Sportfoto: Action-Porträt

Einem Sportler nahe auf die Pelle zu rücken verknüpft Aktion mit unserem ungezügelten Interesse an Gesichtern.

Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Konrad Piechulek).

Kommentar des Fotografen:

Hab meinen Sohn beim 200m Freistil aufgenommen. Hab eine sehr tiefe Position eingenommen, und mein Sohn hatte eine der mittleren Bahnen. Habe mehrere von diesen Fotos, da er mehrere Bahnen geschwommen ist. Jedoch gefällt mir dieses persönlich sehr gut.
Es gibt noch ein ähnliches, bei dem man den angewinkelten Arm der Kraulbewegung in der Spiegelbrille sieht. Wollte aber dieses Bild mal zur Bewertung stellen. Es ist wurde in Raw geschossen, beschnitten und leicht nachgeschärft. Wollte mal gerne die Meinung zu dem Bild hören. Unter Portrait fällt es zwar nur im weitesten Sinne.

Peter Sennhauser meint zum Bild von Konrad Piechulek:

Ein Schwimmer beim Crawl holt für den Stil typisch mit einer seitlichen Kopfdrehung Luft. Die Teleaufnahme rückte nicht den Sportler insgesamt, sondern fast nur sein Gesicht in den Bildmittelpunkt. [textad]

Nein, als Porträt würde ich dieses Bild auch nicht bezeichnen, aber vielleicht als Action-Porträt. Eine klassische Sportaufnahme ist es nämlich wohl auch nicht, dabei geht es ja meistens darum, den Stil und die Individualität des Protagonisten in seiner Sportart auszudrücken.

Aber hier wird auch einmal mehr erkennbar, was uns Menschen am meisten interessiert: Andere Menschen, namentlich ihre Gesichter. In dieser Aufnahme kriegen wir Gelegenheit, einem Sportler mitten in der grössten Anstrengung ganz offen ins Gesicht zu starren, ihn genau und unverschämt zu mustern, die letzten Details seines Gesichts und seines Ausdrucks zu studieren – und das ist nun mal faszinierend: Was passiert mit uns, wenn wir schwimmen, wenn wir uns im Wettkampf befinden, wenn wir uns bis zum Äussersten verausgaben? In Bildern wie diesem kriegen wir einen kleinen Blick darauf.

Dieser Blick ist sehr vielfältig und bietet eine ganze Menge spannender Details, die wir nur dank der Fähigkeit der Kamera sehen können, die Dinge einzufrieren. Das fängt an mit dem Ausdruck des Schwimmers, dessen Augen wir wegen der Spiegelbrille nicht sehen können, geht über die Wasserwand, die er vor sich herschiebt, bis zu den Haarspitzen, die unter der Schwimmkappe hervorlugen und der Spiegelung der Umgebung (Menschen? Bäume?) in der Brille.

Ein dynamischer Sekundenbruchteil eines Moments, auf den wir sonst nie einen so langen Blick werfen können, ist hier sehr schön und technisch perfekt eingefroren worden; die Schärfe liegt trotz langer Brennweite und verhältnismässig offener Blende genau dort, wo sie sein muss – im Gesicht des Schwimmers. Das hinzukriegen halte ich, obwohl ich es erst selten und nur mit anderen MOtiven versucht habe, für recht schwierig.

Besonders reizvoll finde ich ausserdem die Wassertropfen im Vordergrund, in der Unschärfe, die zwar Teile des Gesichts verdecken, aber zugleich für eine starke Räumlichkeit sorgen: Der 3D-Effekt der Aufnahme wird dadurch stark erhöht, und ich könnte mir vorstellen, dass das einer der Gründe dafür ist, dass Dir dieses Bild aufgefallen ist, obwohl es vielleicht aus anderen Gesichtspunkten – wie eben der Dokumentation des Bewegungsablaufs dieser Sportart – eher untypisch ist.

Als „Actionporträt“ Deines Sohnes auf jeden Fall eine sehr attraktive und gelungene Aufnahme.

In der Rubrik “Bildkritik” analysieren Profi-Fotografen im Auftrag von fokussiert.com montags bis freitags jeweils ein Foto aus der Leserschaft.
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2 Kommentare
  1. Konrad
    Konrad sagte:

    Hallo Peter !
    Vielen Dank für deine ausführliche und konstruktive Kritik. Schön das es dir auch gefallen hat. Da meine beiden kinder Leistungssport betreiben, haben sie mich zur Fotografie gebracht und ich habe in den letzten Jahren einige Fotos von ihnen geschossen. Das obige jedoch ist eines, welches ich mir immer wieder ansehen kann.

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  1. […] Bild einer schillernden Seifenblase macht das ebenso deutlich wie andere Aufnahmen, welche die Zeit einfrieren oder längere Zeitspannen […]

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