Teufelsmauer-HDR: Warum soviel Aufwand?

Ein grossartiges Landschaftsmotiv wird fotografisch  mit erweitertem Kontrastumfang nicht unbedingt besser. Im Gegenteil: bisweilen wird der gute Eindruck durch Artefakte zerstört.

teufelsmauerhdr

Canon EOS 1100D, 1/40 s, F/3.5, 18mm, 100ISO © Tino Zeidler

Tino Zeidler aus Quedlinburg schreibt zu diesem Bild: Motiv bildet hier eine Sandsteinformation aus dem Harzvorland, die „Teufelsmauer“. Aufgenommen zum Sonnenuntergang kurz vor der blauen Stunde. Entstanden ist das Bild als eine HDR-Belichtungsreihe aus 6 Bildern über einen Zeitraum von ca 5 Minuten. Die Tonwerte wurden speziell auf diesen mythischen/sagenumwobenen Ort abgestimmt.

Als begeisterter Landschaftsfotograf finde ich Deine Aufnahme auf den ersten Blick bemerkenswert. Ich hätte ein paar Verbesserungs… ähm. Und dann sehe ich die Artefakte und die Farbsäume und frage mich: Was ist denn hier passiert?

Wir sehen in dieser Farbfotografie eine Felsformation, die vor einer Ebene aufragt – es scheint Abend zu sein, die Sonne ist soeben untergegangen, der Himmel ist rot und von zu uns reichenden blaugrauen Schleierwolken überzogen. Vor dem einige Meter in den Himmel ragenden Felsdorn scheint ein Weg durchzuführen, der in die rechte unter Bildecke reicht, links ist vordergründig ein Gebüsch zu sehen, dahinter ragt, in einigen dutzend Metern Entfernung, eine weitere Felsnadel auf.

Die Drittelsregel

Die Drittelsregel

Der Goldene Schnitt

Der Goldene Schnitt

„Das jüngste Gericht“ ist der Titel Deiner Aufnahme, und das hat hoffentlich nichts mit Deiner Einschätzung unserer Kritiken zu tun. Spass beiseite: Du kreierst hier einen romantischen Look, der schon fast barock wirkt und durchaus religiösen Malereien ähnelt. Ich habe das Motiv in Google nachgeschlagen und bin der Meinung, da unbedingt mal hinfahren zu müssen. Dass Du die Teufelsmauer aus einem etwas anderen Winkel inszeniert hast als die meisten, die dort fotografieren, ist ein weiteres gutes Zeichen: Du hast eine klare Absicht verfolgt und umgesetzt.

Zweifel habe ich dabei nur an der Technik, die Du verwandt hast, respektive an der Menge der Technik. 6 Bilder, über fünf Minuten? Wieso das denn? HDR verlangt mehr als eine Aufnahme, einverstanden – es geht darum, die Schattierungen von ganz dunkel bis ganz hell in den Kontrastbereich einer Fotografie zu kriegen, und weil diese Schattierungen in der Natur weiter auseinanderliegen, als die Sensoren (und früher der Film) unserer Kameras erfassen kann, macht man ein Bild, das etwas unterbelichtet ist, dafür aber alle hellen Werte enthält und eines, das überbelichtet ist, aber alle Schattenwerte erfassen kann. Und dann verschmilzt man diese beiden Bilder. Oder eben drei, oder vier, wenn es denn nötig ist. Oder man arbeitet mit einer einzigen RAW-Aufnahme. Der HDR-Experte David Kaplan hat hier bereits erklärt, was alles geht.

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Aber sechs? Und wieso über fünf Minuten? In dieser Zeit verändert sich das Licht, also kann man vielleicht verschiedene Looks des Felsen in einen synthetisieren. Zugleich aber passiert am Himmel mit den Wolken soviel, dass Du in Schwierigkeiten gerätst, das zusammenzufügen.

Problemzonen: Farbaberrationen, Artefakte, Lichtscheine.

Problemzonen: Farbaberrationen, Artefakte, Lichtscheine.

Genau das ist hier passiert: Du hast Farbsäume („Chromatische Aberrationen“) an der Felsnadel, Lichtscheine an den Kanten, sehr, sehr gut sichtbare Artefakte in den Wolken und dergleichen mehr. Das auf den ersten Blick so opulente Bild wird zu einer Sammlung an technischen Überzeichnungen, die den an sich so starken Eindruck massiv trüben.

Die Flächenaufteilung

Die Flächenaufteilung

Meine Frage ist nochmals: Wozu? Du hast eine wirklich gute Komposition in diesem Bild, Du hast eine grossartige Wetterlage, genug Licht, um mit zwei Aufnahmen jede Schattierung zu erfassen, die Du später in Lightroom allenfalls durch abwedeln aufhellen möchtest – warum also so viele Aufnahmen über einen so langen Zeitraum mischen?

Zu viele begeisterte Digitalfotografen denken, viel Technik hilft viel. Das ist, mit Verlaub, Quatsch. So viel Technik wie unbedingt nötig ist, um Dein Ziel zu erreichen, hilft am meisten. Denn egal, wie gut Du bist in Photoshop: jeder zusätzliche Eingriff erhöht die Gefahr von Artefakten, von sichtbaren Mängeln, von Problemen beim Druck des Bildes.

