Herbert Tobias: Vergessen und wiederentdeckt

Herbert Tobias wiederentdeckt: Er hatte seine große Zeit als Fotograf in den fünfziger und sechziger Jahren und starb 1982 an Aids.

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Herbert Tobias: The Berlin-Party is over, Berlin 1961

Herbert Tobias zählt wohl zu den bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit. Sein Name geriet jedoch in Vergessenheit. Denn Mitte der sechziger Jahre stieg Herbert Tobias aus der bis dahin glanzvollen Karriere aus. In der Fotografischen Sammlung der Berlinischen Galerie befindet sich der Nachlass, aus dem nun die erste Retrospektive zusammengestellt wurde (zu sehen bis 25. August):

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Herbert Tobias: Klaus Kinski und Thomas Harlan, Paris 1952

Herbert Tobias kam als Autodidakt zur Fotografie. Als junger Soldat von 19 Jahren fotografierte er an der russischen Ostfront. Die eigentliche Laufbahn als Fotograf begann Anfang der Fünfziger in Paris. Hier entstanden Stadtansichten, eindringliche Portraits der existentialistischen Künstler-Bohème und erste Modefotos für die Vogue.

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Herbert Tobias: Hildegard Knef, Berlin um 1957

Nach Deutschland zurückgekehrt, machte sich Tobias binnen kurzem einen Namen mit unkonventioneller Modefotografie. Seine Portraits zeichnen sich durch emotionale Eindringlichkeit aus. Der Mensch, genauer: der Mann ist das zentrale Thema des Fotografen, der seinen homosexuellen Blick nie verbrämt, sondern offen zur Schau gestellt hat. Der offensive Umgang mit seiner Homosexualität darf in Zeiten, als diese noch unter Strafe stand, auch als ein politisches Statement verstanden werden.

Nackter Oberkörper, verwuscheltes Haar, Schlafzimmerblick. So präsentierte sich der junge Andreas Baader um 1965 dem damaligen Starfotografen Herbert Tobias.

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Herbert Tobias: Andreas Baader, Berlin um 1965

Andreas Baader, der 1963 nach Berlin übergesiedelt war, lernte Herbert Tobias vermutlich Anfang der sechziger Jahre kennen. Vielleicht in einem der angesagten Clubs der Homosexuellen-Szene, denn der „gefallsüchtige« Baader, so weiß dessen Biograf Klaus Stern zu berichten, „spielte gern damit, dass Schwule sich in ihn verliebten, um sie dann mit lässiger Geste ins Leere laufen zu lassen«. Auch Tobias war einer dieser glücklosen Verehrer, blieb aber dennoch für einige Jahre eng mit dem 20 Jahre jüngeren Baader befreundet. Tobias zeichnet mit diesem Portrait auch das Charakterbild eines unausgegorenen, zerrissenen, eines rebellierenden jungen Mannes, der, wie Tobias sich erinnert, „ziemlich verzweifelt« auf „der Suche nach einem anderen Ideal war« als dem von der Gesellschaft vorgelebten. In dieser Haltung trafen sich Fotograf und Dargestellter.

Auch Tobias scherte bewusst auf dem Höhepunkt seiner erfolgreichen Karriere als Modefotograf aus. Er versucht sich erneut als Schauspieler und Sänger, findet mit seinem unsteten, erotomanischen und von Drogenexzessen durchzogenen Leben kaum mehr Anschluss an die Gesellschaft. Die Fotografie geriet in den Hintergrund. Erst in den siebziger Jahren arbeitet er wieder für Homosexuellen-Magazine. Eine Ausstellung 1981 in Berlin, für die Tobias seine Bilder der fünfziger und sechziger Jahre neu abzog, sollte die Wiederentdeckung einleiten. Ein geplantes und weit gediehenes Buchprojekt kann Tobias nicht mehr beenden. Im August 1982 stirbt er in Hamburg an Aids. Sein Name geriet in Vergessenheit.

Herbert Tobias: Blicke und Begehren
Bis 25. August
Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstraße 124-128 10969 Berlin-Kreuzberg
Telefon +49 (0)30 78902600, E-Mail bg@berlinischegalerie.de
Geöffnet täglich außer Dienstag 10 bis 18 Uhr

Berlinische Galerie
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