufnahme in Betracht zu ziehen, wenn Regelbrüche zur Diskussion stehen. Wenn ich zu dem Schluß komme, daß das Foto nur so, wie es präsentiert wird, „Sinn“ macht, ist der Regelbruch für mich gekonnt. Untenstehend eine verschlimmbesserte Version des Bildes, die eine unterschiedliche Variante der Szene wiedergibt. Es ist ein vollkommen anderes Foto, das zwar eine ähnliche Aussage hat, aber nicht halb so interessant wirkt:

Vergleichsfoto 3

Die Ruhe, die die Szene hätte, wäre sie anders eingefangen worden, paßt zur Trostlosigkeit des Bildes. Dort, wo sich Touristen unter Sonnenschirmen aalen sollten, ist niemand. Es könnte aber auch sein, daß eben am Ende des Tages alle Liegen weggetragen werden, und daß es sich um Ägypten handelt, sieht man nicht notwendigerweise. Man kann hier alles Mögliche hineininterpretieren.

Ein extrem kippendender Horizont bringt allgemein Dynamik ins Bild. Er unterstreicht im Foto angelegte Bewegung, etwa bei Autorennen. Das erzeugt hier eine kompositionelle Spannung in einem eigentlich ruhigen Foto und bring zusätzliches Interesse in die Aufnahme. Nur so macht sie hier Sinn, und ich finde den Ansatz durchaus gelungen.

Anzumerken wäre hier noch, daß ich persönlich das Thema aufgegriffen und noch weiter ausgebaut hätte. Oft kommen mir Gedanken zu Bilderreihen genau auf diese Weise: mir fällt etwas ins Auge, ich fange an, darüber nachzudenken, und ehe ich es mich versehe, bin ich dabei, das ganze fotografisch zu erkunden. Aus diesem einen Schnappschuß hätte so beispielsweise ein fotografisches Essay werden können.

 

Stadtlandschaft: Schöne Lichtstimmung stösst an technische Grenzen

Auf den ersten Blick zeigt diese Aufnahme aus Venedig eine sehr schöne Raum- und Lichtstimmung. Schauen wir das Bild aber genauer an, so erkennen wir die technischen Grenzen der Kamera.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Corinna Kohl).

Kommentar des Fotografen:

Venedig, Stadt der Kanäle, Kanalimpressionen…;)impressioni di canale

Profi Martin Zurmuehle meint zum Bild von Corinna Kohl:

Das Bild erinnert mich auf den ersten Blick an die wunderschönen Bilder von Eugène Atget (* 12. Februar 1857 in Libourne; † 4. August 1927 in Paris), der ein Paris aufgenommen hat, das es heute so nicht mehr gibt. Atget arbeitete mit einer 18×24 cm-Kamera und nahm Gassen und Stimmungen von Quartieren in Paris auf, die abgerissen oder verändert werden sollten.

Auch diese Aufnahme von Corinna Kohl erinnert an solche Stimmungen in alten, historischen Städten:

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