Foto-Abstraktion in Eis: Ein Gesicht in blau

Im Fotostudio lassen sich mit Fantasie und Ideen Abstraktionen kreieren, an deren Perfektionierung man bestens arbeiten kann.

Eis-Abstraktions-Fotografie

Gegenstand im Eis. NIKON D7000, 1/160s bei Blende 5.6 mit 105mm Brennweite und ISO 100 © Emil Licht

Emil Licht aus Sassenburg: Im dunklen Februar habe ich mit Gegenständen in Eis experimentiert, um nicht vor die Tür zu müssen.

Die Eisblöcke wurden mit 2 Blitzen und Farbfolie ausgeleuchtet.  Bei diesem Bild gefällt mir im Nachhinein das schemenhafte Gesicht oder
besser die Fratze in der unteren linken Bildhälfte.

Abstrakte Fotografie bietet den Vorteil, dass jede Betrachterin für sich entdecken kann, was sie will. Und jeder Betrachter, was ihm passt. Jedenfalls, wenn es in der Abstraktion etwas zu sehen gibt.

In dieser Farbfotografie sehen wir einen Gegenstand in blau, der sich von links unten nach rechts oben in einer durchsichtigen Masse zu befinden scheint. Dabei fällt auf, dass nicht nur Tiefen-Unschärfe für die räumliche Wirkung verantwortlich zu sein scheint.

Hättest Du hier einfach nur eine zerknüllte Folie – dafür halte ich das Objekt – im Studio fotografiert, dann hätte das wohl auch ein interessantes, aber nicht ein so fesselndes Bild ergeben. Ich glaube, der Trick mit dem Eis besteht genau darin, dass es zwar durchsichtig ist, Du aber damit eine zweite Schicht der Schärfentiefen-Steuerung, oder vielmehr einer Art Schärfentiefe-Zufall, in das Motiv einbaust.

Verblüffenderweise ist es nämlich so, dass wir auf den ersten Blick erfassen, dass hier ein Objekt in etwas mehr oder weniger Durchsichtigem eingebettet ist. Denn die rein räumlich entstehende Schärfe stimmt irgendwie nicht überall, so dass unsere Erfahrung sagt, dass da noch etwas dazwischen sein muss. Hirn und Auge geraten aus der Balance, und der Betrachter wird vom Bild gefesselt. So einfach ist das bisweilen.

Foto Eisblock Eisblock

Neue Gewichtung am Goldenen Schnitt

Es ist nahezu unmöglich, hier zu sagen, ob Du technisch alles richtig gemacht hast: Dafür gibt es in der Abstraktion keinen Massstab. Das Bild hat scharfe Stellen, wirkt plastisch und ist so belichtet, dass die Tonwerte von Weiss bis Schwarz vorkommen.

Die Komposition ist sehr dominant von unten links nach oben rechts angelegt, Du schaffst damit zwei sich gegenüberliegende Lichtflächen, die wie toter Raum wirken und für meinen Geschmack etwas zu symmetrisch sind. Will heissen, eine Ausschnittsmässige Verlagerung aus dem vermeintlichen Gleichgewicht könnte das Bild noch spannender machen.

eisblock-1-2

Wechselspiel der Elemente

Ausserdem fällt mir immer wieder der Weisse Fleck links auf, der wahrscheinlich auf eine Reflexion eines Blitzes oder sogar das Blitzlicht selbst ist. Er lenkt mich zu sehr ab,  indem ich hinter dem hellblauen Material etwas zu vermuten anfange.

Ich habe ihn deswegen weggeklont, um das ganze Leck am linken Bildrand zu eliminieren; ich habe ausserdem das Bild oben leicht beschnitten, in eine Seitenverhältnis nahe der 16:9 gebracht und damit meiner Ansicht nach die beiden „Punkte des Interesses“, nämlich das von Dir erwähnte „Gesicht“ und den Knorpel oben rechts, betont und in eineBeziehung gebracht.

Ich finde das Bild jedenfalls sehr gelungen und würde gerne mehr aus der Serie sehen. Es ist Dir gelungen, eine Abstraktion zu kreieren, mit der man unzählige Möglichkeiten durchprobieren und damit wohl immer wieder ganz neue Ergebnisse erzielen kann. Und im etwas breiteren Format sieht das dann aus wie ein Gesicht, oder ein Planet, oder ein Szenenbild aus einem Science-Fiction-Film, oder… Der Wert der Abstraktion zeigt sich immer dann, wenn alle etwas damit anfangen können, weil jeder damit im Kopf macht, was er will.

Lichtfleck eliminiert, flacher geschnitten.

Lichtfleck eliminiert, flacher geschnitten.

4 Kommentare
  1. Emil Licht
    Emil Licht sagte:

    Vielen Dank für die Besprechung und die wertvollen Verbesserungsvorschläge.
    Die Experimente werde ich sicher bei Gelegenheit fortführen. Aus der Serie gefällt mir nur noch dieses Bild,
    in dem ich ebenfalls ein Gesicht erkenne.

    Antworten
  2. Winterlicht
    Winterlicht sagte:

    Ein sehr interessantes Bild und ein sehr lehrreiche Besprechung für mich. Ich persönlich mag abstrakte Fotografie, kann aber immer nur sagen „mag ich“, „mach ich nicht“ – ich kann selten objektiv begründen warum es so ist.

    Und so kann ich hier z. B. ganz klar sagen, dass mir die Version von Werner besser gefällt. Das liegt aber nur an den Farben. Es sieht für mich harmonischer aus. Ich kann die Strukturen besser erkennen, weil die Farbe neutraler und nicht so dominant wie das Blau ist.

    Aber eine interessante Idee! Ich muss mal überlegen, was man denn noch alles interessantes einfrieren kann. Bei dem derzeitigen Sommer brauche ich mir auch keine Sorge wegen zu schnellen Tauens beim Fotografieren machen … ;)

    Gruß, Annett

    Antworten
  3. Werner
    Werner sagte:

    Das ist mal wieder so ein Bild, an dem man sich „totspielen“ könnte, weil es unendliche Variationsmöglichkeiten bietet.
    Ich hab´ auch mal versucht, eine mögliche Variante zu finden. Das soll aber keine Abwertung des Originals sein.

    Gruß
    Werner

    Antworten

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] eben genau darin, einen Ausschnitt, eine Komposition zu finden, die eine aussagekräftige oder eben einfach nur eine interessante Ansicht bietet. Du wolltest keine Reportage fotografieren, sondern Du bist auf der Jagd nach interessanten Details. […]

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert