Touristenbild: Dem Zweck entsprechend

Ein Touristenfoto muss nicht unbedingt perfekt komponiert oder beleuchtet sein; das Wichtigste ist, dass es die Erinnerungen festhält, die Du mit Deiner Reise verbindest.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Anna-Lena Schleiss)

Kommentar der Fotografin:

Aufgenommen in Victoria, B.C., Kanada, vor einigen Wochen. Ich habe das Bild mit Photoshop bearbeitet und einige störende Köpfe im unteren Bereich wegretuschiert sowie einen Rahmen hinzugefügt.

Profi Douglas Abuelo meint zum Bild von Anna-Lena Schleiss:

Ich habe viel über dieses Foto und das, was es repräsentiert nachgedacht, bevor ich mich entschieden habe, etwas darüber zu schreiben. Denn ich halte es für ein Touristenfoto, ein Foto, das für jemanden, der eine Reise gemacht, hat eine schöne Erinnerung darstellt, und mehr nicht. Was aber heisst das, und woran ist es zu erkennen?

Im Grunde ist dies ein Bild, das für niemanden abgesehen vom Fotografen von Interesse ist. das klingt aber viel zu negativ. Es ist nämlich so, dass ein photographisch anspruchsvolleres Bild den Zweck der Erinnerung möglicherweise schlechter erfüllt.

Wie ich bereits in vergangenen Kritiken erwähnte, bedienen verschieden Fotos verschiedene Ansprüche.

Es wäre unangebracht, den Schnappschuss eines Touristen mit dem Foto eines Künstlers zu vergleichen, der für seine Aufnahme umfassende Recherche betrieben hat. Es würde genauso wenig Sinn ergeben, eines dieser Bilder mit einem Landschaftsfoto zu vergleichen, in dem es hauptsächlich um Ästhetik geht. Auf Reisen machen auch die berühmtesten Fotografen bisweilen Aufnahmen ihrer Familie vor der Umgebung, bei denen es in erster Linie um die Erinnerung geht.

Wenn wir dieses Foto hier nun also als Erinnerungsfoto ansehen, was könnten wir darüber sagen?

Zunächst ist festzustellen, dass es in diesem Kontext so, wie es ist, durchaus okay ist. Es erinnert uns daran, dass an diesem Tag der Reise strahlend blauer Himmel war, dass wir nahe an einem See waren, und dass wir einen Totempfahl sahen, der von nordamerikanischen Indianern geschnitzt wurde. Für solche Bilder ist der Inhalt am wichtigsten, die Ästhetik, die Komposition und die Aussage treten in den Hintergrund.

Wollen wir jedoch Touristenfotos machen, die auch für andere von Interesse sind, sollten wir bei der Komposition ansetzen. Hier ist die Komposition schlichtweg rein nutzungsbezogen: Sie zeigt den Pfahl und den Hintergrund, das Objekt zur Betrachtung und den Hintergrund als Erinnerung.

Das ist nicht „gut“ oder „schlecht“, sondern es dient einem Zweck: Alle Elemente des Bildes transportieren Information, die für Dich, die Du die Reise unternommen hast, später von Bedeutung sein dürften.

Ein ästhetischer, künstlerischer Ansatz verfolgt ganz andere Ziele. Information tritt dabei häufig in den Hintergrund.

Alternativen mit einem eher gestalterischen Ansatz wären zum Beispiel:

Du hättest sehr nahe an den Totempfahl herangehen können, um ihn dann von unten mit nichts als dem blauen Himmel im Hintergrund zu fotografieren.

Oder vielleicht hättest Du auch den ganzen Pfahl aufnehmen können, indem Du mit einem kleineren Blendenwert den ablenkenden Hintergrund unscharf abgebildet hättest.

Willst Du ein beeindruckendes Foto schaffen, das vielleicht weniger mit Deiner Reise zu tun hat, aber dafür als allein stehendes Bild grosse Wirkung erzeugt, dann solltest Du Deine Planung genau überdenken.

Wolltest Du aber einfach nur die Erinnerung Deiner Reise festhalten, dann schliesst diese Komposition wahrscheinlich alles ein, was Du als „Notizen“ von deiner Reise haben wolltest, und es gibt keinen Grund, mit Deinem Foto unzufrieden zu sein.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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  1. […] künftig meinen Schnappschuss sieht, weiss nun, was ich bei meiner letzten Fahrt mit zwei Klassen, deren Lehrer […]

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