3. Fotofestival Mannheim_Ludwigshafen_Heidelberg: Gibt es noch neue Bilder?

Das 3. Fotofestival Mannheim_Ludwigshafen_Heidelberg stellt sich der Bilderflut und fragt: Gibt es noch neue Bilder?

Bettina Pousttchi: Parachutes 12, 2006. Ausstellung Bilderkrieg. Courtesy Buchmann Galerie, Berlin.„Images Recalled – Bilder auf Abruf“, so lautet das übergreifende Thema des Fotofestivals. An sieben Ausstellungsorten in den drei Städten werden bis 25. Oktober Bilder von rund 60 Fotografen gezeigt.

Beteiligte sind in diesem Jahr die Kunsthalle Mannheim, die Reiss-Engelhorn-Museen, das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen, die Kunstvereine Ludwigshafen und Heidelberg, sowie die halle_02 in Heidelberg. Die verschiedenen Ausstellungen sollen zeigen, wie das fotografische Bild unseren Blick auf die Welt ordnet und strukturiert. „Während die Bilder der Massenmedien diese Muster meist voraussetzen oder verfestigen, ist es insbesondere die künstlerische Fotografie, die jene Bildmuster hinterfragt, die der Journalismus, die wissenschaftliche und die private Fotografie etabliert haben,“ so die beiden Kuratoren Tobias Berger und Esther Ruelfs.

Bernhard Prinz: Parvenü # 2, 2000. Ausstellung Körpermuster. Courtesy Produzentengalerie HamburgIn Zeiten der immer weiter anwachsenden Bilderflut ist eine der Zielsetzungen des Festivals die visuelle Alphabetisierung. Das 3. Fotofestival stellt die These auf, dass ein begrenztes Repertoire von Mustern unsere Perspektive auf die Bilder dieser Welt vorstrukturiert. Die Ausstellungen sind den Themen „Körpermuster“, dem „Bilderkrieg“, der Landschaftsaufnahme, dem Archiv („Bilder Sammeln“) und „Absenzen“ gewidmet.

Kunsthalle Mannheim – Ausstellung Körpermuster:

Die alltägliche Inszenierung unseres Körpers ist geprägt von den fotografischen Bilderwelten. Die Ausstellung Körpermuster untersucht jene Bilder, die unsere Selbstentwürfe bewusst oder unbewusst steuern: Arbeiten der chinesischen Multimediakünstlerin Cao Fei und von Hans-Peter Feldmann stehen etwa neben Natalie Czechs Collage aus gefundenen Zigarettenbildchen der Miss Österreich oder auch neben Fotografien, die sich der Bildstrategien der Werbung bedienen, wie die von Yvonne Todd und Bernhard Prinz, der an der Kunsthochschule Kassel Experimentelle Fotografie lehrt. Zahlreiche weitere internationale Künstler und deren Arbeiten sind hier zu entdecken. Catrine Val, Slawomir Elsner und Mirko Martin haben für diese Ausstellung neue Arbeiten geschaffen.

Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen – Ausstellung Bilderkrieg:

„Bilderkrieg“ nimmt die von den Medien erzeugten „Bildmuster“ unter die Lupe. Neben den international bekannten Künstlern Thomas Hirschhorn und Sean Snyder oder der in Berlin lebenden Fotografin Bettina Pousttchi hat Esther Ruelfs während eines Aufenthalts im Nahen Osten Fotografinnen für das Festival gewonnen. So stellen sich etwa Michal Heiman und Reem Da’as aus Israel oder Randa Mirza aus dem Libanon aus eigenen Erfahrungen heraus in ihren Arbeiten dem Thema des Kriegs. Auch eigens für das Festival produzieren die Schweizer Künstler Christoph Wachter und Mathias Jud eine dreiteilige interaktive Multimediainstallation „Zone*Interdite“ basierend auf der gleichnamigen Internetplattform, die sich mit den für Zivilpersonen real unzugänglichen militärischen Sperrzonen befasst.

Clare Strand - aus der Serie: Unseen Agents, 2006/2007, Photism 1. Ausstellung Absenzen. © Clare Strand

Heidelberger Kunstverein – Ausstellung Absenzen – Bilder des Verschwundenen:

Museumswände ohne Bilder, unheilschwangere Tatorte ohne Opfer und Indizien, leere Bibliotheksregale: Hier geht es um die Präsenz der Abwesenheit. Die Bilder thematisieren das Bildgedächtnis, was in Bildarchiven erinnert und vergessen wird, was unsichtbar bleibt. Zu den Künstlern der Ausstellung Absenzen zählen neben den Arbeiten von Anne Schumann und der Neuseeländerin Ann Shelton die Aufnahmen Margret Hoppes. In ihrer Serie „Die verschwundenen Bilder“ geht sie 20 Jahre nach dem Mauerfall den Spuren von Kunst aus der ehemaligen DDR nach. Arbeiten der britischen Foto- und Videokünstlerin Clare Strand, die gerade bei Steidl veröffentlicht hat, sowie gemeinsame Arbeiten von Nina Fischer und Maroan el Sani sind ebenso in der Ausstellung vertreten.

Kunstverein Ludwighafen – Ausstellung Bilder Sammeln:

Unter dem Titel „Bilder Sammeln“ fasst die Ausstellung des Kunstvereins Ludwigshafen Arbeiten und Positionen von Fotografen zusammen, die sich mit der Ordnung von Bildern und deren Lesbarkeit befassen, und damit zu Sammlern werden. Für das Festival haben der kanadische, in Peru geborene Künstler Luis Jacob und Penelope Umbrico, die sich in ihrer Arbeit „Suns From Flickr“ des Webs als Archiv von Sonnenuntergängen bedient, neue Arbeiten geschaffen.

Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim – Joan Fontcuberta – Landschaften ohne Erinnerung:

Zum ersten Mal ist das Forum für internationale Fotografie der Reiss-Engelhorn-Museen am Fotofestival beteiligt: Basierend auf der Sammlung von historischen Reisefotografien der Geschwister Reiss aus dem 19. Jahrhundert hat der katalanische Fotokünstler und Kurator Joan Fontcuberta seine Arbeiten eigens für die Einzelausstellung des Fotofestivals entwickelt. Mit dem Computerprogramm „Terragen“, das heute für Werbespots und die Erstellung von Landschaftshintergründen genutzt wird, entstehen aus diesen Vorlagen neue, idealtypische Landschaften – „Landschaften ohne Erinnerung“.

Ann Shelton: Trespass, (After Monster), Daytona Beach, Florida, USA, 2001. Ausstellung Absenzen. Courtesy of the artist

Alter Messplatz Mannheim – Totale Erinnerung – Blog 3 D

Auf dem Alten Messplatz in Mannheim haben die Kuratoren die Kunst-Blogger von vvork gebeten, einen begehbaren dreidimensionalen Blog im öffentlichen Raum zu bauen, und damit die vielleicht populärste Form des Bildersammelns „zurück“ aus dem Netz in den öffentlichen Raum zu setzen.

halle_02 Heidelberg – Materials (Swagger Like Us), Xaviera Simmons:

Plattencover prägen musikalische Stile, sind gleichzeitig aber auch Opfer ihrer eigenen Klischees. Seit 2006 stellt die Afroamerikanerin Xaviera Simmons ihre Plattensammlung als Wandinstallation aus. Die ursprünglich als Fotografin ausgebildete Simmons, die auch als DJ tätig ist, konzentriert sich auf Black Pop und Jazz. Die Zusammenstellungen sind eine starke Manifestation der schwarzen Musik, wobei die Motive der Plattenhüllen so verschieden sind wie die Ausdrucksweise der Musik selbst. Für die halle_02 stellt Simmons eine neue Arbeit „Materials (Swagger Like Us)“ vor, die sich mit dem Thema des Fotofestivals befasst.

Yvonne Todd: Approximation of Tricia Martin, 2007. Ausstellung Körpermuster. Courtesy Ivan Anthony Gallery and Peter McLeavey Gallery

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Kehrer-Verlag mit Titel [amazon 3868280758]Images Recalled[/amazon]. Unter anderem mit einem Interview der Kuratorin Esther Ruelfs mit Wolfgang Tillmans, dem Preisträger des Kulturpreises 2009 der DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie). Über Wolfgang Tillmans siehe auch den Beitrag bei fokussiert.com: Das Wunder der Fotochemie. Die Preisverleihung am 3. Oktober findet ebenfalls im Rahmen des Fotofestivals Mannheim_Ludwigshafen_Heidelberg statt.

3. Fotofestival Mannheim_Ludwigshafen_Heidelberg
vvork

1 Kommentar
  1. Daniel
    Daniel sagte:

    Das Foto-festival ist zwar viel beworben, selbst auf der Internetseite eines bekannten Kunstmagazins findet man eine Fotostrecke. Nach dem ich 3 Austellungsorte besucht habe:

    Gähnende Leere in den Ausstellungsräumen. Zu recht, staunen kommt nicht auf. Höchstens beim Aufsichtspresonal: „Was? Da kommt doch noch jemand auf die Ausstellung?“
    70.000 € wurde in das Festival gesteckt. Hätte mehr draus gemacht werden können.

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