Deutsche Börse Photography Prize 2011: Zeitgemäße Dokumentarfotografie

Jim Goldberg ist neuer Preisträger des Deutsche Börse Photography Prize 2011. Ebenfalls ausgezeichnet wurden Thomas Demand, Roe Ethridge und Elad Lassry.

[textad]Jim Goldberg: Democratic Republic of Congo. 2008. © Jim Goldberg/ Magnum Photos

Magnum-Fotograf Jim Goldberg dokumentiert Migration, Flüchtlinge, verwüstete Länder in zeitgemäßer Weise, so die Jury. Die Ausstellung aller vier Fotografien ist nach der Premiere in der Photographers‘ Gallery in London nun im Berliner C/O zu sehen.

Die Jury des Deutsche Börse-Preises war eigentlich der Meinung, dass alle vier Nominierten den Hauptpreis verdient hätten, so steht es in der Würdigung. Der Amerikaner Jim Goldberg erhielt letztlich den Vorzug für seine „zeitgemäße und einfallsreiche Herangehensweise an die dokumentarische Praxis“. Die Mit-Autorschaft der Abgebildeten liege ihm am Herzen – eine Art kreativer Zusammenarbeit, die es ihnen ermögliche, ihre eigene Geschichte zu erzählen.

Jim Goldberg, Jahrgang 1953, wurde für seine Ausstellung “Open See“ nominiert. Sein Projekt dokumentiert Erfahrungen von Flüchtlingen, Emigranten und verschleppten Bevölkerungsgruppen, die vom Krieg zerstörte, sozial und wirtschaftlich verwüstete Länder verlassen haben, um in Europa ein neues Leben zu beginnen. Der US-amerikanische Fotograf stellt Polaroids, Videos, Texte, Fundstücke sowie großformatige Fotografien von so unterschiedlichen Orten wie Bangladesch, Ukraine und diversen afrikanischen Staaten in einen Dialog. Mit dieser vielschichtigen und experimentellen Art des fotografischen Erzählens stellt er Überlegungen zu Migration und den Bedingungen dieser sehnsüchtigen Ausbrüche an. Wir finden seine Bilder auf der Website der Fotoagentur Magnum unter dem Button Photographers.

Thomas Demand: Heldenorgel, 2009 © Thomas Demand, VG Bild-Kunst, Bonn/DACS, LondonThomas Demand, Jahrgang 1964, wurde für seine Ausstellung „Nationalgalerie“ in der Neuen Nationalgalerie Berlin nominiert. Demands prägnante Bilder durchleuchten das soziale und politische Leben in Deutschland. Als Vorlage dienen oft bekannte Bilder aus den Medien, die Thomas Demand in dreidimensionalen, lebensgroßen und akribisch genauen Papiermodellen nachbaut – vom Interieur des Bonner Bundestags aus den späten Sechzigerjahren bis hin zum eigenen Kinderzimmer. Diese rekonstruierten Räume enthüllen subtil die Mechanismen ihrer Herstellung und fordern so durch den permanenten Abgleich von Erinnerung und fotografischer Wirklichkeit die Wahrnehmung des Betrachters heraus. Über diese Ausstellung Thomas Demands in der Nationalgalerie schrieben wir bei fokussiert.com schon einmal: Deutsche Bilder.

Roe Ethridge: Ballet Studio (Casia), 2009 © Roe Ethridge/ Courtesy of Greengrassi London/Andrew Kreps Gallery, New York/ Mai 36 Gallerie, ZürichRoe Ethridge, Jahrgang 1969, wurde für seine Einzelausstellung bei den Rencontres d’Arles 2010 in Frankreich nominiert. In seinem konzeptuellen Ansatz verwischt der amerikanische Fotograf die Grenzen zwischen Kommerziellem und Redaktionellem, zwischen Alltäglichem und Erhabenem – ein spielerischer Angriff auf die Traditionen und Konventionen des Mediums Fotografie. Nebenprodukte seiner kommerziellen Auftragsarbeiten präsentiert er zusammen mit seinen künstlerischen Fotografien – zum Beispiel ein Modell auf dem Laufsteg neben Stillleben von Kürbissen oder pastoralen Szenen von weidenden Kühen. Seine individuellen, jedoch flüchtigen und poetischen Zusammenstellungen von Porträts, Landschaften und Stillleben kreieren neue Assoziationen und fassen die Beliebigkeit einzelner Bilder und deren Herstellung zusammen.

Elad Lassry: Man 071, 2007 © Elad Lassry/ Courtesy David Kordansky Gallery, Los Angeles, CAElad Lassry, Jahrgang 1977, wurde für seine Ausstellung in der Kunsthalle Zürich nominiert. In seinen verführerisch-losgelösten, fotografischen und filmischen Arbeiten konzentriert sich der israelische Fotograf auf das Überfamiliäre und dessen Klischées – ob Kätzchen, ein attraktives Modell, Lippenstifte oder Eierkartons. Als Vorlage dient ihm analoges Material wie zum Beispiel Bilder aus der Werbung, die Elad Lassry in seinen Werken oft als Collagen mit neuen Studiofotografien verwendet und so auf die visuelle Sprache der Produktfotografie anspielt. Ständig oszillierend zwischen Original und gefundenem Material regt er einen Dialog zwischen Fotografie und bewegtem Bild an. So hinterfragt er Kategorisierungen und Hierarchien in der Fotografie.

Deutsche Börse Photography Prize 2011
Jim Goldberg, Thomas Demand, Roe Ethridge, Elad Lassry

Bis 26. Juni C/O Berlin . Postfuhramt, Oranienburger Straße 35/36, D-10117 Berlin
+49 (0) 30-28 44 41 661, info@co-berlin.com
Geöffnet täglich 11 bis 20 Uhr

Archiv des Deutsche Börse Photography Prize
Magnum Photos
CO Berlin

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