Buchrezension «Bedouin»: Zwischen Felsen und widrigem Ort
200.000 Beduinen leben in der Negev Wüsten in Israel buchstäblich im Abraum ihrer Existenz. Stefan Loeber hat ihr Leben eindrücklich festgehalten.
Level: | Alle |
Genre: | Fotobuch |
Benutzbarkeit*: | 8 |
Preislevel**: | €€ |
Eine aufrüttelnde Dokumentation des Lebens der Beduinen in der Negev Wüste in Israel. | |
* 1 – eher nicht, 5 – geht so, 10 – super | |
** € (sehr billig) bis €€€€€ (überteuert) |
Es gibt einen Ausdruck im Englischen, „between a rock and a hard place“, der mir in den Sinn kam, als ich die Fotos von Stefan Loeber sah. Übersetzt wird das gerne mit „in der Zwickmühle“ oder „zwischen Hammer und Amboß“. Hier schien das Bild eines Mörsers passender, denn die Menschen, die er uns auf 112 Seiten näherbringt, werden von der sie umgebenden Gesellschaft mehr oder weniger zerrieben.
Die Beduinen, eine arabische Volksgruppe, die über den Norden des afrikanischen Kontinents bis zum Sinai und in die Wüsten des Levant verbreitet ist, waren auch im Nahen Osten ursprünglich Nomaden, wurden aber nach der Gründung des Staates Israel 1948 wie die Palästinenser von ihrem Land vertrieben. Mittlerweile leben sie dort teilweise seßhaft in Städten, teilweise in illegalen Siedlungen in der Negev Wüste, wo Loebers Fotos entstanden sind.
Außenseitern gegenüber sind diese eng nach Verwandschaftsgraden und Stammeszugehörigkeit verbundenen Menschen eigentlich eher mißtrauisch (Loeber hatte wohl jemanden, der für ihn den Kontakt lokal hergestellt hat), und so war ich erstaunt, mit welcher Offenheit sie auf diesen Aufnahmen in die Kamera blicken. Es sind nach wie vor stolze Leute, wenn ihnen auch die Härte ihres Alltags bereits im Kindesalter im Gesicht geschrieben steht.
Ich fand Loebers Fotografien insgesamt ausdrucksstark und aufrüttelnd, und er hat mir einen bewegenden Eindruck davon vermittelt, wie die Beduinen in diesem Teil der Welt leben. Insbesondere die Porträts haben es mir angetan.
Was er zeigt, ist ein Pulverfaß inmitten Israels, geprägt von Häusern, die regelmäßig von der Regierung zerstört werden, weil die Beduinen keinen Eigentumsnachweis erbringen können, während neben ihnen teilweise illegale jüdische Siedlungen gebaut werden. Der Zugang zu Schuldbildung ist mangelhaft, berufliche Perspektiven keine vorhanden, gleichzeitig wird starr an Traditionen festgehalten. 200.000 Menschen, die keine Zukunft für sich sehen, leben im wahrsten Sinne des Wortes im Abraum ihrer Existenz.
Leider hat Loeber sich für eine riesige Schrifttype für den hier und da eingestreuten Begleittext entschieden, was für mich etwas distrahierend war. Auch finden sich mitten in dem ansonsten in Farbe gehaltenen Buch zwei Schwarzweißporträts, die zwar sehr gut sind, jedoch für mich nicht visuell passen. Aber alles das ist eine kreative Entscheidung, die eben nicht jedem gefallen muß. Das wichtigste sind die Bilder, und die sind so anrührend, daß man ihm alles andere ohne weiteres nachsieht.
Buchtitel: Bedouin
Autor: Loeber, Stefan
Verlag: Kerber Verlag
Erscheinungsjahr: 2015
ISBN: 978-3735602008
Listenpreis: [amazon 3735602002]Gebunden (36,00)[/amazon]
Genre: Fotobuch
Seitenanzahl: 112
Level: Alle
Über den Autor: Stefan Loeber wurde 1988 in Rosenheim geboren und studierte Fotografiedesign an der Fachhochschule München. Debutstipendium von der Stadt München, in Zusammenarbeit mit Sapir Heller (ihr Stück, „Das Bielefeld Projekt“, wurde an der Pinakothek der Moderne aufgeführt). Lebt und arbeitet in München.
[buchrezension]
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