Landschaftsfotografie: Der Birkenwald voller Bäume

Wenn man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht, können spannende Fotografien entstehen. Eingriffe in die Komposition sind dennoch wünschbar.

[textad]Leserfoto: Klick für Vollansicht (© Karsten Zolk).

Kommentar des Fotografen:

Waldlichtung. Mit etwas Geduld wurde aus einem banalen Motiv durch die letzten Sonnenstrahlen eines bewölkten Tages und die Bewegungsunschärfe der Baumkronen eine stimmungsvolle Ansicht.

Profi Peter Sennhauser meint zum Bild von Karsten Zolk:

Ein Birkenwald, auf Augenhöhe waagerecht mitten aus dem Unterholz fotografiert: Die schwarz-weissen Stämme erstrecken sich in diesem Farbbild in die Tiefe, unten ist erdiger Waldboden, im hinteren Tiefenbereich über den dünnen Baumwipfeln ein hellblauer Himmel zu erkennen. Vier Stämme dominieren das Bild im Vordergrund.

Birkenwälder bieten einen faszinierenden Blick. Die rauen, meist relativ dünnen Stämme bieten nicht zuletzt in der Masse eine Möglichkeit für Bilder, die geradezu abstrakt wirken.

Trotzdem handelt es sich hier, auch wenn Du es unter Abstraktion eingereicht hast, eindeutig um ein Landschaftsbild. Das Motiv ist klar erkennbar und bietet ausreichend Spielraum für das Auge und den Geist.

Dass die Baumkronen sich im Wind wiegen und dadurch namentlich im linken Bildteil verwischt sind, fällt mir erst auf den zweiten oder gar dritten Blick auf – und es trägt nicht sonderlich zur Spannung in der Aufnahme bei.

Denn die rührt eindeutig aus dem Gewirr an Stämmen, den schwarzen und weissen Strukturen, die ich entschlüsseln und zuordnen möchte, und zwischen denen ich nach dem Blick in den Hintergrund suche. Eine Geschlossene Blende ist deshalb hier auch die richtige Wahl, allerdings denke ich, Blende 9 oder noch offenere hätte hier für durchgehende Schärfe gereicht, Blende 18 führt zu den drei Zehntelssekunden Belichtungszeit, welche die Baumkronen in Bewegung verwischen.

Was mehr auffällt und den Rhythmus des Bildes etwas stört, ist die Verteilung der vier Stämme im Vordergrund – sie ist zu gleichmässig, zu wenig spannend, und vor allem der Baum ganz links steht zu dicht am Bildrand.

Damit man mich richtig versteht: Dass der eine Baum in der linken Bildmitte oben und unten geschnitten ist, stört mich hier nicht. Aus diesem Abschnittsblick allerdings könnte ein spannender Kontrast entstehen, wenn just deswegen mehr von der Verwurzelung eines anderen Exemplars im Mittelraum des Bildes zu sehen wäre, wenn die Nähe direkter und grösser wäre und Du die Möglichkeiten zur Staffelung der Tiefe bis zum Extrem ausgereizt hättest.

Denn Wälder und vor allem eben Birkenwälder bieten die Möglichkeit für die perspektivische Vertiefung durch das Gewirr der Stämme, das man fast aus jedem Winkel fotografieren kann.Gerade deswegen aber ist es ratsam, dem Vordergrund und der Positionierung der wenigen einzelnen Exemplare, die im unmittelbaren Vordergrund platziert werden können, grösstes Augenmerk zu schenken und die Protagonisten darin sehr sorgfältig anzuordnen.

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3 Kommentare
  1. Dr. Thomas Brotzler
    Dr. Thomas Brotzler sagte:

    Waldmotive gehören m. E. mit zu den schwierigsten Varianten der Landschaftsfotografie – gemessen am Anspruch, dasjenige im Bild ausdrücken und vermitteln zu können, was man vor Ort sah und empfand.

    Peter erwähnte die bekannten Schwierigkeiten der Komposition. Im Wald herrscht oftmals ein Drunter und Drüber, und mehr wie in anderen Motiven ist es wichtig, mit Muße den richtigen Ausschnitt zu finden, so daß sich Räumlichkeit und Tiefe symbolisieren lassen.

    Ein anderer Aspekt ist die schwierige Lichterkontrolle, die Peter hier nicht explizit ansprach, aber in einer früheren Rezension schon einmal abhandelte. Die Lichtverhältnisse im Wald sind oftmals extrem schwierig, speziell die zwischen den Blättern durchbrechenden Spitzlichter könnten einen zur Verzweiflung bringen.

    Das Letztgenannte ist es auch, was mich hier bei aller atmosphärischen Anmutung stört. Wege aus diesem Dilemma wären eine noch bessere Kontrolle der Lichtsituation vor Ort oder eine Nachbelichtung der besagten Partien in der Ausarbeitung.

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  2. Peter Sennhauser
    Peter Sennhauser sagte:

    Karsten teilte uns mit:

    Besten Dank für die anregende Kritik an die kokussiert-Profis. Um die Vewirrung zu beenden, selbstverständlich handelt es sich um eine Landschaftsdarstellung und sollte auch als solche eingereicht werden. Die Stämme im Vordergrund waren in ihrer Anordnung so gewählt, um den kulissenartigen Aufbau der Szene zu betonen und den Blick in das leicht nach rechts aus der Bildmitte verschobene Dickicht zu lenken. Dabei sollte die Baumgruppe im linken Mittelgrund, die sich leicht der Bildmitte zuneigt, nicht störend überdeckt werden. Der Baum am linken Bildrand verschwimmt im Schatten und wirkt sich m.E. nicht störend auf die Komposition aus. Ein Beschnitt würde den Tiefeneindruck sogar reduzieren. Fazit: nochmals an das Objekt und neu komponieren.
    freundliche Grüße, Karsten Zolk

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  3. Thomas Gawehns
    Thomas Gawehns sagte:

    Ein lehrreiche Kritik an einem „motivlosen“ Bild! Insbesonder der Teil bgzl. der vier Bäume im Vordergrund hat mir zu denken gegeben. Ich selbst mache Bilder eigentlich nur im Urlaub und meistens unter Zeitdruck, weil „der Rest“ immer dann doch weitergehen möchte.

    Gleichwohl versuche ich dann doch so mir bekannte Standards einzuhalten, so z.B. Hausfronten oder Wege die dann in das Bild führen können. Heraus kommt dann
    so etwas. Die Rolle der Bäume hätten hier die zwei Chinesen rechts und evtl. die Fische links.

    Werde ich dann wohl die Regel „ist etwas irgendwie interessantes im Vordergrund“ mit in mein Schnellcheck aufnehmen.

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