Brautkleidporträts: Licht und Schatten – Nähe und Ferne

Farben und Kontraste gut eingesetzt, bringen einem Bild oft viel mehr als eine pompöse Ausstattung.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© André Nicke).

Kommentar des Fotografen:

Die Idee, Frauen mit ihren Brautkleidern zu portraitieren, verfolgt mich schon lange. Jetzt soll daraus eine Art Portraitreportage entstehen. Die ausgewählten Frauen sollen mit Hilfe eines Interviews (standardisierte Fragen), zum Erzählen ihrer „Ehe- und Lebensgeschichte” gebracht werden. Das Brautkleid soll materiell vorhanden sein und im Foto seinen Platz finden. Es ist Anlaß, Motor und der Punkt, auf den man immer wieder kommt. Spannend wird die Reportage durch die Unterschiedlichkeit im Alter und Herkommen der Frauen, so etwa, wenn eine 70 Jährige noch einmal in ihr noch vorhandenes Brautkleid schlüpft. Dieses Foto entstand mit einer Arbeitskollegin, die, von der Idee begeistert, sich dass Brautkleid ihrer Freundin aus England schicken ließ. Ihr eigenes hat die Jahre nicht überlebt… Es dauerte einige Zeit, bis sie so bei sich war, dass dieser eher eindringliche Moment entstanden ist.

Profi Thomas Rathay meint zum Bild von André Nicke:

Als Erstes muss ich sagen ich finde die Idee von André sehr gut, sich mit den Brautkleidern zu beschäftigen und daraus eine Serie, ein Langzeitprojekt, zu erstellen:

wir wünschen ihm dabei viel Erfolg und Durchhaltevermögen. Ich hoffe auch, wir bekommen die Ergebnisse dann hier zu sehen und können auch die Weiterentwicklung Andrés beobachten.

An seinem Bild kann ich auf jeden Fall gut die Wirkung verschiedener Gestaltungsmittel erkennen. Er ist sehr zurückhaltend mit Farben und Requisiten umgegangen, doch die wenigen leiten unseren Blick durch das Bild und vermitteln auch die Botschaft der (gealterten) Braut. Der Blick geht zum Fenster und in die Ferne, das Bügelbrett ist zum Fenster gerichtet, auch die Diagonale des Bodens der linken Wand ist positiv aufstrebend in diese Richtung laufend.

Trotzdem haftet dem Bild Wehmut an. Geschickt ist der vordere Teil des Bildes sehr dunkel gehalten, spielt so dem grellen Licht aus dem Fenster entgegen… und gewinnt im Zusammenspiel mit der dunklen gegenüberliegenden Zimmerdecke.

Ein Trumpf im Kampf um die Gunst des Rezipienten ist die Zeichnung, die in den Schatten erhalten geblieben ist, im Gegensatz zu den ausgefressenen Lichtern im Fenster: Wir beschäftigen uns immer mehr mit den Dingen im Bild, die uns Informationen liefern können. Weitere Informationen bringt noch die Inszenierung des Fotos. Es steht eine Braut alleine in einem Zimmer, schaut sehnsüchtig durch eine Fenster in grelles Licht, in die Ferne, und hat vor sich auf dem Bügelbrett ein (Herren-?) Hemd liegen, welches nicht ganz fertig gebügelt ist. Der Zustand des Zimmers lässt nicht auf eine Braut aus gutem Hause schließen. Was geht in ihr vor? Wartet sie auf ihren Traumprinzen? Ist sie nur die Kammerzofe der Braut und hat deren Kleid heimlich anprobiert?… um mal im Märchenhaften zu bleiben.

Das Bild von André gibt also genug Raum für Interpretationen – und auch das macht ein gutes Bild aus.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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