Hasselblad-Preis 2012: Paul Graham
Der Brite Paul Graham erhält den Hasselblad-Preis des Jahres 2012. Über Jahrzehnte hinweg prägte und erneuerte er die politische und sozialdokumentarische Fotografie.
Stephen Frears, Mike Leigh oder Ken Loach – sie stehen mit ihren Sozialdramen für das New British Cinema seit der Thatcher-Ära. Paul Graham steht in für die Fotografie dieser Linie.
Der Jury des Hasselblad-Preises gehörte in diesem Jahr auch Ute Eskildsen an, die Chefin der Abteilung Fotografie im Essener Folkwang-Museum. Die Preisvergabe wird wie folgt begründet.
Paul Graham ist einer der brillantesten Fotografen seiner Generation. Über eine fast vierzigjährige Karriere hinweg zeigt er ein extrem konzentriertes Werk, zugleich perfekt einheitlich und niemals eintönig. Mit Bildern, die zugleich feinfühlt wie unterschwellig politisch sind, macht er belanglose Spuren des Zeitgeistes begreifbar, die wir sonst nicht bemerken. Mit seiner hohen Achtsamkeit gegenüber dem Medium Fotografie entwickelte er ständig innovative Formen für die Arbeit mit allen Aspekten der Fotografie. Das macht ihn zu einer tiefgreifenden Kraft für die Erneuerung dieser langen fotografischen Tradition der Auseinandersetzung mit der Welt.
Paul Graham, Jahrgang 1956, lebt seit 2002 in New York. International bekannt wurde er schon Mitte der Achtzigerjahre mit einer Reportage über die Zustände in britschen Arbeitsämtern mit ihren trostlosen Wartezimmern. Unter dem Titel Die ungeschminkte Wirklichkeit haben wir hier bei fokussiert.com darüber schon einmal berichtet.
So schrieben wir damals 2009 über Graham: „Die Auseinandersetzung mit den amerikanischen Fotografen Gary Winogrand, Lee Friedlander und Diane Arbus und mit der Farbfotografie von Stephen Shore und William Eggleston hat seine Bilder geprägt. Wie Winogrand oder Arbus blickt er auf gesellschaftliche Entwicklungen. Wie Shore und Eggleston widmet er sich auch den alltäglichen Dingen und Situationen.“
In den Achtzigern blickte er auf den Nordirland-Konflikt, in den Neunzigern unter dem Titel „New Europe“ auf die Europäische Gemeinschaft. In „End of an Age“ – Ende eines Zeitalters – porträtierte er das Nachtleben einer Generation um die Jahrtausendwende. „A Shimmer of Possibility“ – das ist im Deutschen nur schwer fassbar: ein Schimmer von Möglichkeit – wurde sein großes Werk der Jahre 2004 bis 2006 in Amerika. Es wurde in zwölf Bänden (25 Stück Auflage, je 6000 Euro!) bei Steidl in Göttingen publiziert und verschiedentlich als „wichtigstes und bestes Fotobuch der letzten 15 Jahre“ eingestuft (2011 bei Paris Photo). Mit großer Aufmerksamkeit für das Detail und in dramaturgischer Abfolge zeigt das Werk Abbildungen von anonymen Menschen und ihre alltägliche Umgebung. In Interviews hebt Paul Graham oft seine Vorliebe für den russischen Dichter Anton Tschechow hervor – und die Hasselblad-Jury erkannte diese Dimension in diesem monumentalen Werk.
Was der Hasselblad-Stiftung auch noch wichtig ist anzumerken: Paul Graham habe die volle Kontrolle über sein Medium – die von der Aufnahme bis hin zum Arrangement der Bilder für die Publikation in Büchern oder Ausstellungen reicht. Über seine Karriere hinweg habe er einen eleganten, gar lyrischen Stil entwickelt, der auf mit Feingefühl soziales Bewusstsein und politisches Engagement vereint. Und dem Experiment offen geblieben ist.
Wir finden die vielgestaltige Arbeit auf Paul Grahams Website. Auch als Taschenbuch kostet [amazon 3865218628] Shimmer of Possibility[/amazon] deutlich über 100 Euro. Etwas günstiger erhältlich sind [amazon 3908247179]End of an Age[/amazon] oder [amazon 8415303343]Europe, America[/amazon], Grahams neueste Arbeiten.
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