Makrofoto: Wenn die Ausrüstung zählt

Nahaufnahmen verlangen Nähe – und die ist nicht mit jedem Objektiv ohne weiteres zu bewältigen.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Jörg Falch).

Kommentar des Fotografen:

Auf einer Wanderung in den Garmischer Bergen entdeckte ich diese Biene auf der Blume. Hat mir so gut gefallen, daß ich sofort ein Foto machen musste. Ist eines meiner ersten Fotos, bin immer noch am Üben und Lernen. Brennwite 55mm, Belichtung 1/100, F/6.3, ISO100

Peter Sennhauser meint zum Bild von Jörg Falch:

Eine Biene sitzt auf einer Kleeblüte. Die Makro-Aufnahme von schräg oben stellt das Motiv ins Bildzentrum, wobei die Umgebung aus grünem Gras und Klee den grössten Bildanteil ausmacht.

Der Fotograf oder die Fotorafin macht das Bild – die Kamera ist nur ein Werkzeug: Gute Fotografien lassen sich mit allem machen, was Licht bannen kann. Das ist ein wichtiger Grundsatz, den wir alle uns immer wieder vorhalten sollten.

Nachdem das gesagt ist: Mit bestimmten Ausrüstungsteilen, namentlich Objektiven, lassen sich gewisse Aufgaben sehr viel schlechter lösen als mit andern. Der Makro-Bereich, die Aufnahme sehr kleiner Dinge, gehört dazu.

Aber fangen wir vorne an:

Du warst mit Deiner neuen Kamera auf einer Wanderung. Ich nehme an, das Objektiv, das Du dabei verwandt hast, ist ein 18-55mm – es ist eines der beliebten Kit-Objektive, die mit den Mittelklasse-Spiegelreflex derzeit häufig verkauft werden. Mit einem Weitwinkel bis zu einem leichten Tele-Bereich ist es ein ideales Allzweck-Zoom. Für Bilder wie dieses hier allerdings, das man gemeinhin als Makroaufnahme definieren würde, sind sie nicht wirklich geeignet. Ich komme gleich darauf zurück.

Das Bild wird dem Moment, den Du einfangen wolltest, nicht gerecht. Die Biene und die Kleeblüte wirken recht unscheinbar inmitten des ganzen grünen Chaos der Wiese. Das liegt zum einen am Abbildungsmassstab. Das Motiv ist ganz einfach zu klein, als dass man auf dem Bild wirklich viel von ihm sehen könnte.

Ausserdem ist das Motiv fast nicht „freigestellt“, sei es nun durch einen einheitlichen Hintergrund (von unten gegen den blauen Himmel) oder geringe Schärfentiefe (offene Blende, kleine Blendenzahl).

Die Komposition ist sehr gewöhnlich – Du hast Dich wahrscheinlich nur um die Biene und die Blüte und nicht um deren Umgebung gekümmert, und Du hast sie von schräg oben aus der typischen menschlichen Perspektive fotografiert.

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Spannender wäre das Bild geworden, wenn Du eine ungewöhnliche Perspektive (Augenhöhe der Biene oder noch tiefer) gewählt und das Motiv aus dem Bildzentrum im Kontrast zu etwas zweitem komponiert hättest. Ausserdem hättest Du noch ein wenig auf f/5.6 aufblenden können. Generell ist das Bild leicht überbelichtet.

Allerdings warst Du hier auch durch das Material eingeschränkt. Das 18-55mm-Objektiv ist geeignet für Landschaftsfotografien bis zu Porträts. Auf Deiner Canon EOS 550 benimmt es sich sozusagen wie ein 29-88mm-Objektiv: Weil der Sensor der Kamera kleiner ist als 36mm-Film, wird nur ein Ausschnitt aus dem eigentlichen Bildbereich des Objektivs abgebildet, der dann „vergrössert“ erscheint – der Effekt wird gemeinhin „Cropfaktor“ genannt.

Statt eines sehr starken ist dein Objektiv also am kurzen Ende nur ein gemässigter Weitwinkel, statt fast ein Normalobjektiv ist es am langen bereits ein Tele: 90mm – gut geeignet für Porträts.

