HDR-Verfremdung: Bauernbrunnen im Schnee

Ob Abstrakt oder Landschaft, HDR-Bearbeitung allein macht noch kein gutes Foto. Man muß sich die Zeit nehmen, das Bild als ganzes abzurunden und dem Hauptbildgegenstand entsprechendes Gewicht zu verleihen.

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Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Francis Riesterer).

Kommentar des Fotografen:

Schweizer Berge, Sigriswil im Kanton Bern „ein alter Bauernbrunnen“. Das Bild zeigt einen alten Brunnen in einer Schattennische mitten eines Wanderweges. Ich habe das Foto kurz vor der Mittagssonne gemacht. Ich wollte mich an HDR ausprobieren und das künstliche, aber nicht zu übertriebene Bild rüberbringen. Viel Spass beim bewerten – und liebe Grüsse aus Basel.

Profi Sofie Dittmann meint zum Bild von Francis Riesterer:

Ein verfremdeter alter Bauernbrunnen, bedeckt mit Schnee, dahinter eine alte, moosbewachsene Mauer. Ich mußte bei Deinem Foto mehrmals hinschauen, um zu erkennen, was es darstellt – was hauptsächlich an der Bearbeitung liegt:

Du schreibst, Dein Foto sei um die Mittagszeit entstanden – generell keine gute Zeit, um Fotos zu schießen, da die Lichtverhältnisse häßliche Schlagschatten und anderes verursachen, das dann später auch in Photoshop nicht mehr wegzuretouchieren ist. Der Brunnen lag allerdings im Schatten, und so fällt das hier nicht so sehr ins Gewicht.

Du hast Dein Foto unter „Abstrakt“ eingereicht, also muß ich es auch als solches bewerten – obwohl es für mich persönlich unter „Landschaft“ mehr Sinn gemacht hätte, auch mit Verfremdung: Bei abstrakten Bildern hat Form/Farbenspiel mehr Gewicht als konkreter Gegenstand, wenn er denn ersichtlich ist. Ein Blumenstrauß verwandelt sich in bunte Punkte und Schlieren. Eine Brücke wird zu Bögen und Linien, ein verglastes Hochhaus zu sich schneidenden Geraden und so weiter. Form und Farbe setzt sich über das Konkrete hinweg, entwickelt eine eigene Dynamik. Durch den Schnee und die Bearbeitung geht das alles hier für mich völlig unter.

Auch als HDR-Landschaftsfoto wäre der Brunnen im Bild völlig untergegangen, weil der Kontrast von Brunnen zum Hintergrund mit der HDR-Bearbeitung völlig verloren geht. HDR (high dynamic range) erhöht ja per Definition die Verteilung im mittleren Kontrastbereich, und so gibt es hier keinen dunklen Hahn vor weißem Schnee etc. Das hätte mit mehr Bearbeitung wohl wenn nicht verhindert, so doch zumindest abgemildert werden können.

Was die HDR-Bearbeitung im allgemeinen angeht, so ist das Thema bei fokussiert schon einmal vor ein paar Monaten beprochen worden. Auch gibt es hier ein meines Erachtens sehr gutes Tutorial zu HDR und was man generell beachten sollte.

Ich persönlich bevorzuge HDR-Fotos, die nicht schon von weitem „HDR!“ schreien. Der graue Schnee ist hier so ein Anhaltspunkt. HDR verwandelt Bewölkung in drohende, dramatische Wolken, aber im Gegenzug eben auch weißen Schnee in grau überzogene Masse.

Bei „Stuck in Customs“ wird dazu sehr gut erklärt, wie man solche Effekte vermeidet: man zieht für bestimmte Bereiche Versionen des Originalbildes mit hinzu und korrigiert selektiv die Bereiche (wie etwa den Schnee), die durch HDR automatisch verfremdet werden. Damit hätte man hier entweder prägnantere Formen und Linien, oder interessanteres Farbenspiel und Kontraste erreicht.

Ich persönlich arbeite mit Photomatix, ziehe dann das Bild in Photoshop und fange systematisch an, Bereiche im Foto entsprechend zurückzuholen. Was dabei herauskommt, zeige ich hier:

[photos title=“(Pseudo-) HDR-Nachbearbeitung“ pics=“2 3 4 5″]

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