Ich habe deshalb HDR fast gänzlich aus meinem Repertoire verbannt. Aufnahmen wie diese sind mit einer modernen Kamera (namentlich mit den neueren [amazon B00LI3UC24]Nikon-SLRs[/amazon] und den Sonys) in RAW problemlos machbar, ohne dass eine zweite, dritte oder vierte Aufnahme nötig wäre, um fast das ganze Kontrastspektrum abzubilden.

Und wenn Du dann auch noch den übertriebenen HDR-Helligkeitswahn umgehst, was Du hier löblicherweise getan hast und durchaus dunkle, ja sogar zeichnungsfreie Stellen im Bild behältst, kannst Du den Aufwand der vielen Belichtungen doch weitgehend sparen.

Enger geschnitten, Tiefen angehoben.

Enger geschnitten, Tiefen angehoben.

Abgesehen davon finde ich, wie gesagt, die Komposition sehr ansprechend, auch wenn ich den Hauptfels etwas mehr nach rechts gerückt und damit ein etwas grösseres Ungleichgewicht geschaffen hätte, ausserdem halte ich den Horizont für verkippt (ich weiss nicht wieso, und Beweise gibt es keine, aber ich habe ihn „gerade gerückt“). Und das Motiv werde ich wohl mal besuchen müssen.

5 Kommentare
  1. dierk
    dierk sagte:

    Das Bild
    „Die Tonwerte wurden speziell auf diesen mythischen/sagenumwobenen Ort abgestimmt.“
    Es tut mir leid, aber ich finde die Stimmung eher zu süßlich und nach Postkarte.
    Der Ausschnitt in dem letzten Beispiel von Peter gefällt mir als Bild besser, weniger Himmel und langweiligen Vordergrund.
    Ich wäre sicher noch dichter an den Fels herangegangen und hätte ihn dominierend in den Vordergrund genommen.

    Die Technik
    was ich nicht verstehe: du trägst eine DSLR mit Stativ dort hin, dann der Aufwand mit Braketing und der nachfolgenden Bearbeitung – und dann wählst du das schlechteste Dateiformat?

    HDR mit dem Abstand von Minuten habe ich noch nie gesehen. So wird es eine Mischung aus HDR und Langzeit. Die bewegten Wolken solltest du auf keinen Fall einer HDR Automatik überlassen, sondern selbst eingreifen.

    Braketing für HDR habe ich sehr lange gemacht, habe in den letzten Jahren dank der neueren Sensoren aber immer öfter festgestellt, dass das Bild meistens aus einer Belichtung zu machen ist. Abgesehen von extremen Situationen wie z.B. Innenaufnahmen von Kirchen(fenstern).

    Da mir S/W mehr liegt, hätte ich dieses Motiv sicher auch lieber in S/W konzipiert.
    hier wird ein ähnliches Bild mit HDR gemacht (leider viel BlaBla drum herum)
    https://www.youtube.com/watch?v=V4iwX033qi8

    oder Ansel Adams ist natürlich die besten Inspiration :-)
    https://www.youtube.com/watch?v=f-EW6dECIoU

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  2. Sabine Münch
    Sabine Münch sagte:

    Hallo Peter,
    mein Eindruck von der 810 ist, sie rauscht allein schon aufgrund der hohen Pixelzahl nicht so wenig und nicht erst bei extrem hoher ISO. Aber ich werde jetzt verstärkt nochmal drauf achten.
    Schönes Wochenende, Sabine

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  3. Tilman
    Tilman sagte:

    Hallo Peter, toller Artikel, danke dafür. Nur eine kleine Anmerkung zu Deinem Vorschlag mit dem RAW Format. Klar, man kann das Bild unterbelichten, und dann die unterbelichteten Zonen aufhellen… Allerdings bei diesem Motif… wäre der Fels dann wirklich schon sehr dunkel. Und beim Aufhellen wird dann das Rauschen extrem verstärkt, das im RAW Format genauso vorhanden ist wie im JPG. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass das hier funktioniert. MfG, Tilman

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    • Peter Sennhauser
      Peter Sennhauser sagte:

      Klar, das hängt von Lichtverhältnissen und Kamera ab. Meine D810 zeigt erst bei extrem hohen ISO-Werten sichtbares Rauschen. Mir ging’s auch mehr darum, dass mit RAW ein weit grösseres Kontrastpektrum im Bild enthalten ist als mit JPG. Eine Belichtungsreihe mit einer Blende Unterschied auf JPG aufzunehmen, macht deswegen wenig Sinn.

    • Tilman
      Tilman sagte:

      Peter, RAW ist ja einfach nur, dass der Helligkeitswert direkt nach seiner Umwandlung in einen digitalen Wert abgespeichert wird. Und das mit einer höheren Auflösung (12 Bit) als das JPG Format (8 Bit). Deswegen sind eigentlich logischerweise bei einer Belichtungsreihe mehr Stufen bei JPG nötig als bei RAW. Oder habe ich Dich falsch verstanden?
      @Sabine Mit der Pixelzahl hat Rauschen eigentlich nichts zu tun… es sei denn, man verwendet Techniken wie das Zusammenschalten von Pixeln (EXR CMOS von Fuji), welches das Rauschen verringert.

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