Wie die meisten sind diese Allzweck-Objektive aber für die Abbildung recht weit entfernter Gegenstände gebaut. Der Nahbereich ist eine fotografische Ausnahme und verlangt eine andere Optik: Die typischen Zooms zeigen bei kurzen Fokusdistanzen schnell Fehler wie starken Abfall der Schärfe zu den Bildrändern hin und Verzerrungen. Ausserdem haben sie eine minimale Fokusdistanz, die es Dir hier beispielsweise nicht erlaubt hat, noch näher an das Objekt heranzugehen: Das Canon 18-55mm braucht einen Minimalabstand von knapp 30 Zentimetern (mein 400mm Nikon stellt übrigens erst ab einer Distanz von mehr als 3 Metern scharf).

Was also wäre die ideale Ausrüstung für dieses Bild gewesen? Ein Makro-Objektiv: Das sind Objektive, die speziell für den Nahbereich gebaut werden. Sie haben einen grossen Abbildungsmassstab, können auf sehr kurze Distanzen fokussieren, sind verzerrungs- und unschärfefrei und haben relativ kleine Blenden, wodurch trotz der grossen Nähe noch eine Schärfentiefe erreichbar ist, die mehr als ein paar Millimeter tief ist. Ich habe hier ganz grob mit Photoshop den Ausschnitt vergrössert, den Kontrast des Bildes erhöht und – wirklich sehr grob – eine Freistellung durch geringe Schärfentiefe simuliert.

Grobe Veranschaulichung: Freistellung und Nähe

Ganz grobe Veranschaulichung, was ein anderes Objektiv hätte bringen können: Mehr Biene im Bild, Freistellung durch geringere Schärfentiefe und -mehr Kontrast.

Das gesagt: Auch mit Teleobjektiven lassen sich „Makroaufnahmen“ machen. Wenn es die Ausnahme bleibt, lohnt sich die Anschaffung eines teuren Makros also nicht, aber eine Brennweite jenseits der 70mm hilft bereits beträchtlich, um beispielsweise dieses Bild zu schiessen. Und schliesslich wäre eine Nahlinse, eine Art Filteraufsatz für normale Objektive, eine preiswerte Alternative zum Makro-Objektiv.

Ob all diesem Geschwätz ist aber nicht zu vergessen: Du machst das Bild, nicht die Kamera. Mit einem guten Auge, einer tollen Komposition, ungewöhnlichen Perspektiven, schönem Licht, viel Geduld und etwas Nachbearbeitung wie auch beispielsweise dem Schnitt des Bildes kannst Du mit jeder Ausrüstung grossartige Bilder machen – auch von Bienen auf Kleeblüten.

Aber hier hast Du nun gerade einen Grenzfall erwischt, der vielleicht nicht Dein erstes Übungsfeld bei der Erschliessung der Fotografie sein sollte. Oder jedenfalls nicht mit dem 18-55er Objektiv.

 

3 Kommentare
  1. Chris
    Chris sagte:

    Zum Insekt. Das ist keine Biene. Bienen haben zum einen schmalere Flügeln und lassen sie beim Nektarschlürfen nicht so weit auseinander. Es handelt sich hierbei vermutlich um eine Schwebefliege – Sie ernähren sich von Pollen und Blütennektar.

    Etliche Schwebefliegen haben Formen und Zeichnungen von Bienen, Hummeln oder Wespen und können mit diesen leicht verwechselt werden. Sie sind jedoch – durch das fehlen des Stachels – harmlos und nutzen diese Mimik um Fressfeinden eine nicht vorhandene Gefährlichkeit vor zu täuschen.

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  2. Jörg Falch
    Jörg Falch sagte:

    Hallo, vielen Dank für die ausführliche Kritik. Gerade wenn man sich erst kurze Zeit mit der Fotografie beschäftigt hat man doch Probleme, den richtigen Blick für Objekte zu bekommen. Hierbei ist diese Kritik für mich hilfreich, da ich bei den nächsten „Versuchen“ doch schon andere Punkte beachten werde. Auch werde ich probieren ähnliche Fotos mit meinem 300mm Sigma Objektiv zu machen.

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