Unterwasserfoto: Trojanische Kreativität

Wem gebührt das Lob für die kreative Leistung einer Fotografie? Anhand dieses Fotos aus dem SeaLife München lässt sich das gut diskutieren.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Christian Steiner).

Kommentar des Fotografen:

Nach einem schönen Tag im SeaLife München ist dieses Bild „Trojan Horse“ entstanden. Kurz vor dem Ausgang war dann das größte Becken des SeaLife zu sehen. Ein unscheinbares Fenster direkt vor dem Ausgang bot mir dann diesen Blick. Ich wollte unbedingt diese Perspektive festhalten. Das Licht von oben, das Blau des Wassers, die Luftblasen, die Tiere, die im Becken schwammen, und natürlich das riesige Holzpferd. Die meiste Zeit von meinem Besuch im SeaLife habe ich wohl genau an diesem Fenster verbracht. Ich hatte Glück, dass dieses Fenster nicht so stark gebogen war. Da das Fenster nicht besonders groß ist und man keine Möglichkeit hat, ein paar Schritte zurückzutreten, musste ich direkt an das Fenster ran, um das Pferd komplett ablichten zu können. Genau hier war ich richtig froh, dass mein Canon 50mm f1.4 an meiner Canon 5D Mark II genau den richtigen Bildausschnitt hatte. Mein Freund, der auch dabei war, hatte mit seiner Canon 50D und dem 50mm f1.8 weniger Glück. Der Bildausschnitt an seiner Kamera war zu eng. Da mich dieses Pferd an das Holzpferd von Troja erinnerte, benannte ich das Bild dementsprechend.

Profi Robert Kneschke meint zum Bild von Christian Steiner:

Eine Szene wie aus einem Märchen. Nein, genauer, wie aus einer Geschichte aus längst vergangenen Zeiten. Sofort beim Anblick musste ich an das trojanische Holzpferd denken; mittlerweile versunken auf dem Meeresgrund, wartet es auf die Entdeckung durch den Fotografen.

Es ist ein gutes Bild, weil es eben bei den meisten Betrachtern die Geschichte vor dem inneren Auge ablaufen lässt. Außerdem ist es ein seltenes Motiv, und diese Art der Unterwasseraufnahme kann auch nicht jeder Fotograf einfach in der heimischen Badewanne oder beim Tauchurlaub nachmachen.

Der Lichtfall von oben schräg nach rechts beleuchtet genau das versunkene Pferd, was eindeutig das Hauptmotiv im Bild ist. Die passende Würze bringen jedoch die vielen Fische und anderen Meeresbewohner, die mit ihrem Gelb zum einen für den farblichen Kontrast sorgen, zum anderen im Gegensatz zum toten Pferd auch etwas Leben und Bewegung ins Bild bringen.

Trotzdem behält das Foto einen schalen Beigeschmack. Deinem Kommentar nach entstand das Foto beim Besuch des SeaLife München, wo der Blick ins riesige Aquariumbecken durch ein Fenster eigentlich nur diese ein Perspektive ermöglicht.

Die meisten Punkte, die ich oben gelobt habe, die Komposition, das Zusammenspiel aus Pferd und Fischen und die Positionierung des Lichts sind also streng genommen keine Leistungen des Fotografen, sondern des Architekten und der Planer des SeaLife, die mit ihrer Bauweise sehr wahrscheinlich genau diesen Effekt erzielen wollten, der letztendlich auf dem Foto zu sehen ist.

Das Foto und das Motiv wird dadurch nicht schlechter. Überlegenswert ist nur, wie viel Lob für die kreative Leistung dem Fotografen gebührt und wie viel den SeaLife-Verantwortlichen. Das ist vergleichbar mit Ergebnissen eines Foto-Workshops, wo der Workshop-Leiter das Licht gesetzt und die Models gebucht, die Stylisting die Models bekleidet und geschminkt hat und die Fotografen nur noch auf den Auslöser drücken mussten.

Auch dabei bleibt einiger Spielraum für Kreativität – aber in einem bereits vorgegebenen, hochwertigen gestalterischen Rahmen, der nicht das Verdienst des Fotografen ist.

In der Rubrik „Bildkritik“ analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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