Abstrakt oder konkret: Das Auge fesseln

Einfache, klare Linien oder komplexe Bezüge von Flächen und Licht machen nicht selten bereits ein gutes Bild – vor allem in Schwarz/Weiss. Häufig entpuppt sich die Bildidee nach der Umsetzung aber als zu schwach.

Manfred Huszar
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Manfred Huszar). – Olympus E-400 – 1/320s – f/8 – ISO 100 – 29mm (58mm)

Kommentar des Fotografen:

Eine banale geöffnete Schranke, oder nicht doch ein Zeichen dafür, dass es einmal verboten war diese Dinge dort zu tun, und es einfach vergessen wurde, wie so vieles, diese eine Schranke wieder zu schließen.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Manfred Huszar:

Ich beneide Fotografen, die ein Auge für einfache Bilder haben. Häufig machen einfache Licht/Schattenspiele oder eben Farbkontraste die besten Fotografien. Diese Motive muss man nicht nur erkennen können, sondern auch noch den Mut haben, sie abzulichten.

Aber manchmal reicht das eben nicht ganz:

Diese Aufnahme bietet nicht genug, um lange hinzusehen.

Die Komposition folgt einigen Grundregeln – Diagonale aus einer Ecke, angenehm gebrochen dadurch, dass sie nicht in die gegenüberliegende Ecke verläuft; die 2/3-Regel wird mit der Fläche links oben gegenüber jener rechts unten einigermassen befolgt. Der Kontrast der Rostfarbe zum blauen Himmel rechtfertigt die Farbaufnahme.

Aber nicht das ganze Bild.

Wenn es nur um den Farbkontrast ginge, müsste die Reduktion weiter auf die Spitze getrieben werden – sonst lenkt das Verbotsschild nur ab. Überhaupt macht das Schild ein Versprechen, das es nicht einlösen kann: Es steht klar im Zentrum der Aufnahme – meiner Ansicht nach zu sehr im Mittelpunkt – aber nachdem ich es gelesen habe, ist das Bild „fertig“ – es hat nichts mehr zu bieten, es führt mich nicht weiter, es lässt mich da oben, auf halber Höhe der Schranke, im Himmelblau hängen.

Das müsste nicht sein.

Es hätte sich mit einer andern Komposition oder einer andern Technik umgehen lassen: Blende 8 und eine relativ frontale Aufnahme ebnen das Bild vollkommen ein. Die einzige Räumlichkeit, die es noch hat, stammt aus dem leichten Verlauf des Himmelblaus.

In der minimalistischen Bildvariante würde ich auf die Lesbarkeit des Schildes verzichten und einen Ausschnitt wählen, der nur noch den Farbkontrast und den Winkel betont. Ausserdem würde ich den Blauverlauf im Himmel in Photoshop ausgleichen, so dass die Aufnahme wirklich zu einer rein grafischen Abstraktion wird.

Die andere Variante, in welcher es um Verbote, Beschränkungen, Vergessen und die Freiheit des Himmels geht, hätte ich auf jeden Fall den Ausschnitt weiter gewählt und die Verankerung der Schranke am Boden grade noch ins Bild mitgenommen – vielleicht so, dass sie nur noch mit einem Streifen Horizont im untersten Bilddrittel wäre, beispielsweise aus der Froschperspektive. Eine Variante wäre eine Aufnahme entlang der Schranke in den Himmel hinauf, mit weit geöffneter Blende, leichter Tele-Brennweite und dem Fokus auf dem Verbotsschild, um den Balken im Vordergrund das ganze Bild ausfüllen, die Schärfentiefe aber nur auf dem Schild liegen zu lassen.

Beim einen wie beim andern lässt sich schwer sagen, ob es funktioniert hätte und die Resultate spannend wären. Von diesem Bild allerdings kann man sagen, dass es ganz ordentlich, technisch sauber – aber eben auch recht langweilig ist.

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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