Fotografieren im Museum: Bildbetrachtung

Museen bieten aus verschiedenen Gründen ein spannendes Umfeld für Fotografen. Das Licht ist anders, die Räume erst recht und die Menschen darin sowieso.

bildbetrachtung

Walter von Emden aus Eningen schreibt zu diesem Bild: Aufgenommen abends im Kunstmuseum Stuttgart. Gereizt hat mich die besondere Architektur mit Sichtachsen über die Stockwerke und quer durch die Ausstellungsräume – aus einer solchen ist auch dies Bild aufgenommen. Neben Architektur und Exponaten ist das Verhalten der Besucher zur Kunst spannend. Das zeigt auch dieses Bild: eine Besucherin mit „geteiltem“ Blick, die sich doch im Bild widerspiegelt. Das finde ich gut eingefangen. Bzgl. Kompositon und Beschnitt (das Bild ist unbeschnitten) bin ich mir nicht sicher. Bearbeitung in LR Belichtung, Kontrast und Klarheit angehoben.

Dort, wo Menschen Kunst betrachten, lässt sich Kunst schaffen. Woran das liegt? Vielleicht am Licht, an der Stimmung, am Kontext.

Wir sehen eine Person im linken Drittel dieser fast monochromen Farbfotografie, den Rücken uns zugewandt, zu ihrer rechten an der uns gegenüberliegenden Wand zwei gerahmte, verschieden grosse Bilder. Im kleineren Bild scheint sich der Kopf der Person zu spiegeln oder als Schattenwurf sichtbar zu sein – genau ist das nicht zu sagen. Zwischen dem Standpunkt des Fotografen und der Person erstreckt sich von links eine schlichte Balustrade zwei Drittel in den Raum hinein.

Diese Aufnahme fasziniert aus mehreren Gründen: Die Raumverhältnisse sind ungewöhnlich, schon fast unergründlich. Der Lichteinfall ist genau so wenig eindeutig erkennbar, und die „handelnde“ Person gibt die letzten Rätsel auf.

Wir haben schon mehrfach spannende Aufnahmen aus Ausstellungsräumen, Galerien oder Museen besprochen. Sei es, dass es in diesen Räumen ein ganz spezielles Licht gibt (geben muss), dass sich Menschen darin anders benehmen oder dass die Gegenwart der Kunst darin eine eigene Stimmung verbreitet: In aller Regel ergeben sich hier die spannendsten Konstellationen von Mensch, Gegenstand und Raum.

Das zeigt diese Aufnahme bestens, und zwar in allen drei Ebenen. Dich hat der Raum fasziniert, der einen deutlichen Abstand zwischen Dich und die Frau legt, den wir als Betrachter auch nicht überwinden können. Ausserdem baut er sich in drei eindeutigen Ebenen auf, die hier in zwei seitlichen Wänden und dem Geländer zur Galerie hin abgegrenzt sind:

Räume und Flächen im Museum.

Räume und Flächen im Museum.

Jetzt kommt die Frau ins Spiel, deren Haltung kaum zu fassen ist: Wir erkennen nicht wirklich, was sie tut und wohin sich ihre Aufmerksamkeit richtet, und genau das fasziniert uns erst recht. Ausserdem steht sie exakt in der Schnittstelle der drei Ebenen, sozusagen im Goldenen Schnitt des Raums: Besser hätte man sie nicht platzieren können. –

[bildkritik]

Was das Licht angeht, gibt es mir besonders viele Rätsel auf. Denn es fällt so, dass der Standort der Person zu verrutschen scheint: Sie steht näher zu uns, als die Andeutung eines Schattens an der Wand vermuten liesse; aber auch wieder nicht so nahe, dass die Spiegelung im zweiten Bild korrekt erscheint. Die wiederum kann unmöglich ein Schattenwurf sein, denn dazu fehlt das Licht von links.

Wo genau steht die Frau? Woher kommt das Licht? Spiegelt sie sich im Bild oder ist das ein Schatten?

Wo genau steht die Frau? Woher kommt das Licht? Spiegelt sie sich im Bild oder ist das ein Schatten?

Aus diesen drei Kriterienkategorien ergibt sich im Zusammenspiel dieser Aufnahme eine Spannung, welche die Anmut der Linien und des Raums perfekt ergänzt und einen nicht so schnell mit dem Blick davoneilen lässt.

Ich habe hierzu weder was Technik, noch was Bildschnitt oder Komposition angeht irgendwelche Vorschläge, ich finde das Bild perfekt. .

4 Kommentare
  1. Heiko
    Heiko sagte:

    Was mir an diesem Bild so sehr gefällt, ist das Metaphorische: der Betrachter der Kunst sieht und entdeckt in der Kunst sich selbst. OK, das passt natürlich nicht ganz, denn die Frau auf dem Bild hat keine Möglichkeit, ihre Spiegelung dort zu sehen, wo wir sie sehen und sie schaut auch gerade nicht auf das kleinere der Bilder. Trotzdem hat mir der Gedanke gefallen.

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  2. Hans Georg Sandforth
    Hans Georg Sandforth sagte:

    Ich stimme Peters Analyse zu: „Bildschnitt und Komposition perfekt“. Zu dierks Vorschlag, den Kontrast weiter zu erhöhen, meine ich, evtl. reicht es, die Helligkeit insgesamt etwas anzuheben.
    Ansonsten: Das Betrachten dieses Bildes ist mir ein Genuss. Ein hochsensibles und ästhetisches Photo !

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  3. dierk
    dierk sagte:

    was den Bildaufbau betrifft, schließe ich mich Peter an.

    Walter, du schreibst, bei der Komposition bist du dir nicht sicher. Ich finde auch, es ist beeindruckend bis perfekt!

    Das ist auf jeden Fall eine Spiegelung in dem kleineren Bild, für einen Schatten ist es viel zu detailliert und der Schatten müsste auch auf der Wand zu sehen sein. Der ist aber nur unten kurz über der Mauer zu sehen.
    Nur die Bearbeitung würde ich anders machen. Mir ist es zu weich oder grau in grau. Du hast den Kontrast angehoben, ich würde ihn noch weiter anheben. Außerdem sehe ich einen leichten Farbstich, der mit dem Weißabgleich in LR leicht zu korrigieren ist, es sei denn, du möchtest das besondere Licht betonen. Es sieht nach diffusem Licht von einer Glasdecke aus?
    Ich habe das Museum im Web aufgerufen und finde nur zwei winzige Bildchen und in dem kurzen Film ist auch nicht viel zu erkennen. Schade, die sollten sich mal jemand für das Webmarketing suchen :-)

    Vor einiger Zeit habe ich bei einer Ausstellung ein Bild gemacht, dass ganz gut zu diesem Bild passt.
    Vielleicht machen ja auch noch andere mit mit passenden Bildern mit?
    Das würde das Ganze neben den Kommentaren hier noch lebendiger machen :-)

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