Gute Aussichten 2011/2012: Der Schnitt als Verbindung

„Gute Aussichten – Junge deutsche Fotografie“ präsentiert in der neuen Auswahl 2011/2012 sieben Preisträgerinnen und Preisträger. Der „Schnitt“ in des Wortes vielfältiger Bedeutung erweist sich als verbindendes Element, so die Jury.

[textad]Foto Johannes Post, Inform, www.guteaussichten.org

Die Jury hat diese Sieben aus 95 Einsendungen von 36 Institutionen ausgewählt, alles Hochschulen für Fotografie oder Kunstakademien. Die Auswahl will eine Zusammenschau dessen zeigen, was im letzten Jahr an junger Fotografie entstanden ist.

Foto Sebastian Lang, Behaviour Scan, www.guteaussichten.orgSebastian Lang (HBK Braunschweig) beleuchtet in seiner seriellen Arbeit „Behaviour Scan“ in dem von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) als bundesdeutsche Norm eingestuften Dorf Haßloch in der Pfalz den vermeintlichen deutschen Durchschnitt.

Er offenbart dabei, wie Büro von Gute Aussichten mitteilt, verblüffende Details, die den gehegten Wunsch nach dem repräsentativen – und somit berechenbaren – Querschnitt der Gesellschaft ab absurdum und uns in eine fast gespenstische Realität führen.

Christian Karl Gerhartsreiter führte 30 Jahre lang u.a. als Clark Rockefeller in den USA ein Leben als Hochstapler, bis er im Jahr 2008 vom FBI entlarvt wurde.

Foto Sara-Lena Maierhofer, Dear Clark, www.guteaussichten.orgSara-Lena Maierhofer (FH Bielefeld) folgt in ihrem Zyklus „Dear Clark“ seinen Spuren und erzählt in 66 Bildern und einem Objekt die Geschichte seines Lebens. Zugleich wagt sie eine phänomenologische Betrachtung der Gestalt des Hochstaplers, die zu kleinen Teilen in jedem von uns schlummert.

Kurzerhand durchschnitten hat Johannes Post (HfbK Hamburg) in „Inform“, was er und wir so am Leib tragen: Unsere Kleidung – die Uniform. 36 Bild-Querschnitte angeordnet in zwei großformatigen Tableaus mit je 18 Abbildungen zeigen unsere „zweite Haut“, wie wir sie noch nie gesehen haben – fotografisch-surreale, modische Schnittmuster einer ganz und gar neuen Art.

Den beiden großen zerstörerischen Einschnitten der Stadt Dresden – der Luftangriffe durch die Alliierten im Februar 1945 und der Jahrhundertflut vom August 2002 – ist Luise Schröder (HGB Leipzig) in „Arbeit am Mythos“ auf den Grund gegangen. Künstlerische Antworten auf die Fragen, wie die Wahrnehmung von Geschichte entsteht, wie Erinnerungen konserviert werden und wo die Schnittstellen von Wahrheit und Mythos liegen könnten, erarbeitete Luise Schröder sich in sieben Archiv-Prints, einem Video und einer Zeitung.

Foto Miriam Schwedt, ohne Titel, www.guteaussichten.orgGanz dem Zufall verschrieb sich Miriam Schwedt (Kunstakademie Düsseldorf) in ihrer fünfteiligen, aus 20 Einzelmotiven bestehenden Arbeit ohne Titel. Die Schnittmenge ist dabei nicht nur die Verfremdung der Wirklichkeit, sondern auch jene Bildpoesie, die aus dem Herstellungsverfahren herrührt.

Foto Julia Unkel, Im Angesicht, www.guteaussichten.orgUm Abschnitte, Zuschnitte und irgendwann den Aufschnitt ganz anderer Art geht es Julia Unkel (FH Dortmund) in ihrer Arbeit „Im Angesicht“. Sie hat Schlachthöfe und Schlachtereien besucht und dokumentiert auf beinahe erschreckend klinisch-saubere Weise in elf Fotografien und einem Buch das blutige Geschäft der Fleischindustrie ohne jeglichen sichtbaren eigenen Kommentar.

Auf die Suche nach Schnittflächen bzw. Flächenschnitten hat sich Franziska Zacharias (HGB LEIPZIG) in ihrer Serie „Le Noire Familier“ begeben. Mit Hilfe eines selbst gebauten Modells und der Fotografie erschafft sie fünf großformatige Bildräume, die sowohl als Räume wie auch als abstrakte Bilder gelesen werden können.

Die Initiatorin von „Gute Aussichten“, Josefine Raab, sagt über die diesjährige Auswahl aus der jungen deutschen Fotografie:

„In der wie immer mit Spannung erwarteten Sitzung konnten wir beobachten, dass sich die bereits im letzten Jahr hervorgetretene Tendenz, das Medium Fotografie ebenso experimentell wie spielerisch und ungezwungen einzusetzen, in diesem Jahr fortgesetzt hat. Das fotografische Erbe der Bild prägenden Schulen führt bei den Nachwuchsfotografen zu einer phantasievollen Erkundung und Erweiterung ihres Instrumentariums. Die Konstruktion von Bildern bleibt nach wie vor ein großes Thema, wobei die totale Inszenierung von Bildwelten mit den unterschiedlichsten Mitteln in den Vordergrund gerückt ist. Weiterhin virulent ist die Auseinandersetzung mit politischen, gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Themen unserer Zeit und hat – zumindest vorläufig – die narrative Selbstbestimmungs- und Selbstverortungsthematik in den Hintergrund gedrängt.

Bei „Gute Aussichten“ gibt es keine Siegertreppchen, kein Preisgeld, keine Rangliste, sondern einfach „nur“ Gewinnerinnen und Gewinner. Die Ausstellung mit deren Arbeiten tourt jetzt durch ganz Deutschland und auch ins Ausland.

Den Auftakt macht das Museum für Fotografie in Berlin, wo die Bilder bis 29. Januar 2012 zu sehen sein werden. Danach geht’s unter anderem nach Washington DC, nach Innsbruck, nach Hamburg, Straßburg oder Köln. Alle Infos dazu und Bilder der Preisträger finden sich auf der Website von „Gute Aussichten“.

Gute Aussichten
Museum für Fotografie Berlin

1 Kommentar
  1. Xeon
    Xeon sagte:

    Das ganze klingt sehr interessant und es sind einpaar Biler dabei die ich mir sehr gerne mal ‚Live‘ anschauen würde. Leider st Köln soweit von Stuttgart entfernt T_T Würde mich interessieren ob die Ausstellungen erfolgreich verlaufen werden. Wünschen würde ich es mir schon. Junge Künstler kann man nie genug haben =)

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