Julius Shulman: Architektur-Ansichten

Das abendliche Los Angeles setzt sich im Fenster eines Hauses scheinbar fort. Eine Fotografie von Julius Shulman, der als einer der bedeutendsten Architekturfotografen gilt.

[textad]Julius Shulman/Jürgen Nogai: Blue Jay Way House, Los Angeles, 2006, Architekt: Zoltan Pali © J. Nogai

Julius Shulmans „Ansichten“ von der Architektur prägt das Genre bis heute. In diesem Oktober wäre er hundert geworden, sein Lebenswerk wird aktuell in Mannheim gezeigt.

Julius Shulman wurde mit Aufnahmen aus der Nachkriegszeit und der Kennedy-Ära bekannt. Er arbeitete für die herausragenden Architekten dieser Zeit und definierte einen vorher nicht gesehenen Stil der Architekturfotografie: Shulman ging über die sonst übliche reine Dokumentation hinaus. Stattdessen wollte er die Betrachter zum Träumen bringen und sie so für Eleganz und Schönheit des modernen Bauens begeistern.

Julius Shulman: Case Study House 22, Architekt: Pierre Koenig, Los Angeles, 1960 © J. Paul Getty Trust

Seine Bildikonen aus den Vierziger-, Fünfziger- und Sechzigerjahren prägen bis heute unsere Vorstellung von der amerikanischen Moderne. Die Gebäude von Richard Neutra, Pierre Koenig oder Frank O. Gehry wurden damit bekannt. In den Siebzigerjahren hatte sich Shulman sich nach und nach aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Aber in dem Jahrzehnt vor seinem Tod im Jahr 2009 nahm er mit seinem Partner Jürgen Nogai die Fotografie wieder auf (Website von Jürgen Nogai). So sehen wir in Mannheim auch seine neuen Bilder, die in Europa bisher nicht ausgestellt waren.

Nichts an den Bildern ist Zufall, alles ist bewusst konstruiert. Julius Shulman erweiterte das traditionelle Bildverständnis der Architekturfotografie zum Beispiel dadurch, dass er Personen arrangierte. Als Figuren illustrieren sie, wie sich der Fotograf die Nutzung der Räume vorstellt – und gliedern zugleich das Bild. Wie ein Regisseur positionierte Shulman die Menschen in den Räumen. Im Lauf der Zeit entwickelte er eine immer ausgefeiltere Lichtdramaturgie. Sein differenziertes Spiel mit Licht war eines dieser Mittel, die die Bilder von Gebäuden mit Atmosphäre aufladen. Außerdem war er einer der ersten, die Architektur nachts fotografierten.

Julius Shulman: Founders National Bank, Oklahoma, 1964, Architekt: Robert Bowlby © J. Paul Getty Trust

Die Architekturfotografie gehört damals wie heute zur angewandten Fotografie. Zu den Auftraggebern zählen Architekten, Zeitungen, Magazine und Bauherren. Shulman musste deren Anforderungen genügen, aber die Besonderheiten der Bauten aufspüren und darüber die Leser begeistern.

Bestimmende Grundlage von seiner Bilder war die kompositorische Ordnung. Shulman beschrieb seine Vorgehensweise mit den drei Begriffen „Übersetzen – Transformation – Transfiguration“. Er suchte nach der „idealen Darstellung“.

Das „Case Study House“ des Architekten Pierre Koenig gilt als Julius Shulmans berühmteste Fotografie. Hier inszeniert er den Lebensstil und das Lebensgefühl Kaliforniens: zwei elegant gekleidete Frauen im Gespräch in einem hoch aufragenden Glaskubus, dahinter ein Ausblick über die Stadt in der hereinbrechenden Dämmerung.

Alle von Shulman eingesetzten Stilmittel greifen hier ideal ineinander. Die Aufnahme bietet nicht nur ein Paradebeispiel seiner Integration von inszenierten Figuren, sondern auch der gezielt eingesetzten Lichtstimmung und der Konstruktion des Bildraums.

Julius Shulman/Jürgen Nogai: Freeman House, Santa Monica, 2007, Architekt: Richard Neutra (Peter Grueneisen) © J. Nogai

„Cool and Hot“ heißt die Ausstellung mit über 220 Fotografien im Zephyr, dem „Raum für Fotografie“ der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen. „Coolness“ und „Eleganz“ der Arbeiten sollen damit ausgedrückt werden – die klare Komposition einerseits und und die stimmungsvolle Atmosphäre andererseits.

Ausstellungskatalog: Julius Shulman, Cool and Hot, ISBN 978-3-927774-35-3. Es gibt auch einen Bildband mit den Fotografien aus Shulmans letztem Lebens-Jahrzehnt: [amazon 3868281592]Julius Shulman – The last decade[/amazon] (in englischer Sprache), Kehrer-Verlag Heidelberg.

Julius Shulman – Cool and Hot
Bis 27. Februar 2011
Reiss-Engelhorn-Museen, Zephyr – Raum für Fotografie, Museum Bassermannhaus für Musik und Kunst C4,8, D-68159 Mannheim
+49 (0) 621-293 3150, reiss-engelhorn-museen@mannheim.de
Geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 – 18 Uhr, an Feiertagen 11 – 18 Uhr (außer Heiligabend und Silvester).

Julius Shulman bei Wiki
Jürgen Nogai
Zephyr – Raum für Fotografie
Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

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