Leserfoto – “Skogen”: Meister zitieren

Meister gekonnt zu zitieren ist schwierig. Manchmal zitiert man auch unabsichtlich mehrere gleichzeitig.

(c) Erik Mueller

Hommage an Robert Adams

Ab und zu bekommen wir bei fokussiert Aufnahmen zugesandt, die konkret einen Meister der Malerei oder Fotografie zitieren. Solche Fotos zu besprechen ist immer eine besondere Aufgabe für den Kritiker, denn auf der einen Seite muß man das Bild für sich besprechen und stehen lassen können, auf der anderen Seite sollte ja jemand zitiert werden.

Du hast uns hier ein Waldfoto unter dem Titel „Skogen“ eingereicht. „Skogen“ bedeutet auf Schwedisch „Wald“ und ist der Titel eines Portfolios von Robert Adams. Adams, Jahrgang 1937, ist dafür bekannt, daß er die Veränderungen der Landschaft im Westen der USA über Jahrzehnte hinweg festgehalten hat.

Zu sehen sind scheinbar willkürlich angeordnete Baumstämme, andere Vegetation am Boden, und ein prägnanter Stamm vorne rechts.  EXIF-Daten waren nicht ersichtlich. Das Schwarzweiß wirkt bei 25% Zoom eher kontrastarm. Wenn man das Bild auf voller Größe betrachtet, stellt man fest, daß erstens einmal der Stamm vorne unscharf ist, und zweitens, daß die Bäume alle wirken, als seien sie übermäßig nachgeschärft worden. Ich vermute, das Foto war leicht verschwommen, und das wurde hinterher digital „behoben“.

Zur Komposition: Bei Fotos dieser Art läuft der Künstler schnell Gefahr, daß daraus Wimmelbilder werden, die für den Betrachter so konfus sind, daß man sie sich nicht lange anschauen kann – man sieht buchstäblich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das hast Du hier vermieden. Wenn man das Foto analysiert, stellt man fest, daß der natürliche Horizont (gelb) nicht ganz im Goldenen Schnitt liegt (rosa). Der vorne links am tiefsten erscheinende Stamm (zweite blaue Linie links) liegt dafür fast perfekt in selbigem.

Goldener Schnitt/Horizont

Wie oft zu sehen in Fotos dieses Genres ist der Vordergrund (also die übrige Vegetation) in Zickzacklinien gehalten, um die senkrechten Linien der Bäume etwas aufzulockern und dem Foto Tiefe zu verleihen (grün).

Vordergrund

Was mich hier konkret stört ist der Stamm vorne rechts. Er ist nicht wirklich Rand, noch ist er voll im Bild, und er ist noch dazu unscharf. Weiterhin ist er leicht gekippt. Man könnte das Foto entsprechend begradigen, aber das würde dann anderweitig zu Verzerrungen führen. Man könnte ihn aber auch vollständig entfernen, was dann so aussähe:

Möglicher Beschnitt

Das Foto würde dadurch kompositionell nicht beeinträchtigt, und das ablenkende Element vorne rechts verschwände:

Vergleichsfoto

Was das Zitat angeht, finde ich Dein Foto durchaus gelungen, wenn Du auch ziemlich viel daran herumgedreht hast. Du zitierst sogar zwei Adams. Ich habe zwar keine konkreten Beispiele von Robert Adams finden können, sondern nur Anzeigen für die Bildersammlung, aber es wird deutlich, was seine Ästhetik in „Skogen“ ausmacht: dunkel, keine dramatischen Kontraste, man fühlt sich wie in dem Wald, der dargestellt wird.

Ansel Adams, Jahrgang 1902 und Vorgänger von Robert Adams, wiederum hatte diese dramatischen Kontraste, war auch dafür bekannt. Seine berühmten Aufnahmen von amerikanischen Espen konnten allerdings auch weniger kontrastreich und eher hell sein.

Dein Foto erinnert mich an beide Adams, und so denke ich, funktioniert es als Zitat. Was ich jedoch anzumerken hätte ist, daß es sich auch gleichzeitig um ein Motiv handelt, was man so schon etliche Male gesehen hat, und in besserer technischer Ausführung. Die Herausforderung wäre also, eine andere Art der Darstellung zu finden, und ich würde mich freuen, weitere Beispiele in dieser Entwicklung von Dir eingereicht zu bekommen.

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