Kleinigkeiten am Rande: Details zur Geltung bringen

Die kleinen Pflänzchen am Wegesrand, das Astloch im Holzzaun: Kleinigkeiten ergeben nicht selten tolle Bilder, vor allem, wenn man ihnen so nahe rückt, dass sie eine neue Dimension gewinnen. Dabei dürfte auch mal ein ablenkendes Nebenästlein beseitigt werden.

Kurt Steubel: Pflanze am Strand
Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Kurt Steuble). – Canon EOS350D – 1/800s – f/4 – ISO 100, 28mm (42mm)

Kommentar des Fotografen:

An einem Strand in Australien, 11.11.07 Sicher nicht mein bestes Bild, aber sicher eines der witzigeren. Man überlege nur ein bisschen, welche Titel es haben könnte…

Profi Robert B. Fishman meint zum Bild von Kurt Steuble:

Ein nettes kleines Detail am Rande, schön fotografiert: Auf dem monochromen, sandgrauen Untergrund kommen das Rot und das Grün der Pflanze stark zur Geltung. Die Pflanze steht links genau im Goldenen Schnitt. Ihr Schatten führt mich vom Hauptmotiv zum rechten Bildrand. Dort entdecke ich beim zweiten Hinschauen die (geheimnisvollen) Spuren im Sand, die dem Bild eine tiefere, weiterführende Komponente verleihen:

Ich frage mich, woher die Spuren stammen und wo hin sie führen. Die zunehmende Unschärfe in der rechten Bildhälfte erhöht diese Spannung noch. So ist die dank der großen Blende geringe Schärferntiefe hier als gestalterisches Element gelungen eingesetzt.

Natürlich lässt sich jedes gute Bild auch noch besser machen. So stören mich die kahlen Zweige neben der Pflanze. Ich weiß nicht, ob man sie hätte vor dem Fotografieren herausreißen dürfen (Achtung vor Naturschutz!).

Grundsätzlich spricht wenig gegen leichte Anpassungen der Umgebung, solange sie dem Bild dienen und der Natur nicht schaden: Ein Stück Treibholz am Strand in die richtige Position gerückt, einige Zweige im Wald etwas zur Seite gebogen können den Unterschied zwischen einem guten und einem herausragenden Bild machen.

Einmal mehr ist zu wiederholen: weglassen, was ablenkt; und während sich das vielfach durch einen späteren Bildschnitt mit Randelementen bewerkstelligen lässt, ist in Fällen wie diesem dem Störenfried nur noch mit dem Klonwerkzeug zu Leibe zurücken – doch das sollte die letzte Zuflucht sein.

Kurt Steuble, Pflanze am Strand, bearbeitet

Nun überlege ich, ob eine etwas andere Perspektive dem Bild gut getan hätte: Die Kamera ganz auf den Boden stellen, so dass die Pflanze noch größer und dominanter ins Bild gekommen wäre. Ich hätte es zumindest mal ausprobiert.

Mit leichten Anpassungen der Helligkeitswerte habe ich in Lightroom versucht, das Rot, Orange und Grün der Pflanze kräftiger und die Körnung des Sands in ihrer Umgebung deutlicher zu machen.

In der Rubrik «Bildkritik» analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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3 Kommentare
  1. Kurt Steuble
    Kurt Steuble sagte:

    Peter: Ich bin auch ganz Ohr für den Einwand. Für mich ist die Konstellation ein klassisches Beispiel dafür, wie man sich selbst in eine bestimmte Interpretation verrennen kann. Hoffe mal, ich bin hier nicht grundsätzlich gefährdet… Und ich stimme, den Stachel mal wegoperiert, Eurer Wertung für die Gesamtkonzeption absolut zu.

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  2. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Kurt: Ich habe wie Robert das „Wegbiegen“ vom „Stachel“ auch nicht gesehen. Das Bild an sich ist dafür „zu spannend“, auch mit der unscharfen Spur rechts. Wenn Du Deine Aussage betonen wolltest, müsste – wie Du selber sagst – die Ablenkung rechts wegfallen. Möglicherweise hätte man dazu eine ganz andere Pespektive wählen müssen, was angesichts des dominanten Schattens sehr schwierig sein dürfte.

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  3. Kurt Steuble
    Kurt Steuble sagte:

    Ihre (wohlmeinende) Kritik zeigt wunderschön, wie verschieden man ein Bild sehen kann. Für mich ist die Weiterführung des Schattens in die diffus werdenden Spuren genau das nicht ganz befriedigend Gelungene am Bild. Dafür sehen Sie die Pointe des dürren Astes nicht wie ich: Es steht wie ein pieksender Stachel da, vor dem sich die Pflanze wegbiegt, wie wenn der dürre Winzling sagen würde: „En Garde“. Mit dieser „Botschaft“ bekommt auch die Krümmung der Pflanze erst ihren wirklichen „Sinn“ (so es den denn braucht…).

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